Das berühmteste Gebäude von Josep Ferragut ist auch sein umstrittenstes. Jeder, der vom Flughafen kommend am Meer entlang nach Palma hineinfährt, sieht es: ein voll verglaster, bräunlicher, denkmalgeschützter Klotz, der seit Jahren leer steht und nun zum Kulturzen­trum umfunktioniert werden soll. „Das ehemalige Gesa-Gebäude ist das beste Beispiel, dass Ferragut als Architekt seiner Zeit vo­raus war", sagt Miguel Eek.

Der 34-Jährige hat den Dokumentarfilm „Vida i mort d'un arquitecte" (Leben und Tod eines Architekten) gedreht, der beim Atlàntida Film Fest am 27.6. um 23 Uhr im Castell de Bellver uraufgeführt wird. Um Architektur dreht sich der Film nur am Rande. Denn viel mehr geht es um den Tod des Architekten. „Und um das Leben, das er geführt hat, um so zu sterben", sagt Eek.

Ende Februar 1968 findet ein Schäfer auf einer Brache an der alten Straße nach Bunyola die am Kopf stark entstellte Leiche eines Mannes. Es ist der 56-jährige Architekt José Ferragut, wie die spanische Version seines Namens während der Diktatur lautet. Kurz darauf werden zwei junge Männer festgenommen, das „Diario de Mallorca" druckt sogar ihre vollen Namen und ihr Alter. Sie sollen gerade auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden sein.

Am Abend zuvor hatte Ferragut das Haus gegen halb neun verlassen. Seither war er nicht mehr gesehen worden. Die Geschichte ist heikel, denn es kursieren Gerüchte, dass der Architekt schwul ist. Homosexualität wird in der Diktatur verfolgt. Sollte Ferragut schwul gewesen sein, ließ er es sich nicht anmerken. So erzählt einer seiner engsten Mitarbeiter im Film, er habe trotz der jahrzehntelangen Zusammenarbeit nichts von der Homosexualität des Chefs gemerkt.

Natürlich kann man auch nach dem Mord nichts über die sexuellen Neigungen des Architekten sagen. Die Zeitungen jener Zeit suchen also haarsträubende Euphemismen, um über die möglichen Motive der Täter zu reden. Die Festgenommenen seien, so eine Tageszeitung, „especializados en chantajes sobre la vida de las personas" (darauf spezialisiert, Menschen mit ihrem Leben zu erpressen).

Aber es kursieren auch andere Theorien. „Ferragut galt schon Anfang der 60er-Jahre als Kritiker des unkontrollierten Bauens", sagt Eek. „Zudem war er Amateurregisseur und drehte einen Dokumentarfilm, in dem er sich damit auseinandersetzte, wie ein schlecht verwalteter Tourismus sich auf die hiesige Landschaft und Kultur auswirkt. Das hat einigen Leuten nicht gepasst, also halten sich Gerüchte, es habe sich um einen Auftragsmord gehandelt." Vor allem die Familie Ferraguts, eher konservativ eingestellt, habe sich damals für diese Interpretation der Ereignisse stark gemacht, heuerte zum Beweis sogar einen Privatdetektiv an.

Im Film wird das Rätsel des Tatmotivs nicht gelöst. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Im Juli 1969 wurden die beiden Tatverdächtigen aus dem Gefängnis entlassen. Eek glaubt, dass es sich eher um ein Verbrechen aus Leidenschaft gehandelt hat. „Dafür spricht die Art des Todes. Ein Auftragsmörder nimmt doch eher eine Pistole oder Gift, aber er schlägt nicht mit einem Stein auf den Kopf seines Opfers ein."

Die Dokumentation erzählt das Leben Ferraguts anhand von vielen Interviews mit alten Männern. Es sind Zeitzeugen, Freunde, manch einer war auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Unter anderem sieht man den Verleger Pere

Serra, den Schriftsteller Guillem Frontera, den Priester Jaume Santandreu und den Schäfer, der die Leiche fand. Ferragut war ein tiefreligiö­ser Mann, der alle Kirchen unentgeltlich gebaut haben soll. Ein Arbeitstier, ein Visionär.

Seine Architektenkarriere auf Mallorca dauerte kaum mehr als 25 Jahre. Trotzdem soll er an 2.000 Projekten gearbeitet haben. In seinem Büro beschäftigte er zeitweise über 30 Mitarbeiter. Er wird mit den Worten zitiert: „Der Architekt muss Künstler und Techniker zugleich sein, und ein guter Soziologe. Diese drei Aspekte mitei­nander zu verbinden, wird immer schwieriger. (...) Deswegen ist die Zukunft unserer Arbeit ein harmonisches und im Einklang miteinander arbeitendes Team."

Ferragut ließ sich spätestens ab den 50er-Jahren von internationalen Architekten inspirieren, im Gesa-Gebäude von 1963 kann man etwa den Einfluss Mies van der Rohes erkennen. Doch trotz seiner fortschrittlichen Arbeit und der großen Zahl an Bauten ist Ferragut auf Mallorca ein wenig in Vergessenheit geraten. Dabei gehören zu seinen anderen bekannten Bauten unter anderem die Kirche Sa Porciúncula in Arenal, das Elektrizitätswerk in Alcúdia, die Perlenfabrik in Manacor und das Bürogebäude an der Plaça Santa Eulàlia in Palma. „Ich glaube, wir können nicht da­rüber reden, inwieweit sich die Wahrnehmung auf sein Werk in den letzten 50 Jahren verändert hat, weil er kaum wahrgenommen wird", sagt Eek.