Ein Krimi braucht einen Helden oder eine Heldin. Meistens sind das Detektive oder Polizisten. Bei Sabine Hofmann und Rosa Ribas, einem deutsch-spanischen Autorinnen-Duo, gibt es zwei Heldinnen. Sie heißen Ana Martí und Beatriz Noguer, sind Cousinen und gänzlich gegensätzlich. Beatriz ist Philologin und die Ratgeberin im Hintergrund. Ana ist eine junge, hartnäckige Journalistin, die regelmäßig über Gewalttaten berichtet und mit ihrer „journalistischen Spürnase" so lange recherchiert, bis alle Rätsel gelöst sind.

Drei Kriminalromane haben die beiden Romanistinnen schon verfasst, sie sind auf Spanisch bereits erschienen: „Don de lenguas" 2013, „El gran frío" 2015 und „Azul Marino" 2016. Sie spielen im Barcelona der 50er- Jahre und haben Ana und Bea­triz als Protagonistinnen. Für Hofmann und Ribas waren die grauen Jahre der Franco-Diktatur literarisch anregend, gleichzeitig war es eine Epoche, in der eine Frau schon als Journalistin

arbeiten konnte.

Auf Deutsch erscheint jetzt der zweite Band bei Rowohlt (17.2.). Er heißt „Die große Kälte" und spielt 1956, in einem historisch belegten, sehr kalten und schneereichen Jahr. Die Protagonistin wird im Februar in ein nordspanisches Bergdorf geschickt, um dort zu einem Mädchen zu recherchieren, das regelmäßig zu Ostern Wundmale an Händen und Füßen hat. Dabei kommt Ana noch anderen Dorfgeheimnissen auf die Spur: Die Lebensumstände im abgelegenen, traditionsverhafteten Spanien der 1950er-Jahre erzählen Hofmann und Ribas gleich mit.

Der erste Kriminalroman von Hofmann und Ribas spielt 1952. Er heißt „Das Flüstern der Stadt" und wurde bereits 2015 von Rowohlt veröffentlicht. Ana arbeitet als Gesellschaftsreporterin bei der Tageszeitung „La Vanguardia" und muss über den Mord an einer Arztwitwe schreiben. Die Ermittlungen führen sie zunächst zu einer zwergwüchsigen, falschen Lotterielos-Verkäuferin, die ausgehungerte Arbeiterinnen einer Glühbirnenfabrik an sexhungrige Männer verkuppelt.

Ein geniales Setting für alle, die Lust am prallen Leben haben und sich über gute Recherche zu vergangenen Zeiten freuen. Der letzte Teil der Trilogie spielt 1959 in Barcelona, als die Soldaten der Sechsten Flotte im Hafen lagen. Der Mord an einem Marine­soldaten im Rotlichtviertel ruft Ana Martí auf den Plan.

Nicht nur historisch bieten die beiden Autorinnen den Lesern viel Vergnügen. Sie arbeiten mit der Geduld eines Goldschmiedes an ihrer Sprache. Das erkennt man bei den unterschiedlichen Ausdrucksweisen von Ana und Beatriz oder beim Dörfler- und Städterjargon der Nachkriegszeit. Auf ihrem Blog zur Entstehung des ersten Romans („Das Flüstern der Stadt") beschreiben die 1964 in Bochum und 1963 in Barcelona geborenen Autorinnen, die sich am Romanistischen Institut in Frankfurt kennen­gelernt haben, wie sie arbeiten: „Wir haben beide alles gemacht: Planen, Schreiben, Überarbeiten", steht in dem Arbeitsjournal.

Ribas und Hofmann teilen sich die Kapitel auf und jede legt unabhängig von der anderen los - in ihrer Muttersprache. Später geht es ans gegenseitige Überarbeiten und Übersetzen. Ein Prozess, bei dem man „sich über vieles klar wird", sagte Hofmann während eines Doppel­interviews in der Tageszeitung „El País", und Ribas fügte an: „Niemand liest einen Text so genau wie ein Übersetzer. Bei uns war das besonders fruchtbar. Wir übersetzten uns beim Schreibprozess."

„Die große Kälte", Rowohlt-Verlag, 19,95/9,99 Euro

Arbeiterkinder, Ex-Polizisten, Feministinnen: Landeskunde mit Spaniens beste Krimiautoren

In der novela negra, wie der Kriminalroman auf Spanisch heißt, geht es zumeist um die Aufklärung einer Straftat. Dabei werden Ort und Zeit der Handlung realistisch vermittelt. Wer also Spanien besser kennenlernen will, kann sich zur kurzweiligen Landeskunde auch Krimis vornehmen. Wir stellen ein paar Autoren und Titel vor.

Víctor del Árbol: „La víspera de casi todo" (Der Vorabend von fast allem, noch nicht übersetzt). Ein Polizist forscht im Jahr 2010 während eines Unwetters an der galici-schen Todesküste einer mysteriösen Frau nach. Carlos Zanón: Der Verfasser von fünf Krimis sitzt derzeit an der Fortsetzung der legendären Pepe-Carvalho-Serie (auf Deutsch bei Wagenbach), die Manuel Vázquez Montalbán (1939-2003) erschaffen hat. Der erste Band soll 2018 erscheinen. Alicia Giménez Bartlett hat zehn Krimis rund um die feministische Inspektorin Pe-tra Delicado verfasst (auf Deutsch bei Bastei Lübbe). Sie spielen in den 1990er- und 2000er-Jahren in Barcelona und wurden mehrfach ausgezeichnet. Dolores Redondo platziert ihre preisgekrönte Krimi-Trilogie in dem nordspanischen Bergtal Baztán. Die Geschichten spielt in der Gegenwart, haben aber magische Elemente (Bastei Lübbe). Der erste Teil kommt dieses Jahr als deutsche Produktion ins Kino. Francisco González Ledesma (1927-2015) war neben Vázquez Montalbán einer der spanischen Krimi-Pioniere. Der Autor der

Ricardo-Méndez-Serie (Bastei Lübbe) war ein Vielschreiber. Sein Romane spielen in Barcelona zwischen 1983 und 2013.