Es war vor zwei oder drei Jahren, als der Fotograf Toni Amengual in einer dieser Touristenorte auf Mallorca war. Er sagt nicht in welchem. Vielleicht ist das auch nicht nötig. Vielleicht gibt es ohnehin keine großen Unterschiede von einem zum anderen. Amengual jedenfalls ging in einen Souvenir­shop und erblickte plötzlich unter den ganzen kitschigen Verkaufsstücken: Kunst.

So zumindest erklärt der 1980 geborene Fotograf den Ursprung seiner ausgezeichneten Schau „Holy Days", die seit vergangenem Donnerstag (14.7.) im Casal Solleric zu sehen ist. Darin vereint er sieben großformatige Fotogra­fien von Souvenirs, die er in Urlauber­hochburgen der Insel gekauft hat. Die Originale sind in dem dunkel gehaltenen Raum jeweils vor dem Foto platziert.

Als einziges Kriterium für die Auswahl der Objekt nennt Amengual - unter anderem bekannt für sein Fotobuch „DeVotos" (MZ berichtete) - den Schriftzug Mallorca, der sie alle ziert. Gleich das erste Souvenir steht räumlich im Zentrum der Ausstellung: ein bunter Flaschenöffner in Penisform. Der ist nicht mehr oder weniger skurril als die Figur zweier Häschen oder der nackte Hintern. Auch der Aschenbecher mit den Umrissen Mallorcas und einem tanzenden Paar in nicht­regionaler Tracht ist ein Highlight. „Unter anderem möchte ich die Frage stellen, was Kunst ist", so der Fotograf.

Er sei froh, sagt Amengual, diese Ausstellung just in dieser Jahreszeit eröffnen zu können, wo so viele Urlauber auf der Insel sind. „Wir müssen über unser Tourismusmodell reden", sagt er.

„Ich möchte, dass die Menschen mit mehr Fragen als Antworten aus der Ausstellung gehen." Einen besonderen Clou hat sich der Fotograf dabei nicht verkneifen können: Der Text zur Ausstellung ist im Raum nur auf Deutsch abgedruckt, die spanische und katalanische Version gibt es nur auf einem Zettel. „Damit wollen wir klarmachen, an wen wir die Bilder verkaufen wollen", scherzt er auf Nachfrage. „Nein, im Ernst, damit wollen wir einen ironischen Denkanstoß geben. Es gibt mittlerweile viele Orte auf Mallorca, wo in den Geschäften und Restaurants nichts mehr in den Landessprachen steht, sondern nur auf Deutsch, höchstens noch auf Englisch." Amen­gual betont, dass sich die Kritik nicht gegen die Urlauber richte. „Im Gegenteil. Es geht darum, dass wir Mallorquiner selbst darüber nachdenken sollten, wie es zu so einer Art Tourismus gekommen ist. Wir haben das katastrophal gemanagt."

Insel der Sorglosen

Etwas eklektischer als die spezifisch für den Raum konzipierte Ausstellung Amenguals ist die Sammelschau „De regreso a la isla" (Zurück auf der Insel), die sich mit „Utopia" von Thomas Morus befasst. Das von zwei jungen Mexikanerinnen, Helena Lugo und Maria Royuela, kuratierte Projekt wurde ebenso wie Amenguals Ausstellung im Rahmen des Nachwuchswettbewerbs CreArt 2016 ausgewählt, mit dem die Stadt Palma ihre Ausstellungshalle neuen Talenten öffnen wollte.

Herausgekommen ist eine Schau, in der sich zwölf internationale Künstler mit Morus´ Buch beschäftigen, das einen idealen Ort beschreibt, eine Insel, auf der die Menschen keine Sorgen haben. Dass so etwas nicht existieren kann, wusste auch schon der Autor: Das Wort Utopia kommt aus dem Griechischen und bedeutet Nicht-Ort.

Vielleicht ist es der internationalen Ausrichtung der Ausstellung zu verdanken, dass die gezeigten Arbeiten den Vergleich zwischen Utopia und Mallorca strapazieren. Im Gegensatz dazu setzt sich der griechische Künstler Michailangelus Vlassis-Ziakas mit dem Aufeinandertreffen von Utopien auseinander. In posterartigen Bildern, die an Werbeplakate erinnern, kommt er zu dem Schluss, dass Gewalt letztlich die Konsequenz von Utopien ist.

Etwas poetischer geht unterdessen der Mexikaner Gustavo Abascal das Thema an. Er entwirft Landkarten mit einzelnen Punkten, die sich verbinden lassen sollen, deren Kombination aber keinen Sinn ergibt. Der Brite Carl Gent hingegen konfrontiert die Betrachter mit einem großforma­tigen Eisberg. Die Utopie wird hier aus dem Blickwinkel ihres Scheiterns gezeigt: Es ist der Blickwinkel der „Titanic".

Die Ausstellung präsentiert eine Mischung aus Installationen, Zeichnungen, Drucken und Readymades. Das ist nicht schlecht, auch wenn nicht alle Arbeiten gleichermaßen überzeugen. Das Experiment der Kulturabteilung der Stadt Palma, selbst Ausstellungen in Auftrag zu geben, ist dieses Mal, aller Skepsis zum Trotz, geglückt.

„De regreso a la isla", verschiedene Künstler, „Holy Days" von Toni Amengual, Casal Solleric, Passeig del Born, 27, bis 18.9.