Palma wertet sein architektonisches Erbe auf. Auch über Kathedrale, Gran Hotel, Stadtpalästen und mittelalterliches Judenviertel hinaus stehen Häuser von außerordentlicher Harmonie und mit starker Ausstrahlung. Aufgefallen ist das schon vor ein paar Jahren Blanca Castaldo und Florentino Flórez, Dozenten an der Escola d´Art i Superior de Disseny de les Illes Balears, der Balearischen Fachhochschule für Kunst und Design.

Sie sprechen im Unterricht immer wieder über Palmas Architektur der Jahrhundertwende (19./20. Jahrhundert), und da steht Gaspar Bennàssar (1869-1933)an erster Stelle. Der Architekt wirkte 32 Jahre lang als städtischer Architekt und Urbanist. Er ist für so unglaublich viele Gebäude verantwortlich, dass es ebenso unglaublich ist, dass bis heute kein Schild, kein Architekturführer, keine Ausstellung an ihn erinnert.Die Ausstellung lockt Kulturtouristen

Das ändert sich nun. Castaldo und Fló­rez haben sich mit dem Denkmalschutzverein Arca und der Balearischen Tourismusbehörde ATB zusammengetan und die Ausstellung „Bennazar Palma" konzipiert (die Schreibweise variiert im Spanischen und Katalanischen). Vereint haben sich Wissen um alte Bausubstanz, Freude an der Gestaltung und Förderung des Fremdenverkehrs: Die dreisprachig angelegte Ausstellung soll Kulturtouristen anlocken und passt somit ins Konzept von „Better in Winter", jener Losung, mit der die Balearen auf der ITB beworben wurden.

Im Juli und August werde die Ausstellung nicht geöffnet sein, so Pere Muñoz, der Leiter der ATB, „denn dann wollen wir nicht noch mehr Touristen." Muñoz sieht Barcelona als Vorbild. Die Stadt macht mit den Gebäuden des Jugendstilarchitekten Antoni Gaudí gutes Geld.Die Häuser verleihen der Stadt Eleganz und Stil

Bennàssar, Sohn eines Seemanns der Handelsmarine, wirkte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, als Palma sein Gesicht radikal veränderte. Seine Häuser zeugen von Wohlstand und sie verleihen der Stadt Eleganz und Stil. Viele seiner Maßnahmen erscheinen mutig, manche sogar verfehlt, wie der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer. Nur kleine Reste am Baluard des Príncep oder am Baluard Sant Pere erinnern noch an sie.

Wo sie stand, ließ Bennàssar 1910 praktisch über Nacht mit 200 Helfern den Passeig Sagrera anlegen. Der Boulevard verlieh einer bis dahin eingeengten und für ihre Bewohner ungesunden Stadt Glamour und Weite. (Mitte des 19. Jahrhunderts lag die statistische Lebenserwartung wenig begüterter

Palmesaner bei lediglich 23 Jahren).Ein ausgeprägter Fortschrittsglaube

Vieles, was heute zwischen den Avenidas und der Via Cintura steht, wurde von Bennàssar errichtet, geplant oder ermöglicht. Anfangs arbeitete er nach den Regeln des Jugendstils, später wurden seine Bauten eklektischer und historisierend. Als er 1901 das Amt antrat, hatte Palma knapp 64.000 Einwohner. Als er 1933 starb, waren es rund 90.000. Nicht nur dieses Wachstum macht mehr Wohnraum erforderlich. Auch ein anderes Menschenbild und ein ausgeprägter Fortschrittsglaube (Jugendstil heißt auf Spanisch modernismo) ermöglichten die Entwicklung unter Bennàssar.

Die Menschen sollten großzügiger wohnen, mit hohen Fenstern, weiten Straßen, großen Hinterhöfen, trockenen Mauern: Im Eixample, der Erweiterung über den Innenstadtring hinaus, entstanden die typischen Mehrfamilienhäuser und in der Altstadt - dank großzügiger Abrisse - elegante, mehrstöckige Bürgerhäuser, wie das der Schuhhandlung L´Aguila oder Can Coll, Can Mulet, Can Tous ? Das sind heute sündhaft teure Immobilien in bester Lage, die die Namen ihrer einstigen Besitzer tragen. Auch die Stierkampfarena, ein Kino, den Schlachthof der Stadt (s´Escorxador), Verwaltungsgebäude mit Geschäften und Bars im Erdgeschoss, baute oder ließ Bennàssar bauen. Sogar die Bar Cristal an der Plaça d´Espanya ist in einem Bennàssar-Haus untergebracht.Entpolitisiertes und zielorientiertes Arbeiten

Liliana Boffi und Alejandro Maestro, zwei Absolventen der Kunst- und Designschule, haben die Ausstellung maßgeblich gestaltet, mit Skizzen (Tusche/Aquarell) und Fotos. Rund 30 weitere Schüler haben beim Ausstellungsdesign, bei Werbe- und Informationsmaterial mitgewirkt. Flórez findet das alles einleuchtend und zugleich unglaublich: „Wieso war es früher nicht möglich, in einer Zusammenarbeit dreier Institutionen solche Projekte zu stemmen?" Wie entpolitisiertes und zielorientiertes Arbeiten geht, auch das kann man bei der Ausstellung erkennen.

„Bennazar Palma", bis 10. Dezember, Carrer Can Oliva, 10. Mo.-Fr. 8.30 bis 13.30 Uhr, 17 bis 20 Uhr. Später auch am Wochenende. Führungen nach Vereinbarung (Katalanisch, Spanisch, Englisch): 971- 71 95 31, arcainforma@arcapatrimoni.net