Ein typischer Gag von ­Christian Überschall ist kurz, knapp und nicht anständig: „Was nützt die schönste Frau im Bett, wenn es die eigene ist?" Nicht ganz so kurz dagegen ist der Titel seines neuen Programms: „Von Speed Dating bis Nordic Stalking - Über Beziehungen 2 go". Am Freitag (28.4.) tritt der 74-jährige Kabarettist in der Kulturfinca in Lloret de Vistalegre auf. Wir erreichen Überschall in seiner Wahlheimat München. Aufgewachsen ist er in der Schweiz, im Berner Oberland als Pfarrerssohn. „Darum bin ich so sex­fixiert", sagt er. „Weil das Thema so tabu war in meiner Jugend."

Arbeiten Sie auf der Bühne Ihre unterdrückte Pubertät auf?

So ungefähr, ja. Ich habe meine Pubertät in absoluter Keuschheit verbracht in der Hoffnung, später dafür einen Bonus zu bekommen. Den kassiere ich sozusagen jetzt ein. Aber der eigentliche Bonus war, dass meine Geschlechtsreife in die Zeit der sexuellen Revolution fiel. Ich konnte die Phase der sexuellen Zügellosigkeit zwischen Einführung der Pille und Ausbruch der Aidspanik voll ausleben, mir dadurch einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung aneignen. Außerdem ist Sex etwas wahnsinnig Komisches. Man braucht sich ja nur einen Außerirdischen vorzustellen, der uns beim Sex beobachtet. Was der wohl denkt?

Was ist neu am neuen Programm?

Es geht wesentlich über das Thema Mann und Frau hinaus. Das ganze Leben ist ja sehr fluid geworden. Heute kann man über das Internet an einem Tag mit mehr Menschen in Kontakt treten, als ein Landbewohner vor 300 Jahren in seinem ganzen Leben getroffen hat. Das hat Vor- und Nachteile. Der Mensch braucht eine gewisse Kontinuität und im Moment übertreiben wir es ein bisschen mit der Fluidität.

Wie haben sich unsere Beziehungen verändert?

Ich vergleiche die Veränderungen gerne mit der Entwicklung der Fernbedienung beim Fernseher. Früher hat man ein Programm geschaut, ohne umzuschalten. Heute, und vor allem die Männer, zappen wir von Programm zu Programm. Die Jugend geht heutzutage schnell eine Beziehung ein und beendet sie schnell auch wieder. Dating-Portale wie Tinder machen das sehr einfach.

Sind Sie in sozialen Netzwerken im Internet aktiv?

Ich habe Tinder versuchsweise einmal ausprobiert, bin aber eher ein Freund von Facebook. Wenn ich hier den ganzen Tag alleine in meinem Atelier sitze, bin ich ganz froh, wenn ich mit der Außenwelt kommunizieren und auch Debatten auslösen kann. Da kann man schön ins Wespennest stechen.

Haben Sie auch negative Erfahrungen bei Facebook gemacht?

Ja, absolut. Mich haben Freunde bei Facebook entfreundet, das ist ja sozusagen das Erschießungskommando des kleinen Mannes. Ich fand anfangs den Umgang mit der AfD in Deutschland absurd, weil sie alle als Volldeppen dargestellt wurden. Da habe ich gepostet, man müsse sich auch mal damit beschäftigen, wer da mitmacht und warum. Da habe ich dann richtig heftigen Gegenwind bekommen.

Warum beschäftigen Sie sich nicht mit Politik auf der Bühne? Zu schmutzig?

Nein, im Gegenteil. Ich hege nicht die Verachtung gegenüber Politikern, die inzwischen allgemeingültig ist. Politiker haben einen schwierigen Job. Sie stehen ständig in der Öffentlichkeit, der kleinste Ausrutscher wird bestraft und dafür gibt es auch noch relativ wenig Geld. Ich beobachte Politik, thematisiere sie aber nicht. Das können andere besser.

Zum Beispiel?

Der Übervater des deutschsprachigen Kabaretts ist für mich Josef Hader, der aber auch unpolitisch ist. Hader war einer der ersten, die gesagt haben, dass beim Kabarett ein Besserwisser auf der Bühne, steht, der den Freizeithumanisten im Publikum die Welt erklärt. Er hat angefangen, ein Kabarett der Befindlichkeiten zu machen, indem er auch über sein eigenes Leben gesprochen hat.

Was ist die Aufgabe eines Kabarettisten?

Das Publikum zwei Stunden intelligent zu unterhalten. Im Idealfall so, dass ihnen am Schluss alles wehtut vor Lachen. Mein größter Ehrgeiz ist es, Dinge in wenigen Worten auf den Punkt zu bringen.

Wie viel Überschall steckt in Ihrer Kunstfigur, dem Therapeuten Dr. Wilhelm G. Sprüngli?

Ich wäre gerne Therapeut geworden und muss mich bei Sprüngli nicht groß verstellen. Über ihn kann ich viele Erfahrungen erzählen, ohne wirklich etwas von mir preiszugeben. Die Erfahrung hat dann halt ein Patient von Sprüngli gemacht.

Wieso stellen Sie Ihr Programm auf Mallorca vor?

Mein neues Programm kann ich erst am 9. Juli in Deutschland aufführen. Ich wollte gerne vorher auftreten und da fiel mir Mallorca ein, wo ich schon zwei Auftritte hatte. Eine gute Gelegenheit, die Insel wieder zu besuchen.