José María Moreno lenkt seine Capella Mallorquina nicht auf Kuschelkurs. Bei ihm weht ein anspruchsvoller musikalischer Wind, der Chor probt zweimal die Woche, geht auf Reisen, gibt bis zu 20 Konzerte im Jahr. Wobei es nicht die Disziplin alleine ist, die aus einem Laienchor einen Chor macht, der zusammen mit den Berliner Symphonikern auftritt oder nach Peking oder Moskau reist, um dort aufzutreten. Es ist wohl vor allem dem Stolz der Sängerinnen und Sänger zu verdanken, Teil dieses Chores zu sein, dass die Capella dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert.

Mallorca, 1966: Abgesehen von einigen wenigen kleineren Ensembles, in den Kirchen und auf den Dörfern, gibt es kaum einen Chor. Der spätere Dom­kapitular an der Kathedrale Bernat Julià ruft die Capella Mallorquina ins Leben. 1922 in Felanitx geboren, ist Bernat Julià seit seiner Kindheit mit gesungener Liturgie vertraut. Er spielt Orgel und Klavier und komponiert selbst. Das Auftaktkonzert der Capella Mallorquina am 8. Juni 1966 findet im königlichen Almudaina-Palast in Palma statt.

Aus dem Chor wurde schnell eine Institution. Von den 25 Stimmen der Anfangsjahre ist er auf 60 angewachsen. Neben dem Stolz sind Konstanz und Stabilität weitere Zauberwörter. Wer einmal Teil des Chores ist, tritt so schnell nicht wieder aus. Dienstälteste ist die Sopranistin Rosario Amengual - als junge Frau war sie 1966 in der Almudaina dabei, und noch heute ist sie Teil des Chores. Auch die Altistin Montse Isern ist schon viele Jahre dabei. „Ich studierte 1986 im Konservatorium Gesang. Eines Tages kam Don Bernat in die Probe, auf der Suche nach guten Stimmen", erzählt sie. „Ich musste vorsingen, er saß am Klavier. Dann sollte ich etwas vom Blatt ablesen." Dem Maestro gefiel, was er da hörte, und von da an war Montse Isern dabei. „Viele Sänger und Sängerinnen kamen damals von Sóller oder

Banyalbufar zu den Proben, ohne den heutigen Tunnel war das eine kleine Reise", erinnert sich die Sängerin.

Die Stabilität zeigt sich auch bei den Dirigenten. In diesen 50 Jahren hat das Ensemble gerade mal zwei musikalische ­Leiter gehabt. Den 2013 verstorbenen Gründer Bernat Julià und José María Moreno, der dem Traditionschor seit 1999 vorsteht. Moreno übernahm den Chor mit nur 27 Jahren, nachdem er seit seinem 15. Lebensjahr als Solist und Dirigent unter anderem mit dem Jugendchor des Teatre Principal, des Opernchores und des Chores von Andratx Erfahrungen gesammelt hatte. „Moreno kann den Chor motivieren wie kaum ein anderer, und es gelingt es ihm, ein gutes Gleichgewicht zwischen älteren und jüngeren Sängern zu schaffen", sagt Wolf Bruemmel, Gründer und Leiter des Festivals MúsicaMallorca.

„Bernat Julià war pura calma, die Ruhe selbst", erzählt Montse Isern. „Moreno dagegen ist ein Wirbelwind, un terremoto - im positiven Sinne." Das ist schon in der Probe spürbar. Moreno rauscht herein und pfeift zunächst mal die Bass-Stimmen an, er könne sie nicht sehen, weil sie hinter den Säulen des Probenraumes sitzen. Sofortiges Stühlerücken, die angesprochenen Männer setzen sich aufrecht hin, die Partitur in der Hand. „Ein gutes Klima zwischen Chor und Dirigent zu schaffen ist elementar", sagt Moreno zur MZ. „Disziplin und Respekt, aber auch Freundlichkeit gehören unbedingt dazu. Ich mache mich aber auch selbst oft zum Clown, und die Gruppe entspannt sich dadurch."

Die Chormitglieder sind alles Laien, das Pensum ist dennoch straff. „Da muss man auf Zack sein", bestätigt Montse Isern. Eine musikalische Vorbildung ist fast ein Muss. Das Repertoire des Chores ist breit. „Wir sind kein hoch spezialisierter Chor, sondern singen Musik aus der Renaissance ebenso wie Operetten oder moderne Stücke", sagt José María Moreno.

Das Jubiläumsjahr hat begonnen und wird mit Auftritten an symbolischen Orten einer Reise in die 50-jährige Geschichte des Chores gleichen. Los ging es bereits im Juli mit einem Konzert in Sankt Petersburg. Im September folgte dann eine erste Hommage an Bernat Julià: Die Capella Mallorquina sang das von ihm komponierte Stück „Cant a Formentera" in der Kirche von Santa Eulàlia in Palma.

Im Oktober folgte dann ein Auftritt im Rahmen des Festivals MúsicaMallorca mit den Berliner Symphonikern unter der Leitung von Lior Shambadal im Teatre Principal. Bis Ende des Jahres folgen nun Auftritte in Palma: am 24.11. in der Kirche Santa Catalina Thomàs sowie zum feierlichen Abschluss des Llull-Jahres am 27.11. in der Kathedrale, wo im Dezember dann auch die traditionellen Weihnachtsauftritte anstehen.

Der Höhepunkt im Jubiläumsjahr wird dann wohl das Abschlusskonzert am 2. Juli 2017 sein. Zum ersten Mal nach dreißig Jahren tritt die Capella Mallorquina im Torrent de Pareis auf. „Ein symbolischer Ort", sagt José María Moreno.

Die Capella Mallorquina im Internet: www.capellamallorquina.com