Das Büro im Hinterraum des Plattenladens Xocolat in der Nähe der Plaça dels Patins in Palma ist ein wenig vollgestellt. Hier ist die Zentrale der Plattenfirma Produccions Blau, dem größten Label der Insel. Die meisten Musiker der Insel, aus denen etwas geworden ist, haben zu irgendeinem Zeitpunkt eine Platte bei Blau aufgenommen. An einer Wand hat Labelchef Miquel Àngel Sancho Bilder und Autogramme von diesen Künstlern, aber auch von Begegnungen mit Größen aus Jazz und Pop, die hier aufgetreten sind. Viele Bilder sind aus den 80er-Jahren. Eine andere Zeit.

In diesem Jahr feiert das Label gleich zwei Jubiläen. Zum einen sind 35 Jahre seit der Gründung vergangen, was Blau zur ältesten noch existierenden Independent-Plattenfirma Spaniens macht. Zum anderen hat das Label kürzlich die 700. Platte veröffentlicht.

Musikalisch hat Blau keine klare Linie. Vielleicht hat sich die Firma auch deswegen so lange gehalten. Aktuelle Rockbands wie Son and The Holy Ghosts sind ebenso im Katalog vertreten wie der Jazzmusiker Jorge Pardo oder der menorquinische Bariton Joan Pons. Mit einem Sampler, auf dem kubanische Musiker die Songs des katalanischen Liedermachers Joan Manuel Serrat interpretieren, wurde das Label 2005 sogar für einen Grammy nominiert. Eine weitere Nominierung gab es für ein anderes Album mit kubanischer Musik.

„Mir muss die Band oder der Künstler gefallen, damit ich ihn unter Vertrag nehme", sagt Sancho. „Aber es muss nicht unbedingt der Musikstil sein, der mich anspricht. Es kann auch die Attitüde sein oder die musikalische Herangehensweise." 1983 bescherte der Inselbarde Tomeu Penya dem jungen Label den ersten kommerziellen Erfolg. Penya ist der Firma bis heute treu geblieben. „Natürlich gibt es Sachen von ihm, die mir nicht gefallen. Das weiß er auch. Das ist der Grund, warum er mich seit Jahren nicht ins Studio lässt, wenn er Aufnahmen macht. Er wirft mir vor, dass ich zu viele Balladen von ihm verlangen würde. Aber das ist okay. Am Ende macht er ja eh meistens Balladen. Und er ist ein absoluter Profi."

Auf der Platte Nummer 700 geht es zurück in die Anfangsjahre von Blau. Der Sampler bietet einen Überblick über die mallorquinische Popszene der 80er-Jahre. „Damals gab es einen Popmusik-Wettbewerb, der jährlich von der Stadt Palma ausgetragen wurde. Das war natürlich eine großartige Plattform für neue Bands und für uns als Plattenfirma eine Fundgrube", sagt Sancho.

Heute seien die Bands technisch weitaus versierter als früher, allerdings hätten sie es auch schwerer. „Es ist in der Welt des Pop praktisch unmöglich geworden, etwas Neues zu erfinden." Für hiesige Musiker sei es zudem schwierig, sich Gehör zu verschaffen. „Das liegt nicht nur an der Insellage. Sondern auch da­ran, dass sich in der Branche immer noch so viel über persönliche Kontakte abspielt. In Madrid gibt es drei, vier Bars, in denen sich Musikjournalisten, Musiker und PR-Menschen treffen. Wer da keinen regelmäßigen Zugang hat, wird schnell vergessen."

Dass sich Plattenfirmen heute noch halten können, liegt laut Sancho daran, dass sich zwar das Geschäft, nicht aber dessen Regeln verändert haben: „Kaum jemand kauft noch CDs oder Platten, aber wer keine CD produziert, hat kaum eine Chance. Wer nur einen Link verschickt, hat nichts zu melden." Die digitale Musik sei als Geschäftsmodell nicht nachhaltig. „Wir sind zwar überall vertreten, aber was Downloads und Streaming abwerfen, ist ein Witz."

Blau hat zudem den Vorteil, dass die Firma über einen eigenen Vertrieb verfügt. „Das macht uns attraktiv für Künstler. Das wirkt als Filter für Konzertagenten, Radiostationen und Plattenläden. Wenn wir es vertreiben, weiß man, dass eine gewisse Qualität dahintersteckt." Nur selten vertreibt Sancho Künstler, die nicht unter Vertrag stehen. Etwa das neue Album der jungen mallorquinischen Band The Wheels, das an diesem Freitag (27.1.) erscheint. „Das machen wir, weil die Band gut ist und wir ihnen helfen wollen."

Trotzdem sind viele Jobs weggefallen. Die Musiker müssen sich mitunter an den Kosten für die Aufnahmen beteiligen. „Früher hatten wir auch ein riesiges Werbebudget. Wir haben sogar Fernsehwerbung gemacht. Heute ist das nicht mehr drin. Aber das geht der ganzen Branche so", sagt Sancho. Werbung sei heute Zufall. Vergangene Woche rührte der Blau-Musiker Bruno Sotos in der TV-Show „Got Talent" mit einem Song für seinen verstorbenen Vater Jury und Publikum zu Tränen. „Das Album mit diesem Song ist seit einem Jahr draußen. Der Song hat sich nicht verändert. Bruno selbst auch nicht. Aber durch diese Aktion ist er jetzt plötzlich

in aller Munde."