Es ist wohl das Mallorca-Buch schlechthin: der Bericht der Schriftstellerin George Sand von ihrer Reise mit ihren beiden Kindern und Frédéric Chopin nach Mallorca. Sie wollten sich erholen und zur Ruhe kommen. Es kam alles ganz anders, nach nur 98 Tagen - eben einem „Winter auf Mallorca" - reisten sie Anfang 1839 wieder ab, von der Landschaft zwar verzaubert, von den Mallorquinern aber wenig angetan.

Den Klassiker bringt der dtv Verlag jetzt neu übersetzt und editiert heraus. Die Übersetzung von Hermann Lindner hält sich dicht an das Original. Auch die verantwortliche Lektorin Maria Schedl-Jokl definiert sich als „eine Anhängerin der Texttreue" und „keine Freundin der leichten Lesart um jeden Preis".

Es ist gängige Praxis, Klassiker in regelmäßigen Abständen neu zu übersetzen, aber auch immer wieder eine „Herausforderung", wie Maria Schedl-Jokl unterstreicht. „Der richtige Ton muss gefunden werden. Vor 30 Jahren drückten sich Übersetzer anders aus, unterlag die Sprache unterschiedlichen Modalitäten, galten bestimmte Ausdrücke als zeitgemäß. Und eine Übersetzung ist immer nur eine Annäherung an den Text." Jede Fassung sei „ein neuer Meilenstein", sagt Maria Schedl-Jokl. „Nicht unbedingt besser als die bisherigen, einfach anders."

Als Vorlage diente diesmal eine kritisch-historische Edition, die in die Pléiade aufgenommen worden ist. Das ist eine Buchreihe, die seit 1931 vom französischen Verlag Gallimard herausgegeben wird, strengen Auflagen unterliegt und eine Art Kanon der klassischen, vor allem französischen Literatur darstellt. Diese Fassung hatte bei der ersten im dtv Verlag erschienenen und über 100.000 Mal verkauften Ausgabe, die 1985 von der Büchergilde Gutenberg übernommen wurde, noch nicht vorgelegen.

„In einer kritischen Ausgabe wimmelt es natürlich nur so von Fußnoten, das wollten wir den Lesern nicht zumuten", sagt Maria Schedl-Jokl. Einige wichtige wurden dennoch ausgewählt, damit die Leser den historischen Kontext der Reise besser nachvollziehen können.

Der Anhang ist ausführlich, ein Auszug aus der Autobiografie von Sand „Ma vie" ist eine weitere Hilfestellung, um „Ein Winter auf Mallorca" einordnen zu können. Der Übersetzer Hermann Lindner, ein Spezialist für französische Klassiker - darunter Werke von Guy de Maupassant - hat zusätzlich ein erklärendes Nachwort beigefügt. George Sand sei eine sehr politische Frau gewesen, mit sehr entschiedenen Ansichten zum Thema Freiheit. Es sei ihm als Übersetzer ein großes Anliegen, dass ein „moderner" Leser sich gut in diese Welt eindenken könne.

„Und besonders schön und vollständig sollte diese Ausgabe natürlich auch sein", betont die betreuende Lektorin Maria Schedl-Jokl. Fast 50 Abbildungen, vor allem schwarz-weiße Lithografien, vermitteln in dem Hardcover-Band einen Eindruck vom damaligen Mallorca. Es sind Bilder von Palma, von Bauern und Feiernden, von der Kartause in Valldemossa oder vom Schloss Belver. Manche davon hat George Sands Sohn Maurice mit leichter Feder selbst gezeichnet.

Die Mallorquiner kommen in der „skeptisch bitteren Berichterstattung, von kleinen heiteren Pointen unterbrochen" bekanntlich nicht gut weg. Die Neuausgabe hilft dabei, die harschen Urteile von George Sand in die richtige Perspektive zu setzen. „Man muss sich das einmal so vorstellen: Eine junge emanzipierte Frau aus einer Großstadt reist auf eine ländliche Insel. Erwartungen und Realität klafften einfach zu weit auseinander", resümiert Maria Schedl-Jokl.

Auch der Übersetzer Hermann Lindner hebt diese „Brüche" ausdrücklich hervor: „Immer wieder wechselt der Ton zwischen euphorischer Begeisterung einerseits und sarkastischer Distanzierung andererseits." Diese adäquat in die deutsche Sprache transportieren zu können, sei die Kunst der Übersetzung.

„Ein Winter auf Mallorca" geht über eine Beschreibung der Insel weit hinaus, gibt ebenso Einblicke in das Innenleben und die Weltanschauung der Schriftstellerin. Die Reise „dient ihr als willkommenes Fallbeispiel für die Grundfragen nach der menschlichen Bestimmung schlechthin, nach der condition humaine", erläutert Hermann Lindner. Die Abgeschiedenheit und die Natur sollten ihr helfen, zu sich selbst zu finden. George Sands Fazit, bei aller Schönheit der Insel, die sie auch anerkennt: „Der Mensch ist nicht dazu geboren, um mit den Bäumen, den Felsen, (...) und den Bergen zu leben, sondern mit seinesgleichen, mit den Menschen."