Manchmal, sagt David Templeton, gehe er mit seiner Gitarre auf den Friedhof von Deià und spiele seinen alten Freunden was vor. Die Musiker Kevin Ayers und Ollie Halsal, der deutschstämmige Künstler Mati Klarwein, der Autor Robert Graves und dessen Sohn Juan, mit dem Templeton in der Band Pa amb Oli spielte. Templeton ist einer der letzten lebenden Vertreter der alten Garde der Expat-Community im Tramuntana-Dorf.

Der 70-Jährige ist ein lebendiger Mann, ein Geschichtenerzähler. Er wohnt seit zehn Jahren in einem jahrhundertealten Haus, direkt neben dem Hotel Belmond La Residencia. Dort stellt er mindestens einmal im Jahr aus. Er führt die Besucher selbst durch die Ausstellung, erzählt ihnen Geschichten aus der alten Zeit.

Wie Robert Graves ihn einschüchtern wollte

Eigentlich ist er zufällig auf der Insel gelandet. Vor 39 Jahren, nach jahrelangen Reisen durch den Nahen Osten, die Türkei und den Iran. Er war zu Besuch auf der Insel, mit seiner Frau und seinem Sohn. Irgendwie landeten sie in Deià. Der erste Mensch, dem er dort begegnet sei, war Robert Graves, sagt Templeton. Er wusste zu dem Zeitpunkt nicht, wen er da vor sich hatte. Es habe sich folgender Dialog entwickelt:

- Entschuldigung, geht es hier zur Kirche?

- Geh da bloß nicht hin, da töten sie sich gegenseitig.

- Oh, und was ist mit dem Dorfzentrum?

- Absolutes Chaos, Gemetzel. Geh da nicht hin.

- Kann man denn noch irgendwohin?

- Nein. Man kann nirgendwo hin.

Wie er auch Mallorquiner kennenlernte

Der sonderbare Humor des Autors schreckte ihn nicht ab. „Also sind wir hiergeblieben", sagt der Künstler. Deià war damals Sex, Drugs & Rock'n'Roll, und David Templeton war ein gut aussehender Mann. Beziehungen hätten hier nicht lange gehalten. Templeton erzählt von einer eingeschworenen Gemeinschaft, die aber immer auch Bindungen zu den Mallorquinern gehabt habe. „Es gab ja damals nur zwei Bars in dem Dorf, dort sind alle zusammengekommen." Er sei schnell aufgenommen worden. „Der Umstand, mit Robert Graves und seinen Söhnen befreundet zu sein, war hilfreich dabei."

Templeton hat in seinem Haus zwei Ateliers. Eines für jede der beiden Stilrichtungen, in denen er als Künstler arbeitet: figürliche Malerei, viele Porträts, Auftragsarbeiten. „Damit verdiene ich mein Geld." Und Collagen, die eher bunt sind und an Pop-Art erinnern. „Die mache ich eher zum Spaß. Sie sind zurzeit auch im Hotel nebenan zu sehen. Reich will ich ohnehin nicht werden. Mir reicht es, wenn ich überleben kann." Den Preis der Collagen will er nicht in der Zeitung lesen.Wie er einer erfolgreichen Popband den Namen gab

Templeton vermischt Stoffe und andere Fundstücke mit Bildern von Prominenten aus der Popkultur vergangener Zeiten. Marilyn Monroe, natürlich, aber auch Frida Kahlo und John Lee Hooker. Der Künstler hängt in der Hinsicht in der Vergangenheit. Sein Haus wirkt an manchen Ecken wie ein Schrein für John Lennon. Mit der Band Pa amb Oli spielt er nur Songs aus den 60ern und 70ern, die er als „Goldenes Zeitalter" bezeichnet. „Heutzutage ist Musik sehr oberflächlich und schlecht", urteilt er, gibt aber auf Nachfrage zu, dass er keinen Überblick über die Musik von heute habe.

Dabei stimmt das nicht so ganz. Vor ein paar Jahren kam ein junger Mann namens Matty Healy nach Deià. Templeton betrank sich mit ihm, sie erkundeten seine Bibliothek. In einem Buch über die Beat-Poeten fand Healy den Eintrag „It was the 1975 summer". Auf die Geschichte angesprochen, sagt Templeton: „Plötzlich sagte Healy, er habe seinen Bandnamen gefunden. Und ich: 'The 1975 Summer? Das ist ein Scheißname für eine Band.' Und er: ,Nein, The 1975.'" Die Band ist mit ihrem kristallklaren 80er-Jahre-Pop eine der erfolgreichsten britischen Gruppen der vergangenen Jahre. Und hat sogar Templeton überzeugt.

Wie er die Red Hot Chili Peppers nicht erkannte

Die Prominenz taucht ohnehin immer wieder in den Geschichten von Templeton auf. Die Red Hot Chili Peppers hätten mal seine Werke gelobt (auch da wusste Templeton nicht, wer sie waren), Naomi Campbell und Kate Moss waren da. Ava Gardner habe er mal parchís, die spanische Mensch-ärgere-dich-nicht-Variante, beigebracht. Und auch Harrisson Ford sei mal an seinem Haus entlangspaziert. Auch wenn er sein jährliches Sommerkonzert mit der Band Pa amb Oli im Hotel nebenan spielt, wimmele es nur so von berühmten Gesichtern. In diesem Jahr seien unter anderem Andrew Lloyd Webber, Catherine Zeta-Jones und Heike Makatsch dabei gewesen.

Es wäre töricht für ihn, sich zu beschweren, dass Deià ein Ort für den Jetset geworden ist, sagt Templeton. Dass dieses Sex, Drugs & Rock'n'Roll verschwunden ist. „Die Leute mit Geld sind schließlich diejenigen, die meine Arbeiten kaufen." Dennoch sei die Anzahl der Touristen in diesem Sommer unerträglich gewesen. „Das liegt unter anderem an der BBC-Serie 'The Night Manager' mit Hugh Laurie, die teilweise in Cala Deià gedreht wurde. Plötzlich wollen alle hierhin." Er habe zum ersten Mal darüber nachgedacht, sein Dorf zu verlassen.

Das wäre ein großer Schritt. Templeton war vor 35 Jahren das letzte Mal in seiner britischen Heimat, hat vor zehn Jahren das letzte Mal die Insel verlassen. Bald aber ist es wieder so weit. „In ein paar Monaten habe ich eine Ausstellung in Marrakesch."