„¡Esto huele!" - „das riecht!" Diese Feststellung reicht für Ernesto Ventós, um sich für ein Kunstwerk zu interessieren. Der 71-jährige Parfümeur aus Barcelona sammelt seit vierzig Jahren zeitgenössische Kunst, die bei ihm eine olfaktorische Erinnerung wachruft. Der Unternehmer ergänzt Werke um eine Erfahrung: die des Geruchs. Denn zu allen Arbeiten, die ihm gehören, hat er eine Kreation in der Nase.

14 davon kann man nun im Museum Es Baluard erleben. Die braunen Glasfläschchen stehen auf einem kleinen Wandregal. In jedem steckt ein dicker Wattebausch, der Geruchsträger. Auf ihren weißen Drehdeckeln steht eine Nummer, die sie den ebenfalls durchnummerierten Ausstellungsstücken zuordnet. Die Schau heißt wie Ernesto Ventós´ Sammlung, „Olor visual", visueller Geruch.

Ausgesucht hat die Arbeiten Museumsleiterin Nekane Aramburu. Sie habe nach einem visuellen Rhythmus gesucht, sagte sie bei der Präsentation, habe bekannte mit weniger bekannten Künstlern verbunden und sich vor allem am Format der Arbeiten orientiert: Alle Exponate sind Videos. Damit passt die Schau in die Reihe „Reproductibilitat", Reproduzierbarkeit, die das Museum nun zum sechsten Mal auflegt. Dabei geht es um bewegte Bilder in der Kunst und deren Evolution seit den 90er- Jahren.

Der Rundgang ist sehr kurzweilig, vielleicht wegen der Vorfreude auf das Riecherlebnis, aber auch wegen der Bereitschaft zu einer neuen Kunsterfahrung. Plötzlich stellt man sich beim Betrachten einen Geruch vor: Wie riechen alte, abgenutzte Computertasten, die Daniel Canogar auf ein weißes Wandregal gestreut hat und auf die er Buchstaben und sich ständig auflösende und neu bildende kleine Häufchen von irgendetwas projiziert? Das Werk heißt ­„Azerty", wie die französische Standard-Tastaturbelegung, und soll laut ­Canogar „nach Staub und nach Gedächtnis" riechen, „sofern Computer­tasten so etwas haben".

Das sollte man doch sofort testen. Dem Fläschchen Nummer acht entströmt tatsächlich der Geruch nach altem Computer. Die Assoziation ist vermutlich konditioniert, weil wir zuvor das Werk gesehen haben. Wie auch immer: Der Wattebausch riecht wie ein nicht gelüftetes Büro, wie das Lager einer Computerwerkstatt, wie ein Haufen alten Plastiks, und ja, den Staub riecht man auch irgendwie. Dazu kriecht etwas Metallenes und ­Trockenes in die Nase.

Und welche Assoziationen ruft Ventós Amparo Sards Video „Hauptpunkt (esencia)" hervor? Die bewegten Bilder der Mallorquinerin zeigen Nahaufnahmen von sanften Wellen an der Steinküste, es blubbert, wabert und schwimmt, grünlicher Meeresspargel, bräunliche Algen, rötliche Flechten sind zu erkennen und vor allem die Reflexe des Sonnenlichts im Wasser. Dazu projiziert Sard digital bearbeitete, abstrakte Bilder von öligen Blasen, die sich in ewiger Bewegung aneinander und umeinander drücken. Das Werk sei eine Anspielung auf das Leben als ewige Suche nach dem Gleichgewicht, so die Künstlerin. Ventós hat das in einer naheliegenden und dennoch überraschenden Essenz eingefangen: Das Fläschchen Nummer eins riecht nach Meer, klar. Doch später wird man erkennen, wie vielseitig das Meer riechen kann, bei einer Arbeit von Tim-White Sobieski („On the wing") oder Antoni Muntadas („Rdc#1"). Die eine erinnert den Sammler an seine Sommerferien als Kind auf Mallorca, die andere wurde in den Kanälen von Venedig aufgenommen. Drei Varianten zu Meer, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zu Amparo Sard kreierte Ventós etwas Salzig-Faulig-Kühles, bei Sobieski riecht das Meer kompakt, frisch, leicht und bei Muntadas hölzern und alt.

Wer sich etwas Schlimmes antun möchte, der sollte Fläschchen Nummer sieben öffnen und nur kurz daran schnuppern, denn die Essenz kann Übelkeit hervorrufen. Es ist der grauenhaft intensive Geruch eines japanischen Thunfisch-Schlachthofes, wie ihn Stephen Dean mit einer Infrarotkamera ge­filmt hat („Fever" [Tsukiji market]). Nicht alles in der Welt des von Kind an tauben Sammlers ist also idyllisch und kurios. Neben Vorfreude sollte man auch Vorsicht mitbringen, wenn man sich auf sein Spiel mit den Sinnen einlässt.

Olor visual, Es Baluard bis 22. Januar, Infos: www.esbaluard.org