Kalter Rauch liegt in der Luft in dem kleinen Raum im Untergeschoss des Kulturzentrums Casa Planas in Palmas Stadtteil Es Fortí. Seit einigen Monaten hat die Band The Wheels hier ihren Proberaum. Indirektes Licht, die ausgelegten Teppiche, die Bilder an den Wänden machen den Raum einladend und gemütlich, zumindest im Vergleich zu dem, wie Proberäume sonst aussehen können.

Wie lange die Band hier noch proben wird, ist unklar. „Wir sind jetzt in den Planungen, um aufs Festland zu ziehen", sagt Guille Borrás, Sänger und Gitarrist der Gruppe. Es ist ein Schritt, der auf den Balearen immer wieder zwangsläufig erscheint. Wer in Kunst und Kultur Aussicht auf Erfolg hat, muss weg. Nach Madrid, Barcelona. Zumindest nach Bilbao oder Valencia. Eine Band in einen Bus zu setzen, ist für das Management immer noch billiger, als ständig Fähren und Flüge zu buchen.

Wie die Stimme von John Lennon

Und The Wheels stehen kurz vor dem Durchbruch. Vergangenen Freitag (27.1.) ist ihr zweites Album „The Year of the Monkey" erschienen. In den Tagen zuvor hatte der Kultursender „Radio 3" das Album zur „Gourmetplatte der Woche" gekürt. Und auch der Mainstreamsender „Los 40 Principales" spielt die aktuelle Sin­gle „Mr. Hyde". Im Frühjahr geht es auf Tour durch Spanien, die USA und Mexiko. Und für das prestigeträchtige Festival Primavera Sound Anfang Juni in Barcelona sind The Wheels auch schon gebucht.

Und das, obwohl das Quintett, das ursprünglich aus Sóller stammt, musikalisch nicht gerade viel dafür tut, um sich den Charts anzubiedern. 60er-Jahre-Psychedelic vermischt sich mit etwas schnelleren Rock?´n´?Roll-Nummern. Die Stimme von Borrás erinnert an die von John Lennon, auch das lässt an längst vergangene Zeiten denken. Aber The Wheels kopieren nicht und kupfern nicht ab. Vielmehr wirkt es so, als würden sie die Musik der 60er weiterdenken ins Jahr 2017.

Der Retro-Drang der Insel

Die Faszination für die Musik vergangener Jahrzehnte ist nichts ­Ungewöhnliches in der mallorquinischen Musikszene, die ein schon fast pathologischer Retro-Drang plagt. The Wheels tun dies mit einem Schulterzucken ab: Das Gute halte eben lange. Und sie können natürlich genauso gut über aktuelle, ähnlich psychedelisch angehauchte Bands wie Tame Impala, Tem­ples oder Ty Segall philosophieren. „Viel hat mit den Platten unserer Eltern angefangen", sagt Borrás. Er ist 24, seine Bandkollegen zum Teil sogar zwei Jahre jünger. Der Kern der Band, die in den vergangenen Jahren mehrere Besetzungswechsel durchgemacht hat, besteht schon seit knapp zehn Jahren.

Sie sehen gut aus, die Jungs. Das ist ein Vorteil. Wären sie Frauen, würde irgendwer ihnen bestimmt vorwerfen, nur aufgrund ihrer Schönheit Erfolg zu haben. Sie könnten das nutzen. Aber The Wheels sind keine Rampensäue. „Wir sind immer eine Band gewesen, die lieber im Studio Songs aufgenommen hat, als auf der Bühne zu stehen", sagt Borrás. „Das muss sich jetzt aber ändern. Die Zeiten, in denen Musiker für ihre Alben bezahlt wurden, sind vorbei." Was nicht heißen soll, dass The Wheels jetzt dem Tour-Mythos Sex and Drugs and Rock?´n´?Roll aufsitzen wollen. „Ich glaube, die Jungs früher haben maßlos mit ihren Geschichten übertrieben", sagt Gitarrist Rick Sena.

Mallorca erlaubt keinen Exzess

Stattdessen nehmen sie sich Musiker wie den Kanadier Mac Demarco zum Vorbild. „Ich glaube, die Leute schätzen es, wenn Rockstars wie normale Leute auftreten", sagt Bassist Andrés Alcover. Das Wort normal fällt überraschend häufig im Gespräch, mit durchweg positiven Konnotationen. Es wäre auch schwer, da sind sich die Musiker einig, auf Mallorca ein exzessives Rock?´n´?Roller-Leben zu führen. „Hier kennt jeder jeden. Man will ja auch nicht einen schlechten Ruf bekommen", sagt Borrás.

The Wheels sind Malocher. Die Songs stehen im Vordergrund, das Image kann später kommen. War das erste Album „Born To Fly" von 2015 noch sehr von Akustikgitarren geprägt und mit vielen Reverenzen vor der Rockmusik der 60er-Jahre gespickt, finden sich auf dem neuen Album auch zeitgemäßere Klänge. „Wo wir beim vergangenen Album etwa Hammondorgeln gespielt haben, haben wir uns dieses Mal für Synthesizer entschieden", so Borrás. Der Qualität der Musik tut das keinen Abbruch.

Auch wenn die Band erst einmal lange von der Insel weg sein wird - Auftakt der Tournee ist in Palma. Am 3. März präsentieren sie ihr Album im kleinen Tea­tre Mar i Terra in Santa Catalina. „Das mallorquinische Publikum ist schwer zu knacken. Die stehen am Anfang immer drei Meter von der Bühne entfernt", sagt Borrás. „Andererseits ist das eine gute Vorbereitung. So müssen wir uns Mühe geben, uns das Publikum zu erspielen."

The Wheels, The Year of the Monkey, Espora Records, Vinyl 15 Euro.