Es war sicherlich kein leichtes Jahr für Jule Kewenig. Ihr Ehemann Michael Kewenig, mit dem sie seit Mitte der 80er-Jahre in Köln, Palma und Berlin Galerien führte, ist im April gestorben. Doch Kewenig, die seit den 60er-Jahren in der Kunstszene unterwegs ist und die vom Magazin „Weltkunst" einmal als „Muse der Postmoderne" bezeichnet wurde, denkt nicht ans Aufhören. Zur Nit de l´art zeigt sie die Arbeiten des im Mai verstorbenen deutschen Künstlers A.R. Penck. Sie kannte ihn seit den 70er-Jahren. Im Gegensatz zu den anderen Galerien schließt Kewenig bei der Nit de l´art bereits um 22 Uhr. Der Grund ist einfach: Vor vier Jahren mussten die Mitarbeiter um 22.40 Uhr das Erbrochene eines Nit-de-l´art-Besuchers wegwischen. „Seit wir früher zumachen, ist das nicht mehr passiert", erzählt eine Mitarbeiterin der Galerie.

Für die Nit de l´art haben Sie sich für die Werke eines langjährigen Wegbegleiters entschieden: A.R. Penck, mit dem Sie seit den 70ern, als er noch in der DDR lebte, zusammenarbeiten. Warum haben Sie sich für diese Ausstellung entschieden?

Penck ist im Mai gestorben, aber dies war nicht der Anlass. Ich wollte schon lange eine Ausstellung mit seinen Werken machen. Ich habe Pencks Galeristen Michael Werner (Jule Kewenigs ehemaliger Ehemann, Anm. d. Red.) gefragt, und er hat mir das Okay gegeben. Es ist keine große Ausstellung. Wir zeigen zehn Arbeiten. Die erste ist von 1974, die jüngste ist von 2013.

Die Zusammenarbeit mit Penck ging über das Künstlerische hinaus. Es heißt, er habe Ihren Kindern das Fahrradfahren beigebracht.

Penck kam Anfang der 80er-Jahre in den Westen und lebte dann einige Jahre bei uns. Später kamen auch seine Frau und sein Kind nach. Sie bekamen ein zweites Kind, als sie bei uns wohnten. Die Atmosphäre war sehr familiär. Und natürlich steht ein Künstler nicht den ganzen Tag an der Leinwand. Er spielt auch mal mit den Kindern oder bringt ihnen Sachen wie Fahrradfahren bei.

Sie betreiben die Galerie in Palma seit 13 Jahren. Freut man sich nach so vielen Jahren noch auf die Nit de l´art?

Nun, es ist viel Arbeit, aber die haben wir im Rest des Jahres auch. Ich bin schon länger kein Fan von Vernissagen. Und die Nit de l´art ist in den vergangenen Jahren zu einem Volksfest mit zu viel Alkohol mutiert. Immerhin wurde sie jetzt aufgeteilt, sodass am Freitag die Sammler kommen und am Samstag das breite Publikum. Das steht man dann durch. Aber die Leute, die sich für Kunst interessieren, gehen in der Masse unter.

Ist das ein spezielles Problem von ­Palma? Immerhin gibt es auch in anderen Städten Kunstnächte.

Ich habe etwa beim Gallery Weekend in Berlin mehr das Gefühl, dass die Leute wegen der Kunst kommen. Da hört man die Gespräche auf der Straße mit, und die Leute unterhalten sich über die Arbeiten. Kann sein, dass ich es in Palma nicht so mitkriege, weil ich die Spanier sprachlich nicht verstehe.

Warum gefallen Ihnen Eröffnungen nicht mehr?

Ich stehe lieber alleine vor einem Bild als dichtgedrängt zwischen vielen Menschen. Ich brauche die Kommentare nicht. Früher hatte ich viel Spaß an Eröffnungen, man hat die Ausstellungen zusammen mit dem Künstler aufgebaut, es war ein Fest. Damals gab es aber auch beim Publikum eine andere Einstellung. Damals hat man sich für eine Vernissage schick gemacht. Heute gehen die Leute ja schon in Turnschuhen und Jeans ins Theater, das wäre damals unmöglich gewesen. Da hat sich die Gesellschaft sehr verändert.

Wenn man mit anderen Galeristen in Palma redet, hört man, Sie hätten die hiesige Kunstszene mit Ihrer Galerie zum Besseren verändert. Fühlen Sie sich ebenfalls gut aufgenommen?

Ich freue mich, das zu hören. Ich bin gut aufgenommen worden, allerdings vermisse ich den Austausch. Ich sehe die anderen Galeristen kaum. Und so viele Galerien gibt es hier nun auch nicht. Da könnte man mal auch in die Ausstellungen der anderen gehen.

Palma hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert. Wie bewerten Sie diesen Wandel?

Die Stadt ist sehr schick geworden, das gefällt mir sehr gut. Sie ist sehr gepflegt und bekommt langsam wieder ihre ursprüngliche Schönheit. Allerdings ist die kulturelle Situation, ausgenommen natürlich die Galeristen, katastrophal. In den Institutionen herrscht Stillstand. Was sich in den Museen tut, kann ich kaum noch beurteilen, weil ich kaum noch hingehe. Die Politik hat kein Interesse an bildender Kunst.

Hat der Wandel dazu beigetragen, dass Sie mehr Kunden in der Galerie haben?

Vor ein paar Jahren gab es ja noch große Ausstellungen, wie etwa die von Rebecca Horn in der Llonja. Oder Anselm Kiefer im Es Baluard. Damals kamen gezielt Kunstinteressierte auf die Insel. Das hat es nun eine Weile nicht mehr gegeben. Aber natürlich kommen immer noch viele Sammler auf die Insel. Und nicht zu vergessen: Es gibt auch viele tolle mallorquinische Sammler.

Lockt die Nit de l´art noch Sammler von außerhalb auf die Insel?

Am Freitag auf jeden Fall. In dem Zusammenhang möchte ich auch den ArtPalma Brunch im Frühjahr erwähnen. Da ist eine ganz andere Atmosphäre, allein schon weil die frühe Uhrzeit den Alkohol ausschließt.

Wie wird es mit der Galerie Kewenig in Palma weitergehen?

Ich hoffe, so wie bisher. Ich habe hier ein tolles Team, hätte ich es nicht, könnte ich zumachen. Wir arbeiten eng mit der Galerie in Berlin zusammen. Das verhindert natürlich ein wenig die Spontaneität. Wenn ein Künstler hereinkommt, dessen Arbeiten mir gefallen, kann ich nicht sofort eine Ausstellung machen. Deshalb haben wir einen relativ festen Künstlerstamm.

Samstag (23.9.) kann man durch die Straßen zu ziehen und an praktisch jeder Ecke Kunst sehen.

Damit das nicht zu unübersichtlich wird, finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Mallorca Zeitung - sei es als Printausgabe am Kiosk (21.9.) oder als E-Paper - eine umfangreiche Beilage mit Infos zu den Ausstellungen, einer Karte und weiteren Tipps. /pss