Aus dem Probenraum mit der Nummer 36 im Konservatorium in Palma de Mallorca erklingt ein Flügel. Der Anschlag kräftig, aber gleichzeitig auch behutsam und gefühlvoll. Paul Badura-Skoda sitzt mit seinen 90 Jahren ausgesprochen munter an dem Instrument und probt für sein Konzert am Samstag (17.2.) im Teatre Xesc Forteza in Palma. Sinfonien von Haydn und Mozart stehen auf dem Programm. Mozart, natürlich Mozart. Badura-Skoda, gebürtiger Wiener, und wohl einer der bekanntesten aktiven Pianisten seiner Generation, verehrt den Salzburger.

Sie haben vorhin ein paar Worte Spanisch gesprochen. Beherrschen Sie die Sprache?

Ein bisschen schon. Ich war viel in Spanien unterwegs und auch in Südamerika. Ich bin unglaublich viel gereist. Manchmal sage ich: Ich bin der packendste Pianist, weil ich so oft meine Koffer für Auftritte packen musste. Jetzt ist es nicht mehr so häufig. Jetzt bin ich ein langweiliger Pianist.

Ganz sicher. Deshalb holt man Sie auch eigens für ein Konzert nach Palma. Kennen Sie die Insel?

Ja, ich war das erste Mal vor mehr als 40 Jahren auf Mallorca. Ich habe auf der Insel auch schon Masterkurse gegeben. Ein Grund, warum ich die Insel mag, ist Valldemossa. Ich bin ein begeisterter Chopin-Spieler, und in der Zelle von Chopin gibt es, wie ich finde, eine der schönsten Sammlungen von Manuskripten des Komponisten überhaupt. Das sind Originale, da kann man den Prozess der Inspiration richtiggehend sehen. Die Handschrift bei der ersten Niederschrift ist noch voller Erregung über die neue Melodie. Die späteren Abschriften sind dann ruhiger. Chopin hatte eine wunderschöne Handschrift.

Auf Ihrer Website nennen Sie sich selbst einen der letzten Repräsentanten einer Generation, für die Musik ein Substrat, die Quintessenz der großen europäischen Kultur, ist. Das klingt überzeugt. Aber was meinen Sie damit?

Ich bin sicher nicht einer der letzten, aber ich sehe schon, dass die Welt der persönlichen Mitteilung, wie sie etwa in einem Konzert geschieht, durch den Wandel, der sich in der Gesellschaft vollzogen hat, in Gefahr ist. Ich muss ja nur meine Urenkelin anschauen. Die ist vier Jahre alt und geht mit dem Smartphone ganz selbstverständlich um. Wenn ich mit ihr in Wien in einem Kaffeehaus sitze, dann sehe ich aber etwas, das ich für einen furchtbaren Einschnitt halte. Da sitzen Liebespärchen, die sich nicht mit sich beschäftigen, sondern mit ihren Handys. Ich setze mich dafür ein, diese Kultur der persönlichen Mitteilung wieder lebendig zu machen.

Was machen Sie anders als junge Pianisten wie etwa Lang Lang oder Evgeny Kissin?

Ich muss gestehen, ich habe von Lang Lang nur sehr wenig gehört. Er hat aber den Vorteil, dass er medial sehr präsent ist. Er ist der einzige Pianist, der die klassische Musik wirklich einem breiten Publikum nahebringt. Einem Publikum, das ohne ihn diese Musik wahrscheinlich nie hören würde. Aber bei den meisten jungen Pianisten stelle ich einen gewissen Burn-out-Effekt fest. Zum Beispiel beim angesprochenen Kissin. Er hat mit 14 Jahren ein Stück ganz toll gespielt und ist damit bekannt geworden. Heute, mit 46 Jahren, spielt er das Stück noch immer genauso. Das ist mir doch etwas zu mechanisch.

Setzt er die Sauberkeit des Klangs vor die Emotionalität?

Er und 80 Prozent der anderen ­Pianisten heutzutage. Sie spielen auf sportliche Perfektion, die bewundernswert ist und die immer ein Teil des Klavierspiels gewesen ist. Aber nur wenige dieser Pianisten können mich wirklich ergreifen. Wenn etwas in die Tiefe geht, dann spüre ich das im Bauch. Ich für meinen Teil spiele viele falsche Noten. Na ja, viele vielleicht nicht, aber immer wieder mal welche.

Hat man das Klavierspielen in Ihrer Kindheit anders vermittelt?

Früher galt: Eine falsche Note war nicht schlimm. Viel schlimmer war ein harter, unsensibler Ton.

Sie sind mitten im Zweiten Weltkrieg erwachsen geworden. Wie war es möglich, unter diesen ­Bedingungen zu musizieren?

Der Unterricht war vom Krieg nicht beeinträchtigt. Es gab, wie heute auch, Musikschulen und privaten Unterricht. Die Musik war der Hoffnungspunkt, eine geistige Kraft, die die Zerstörung überlebt hat. Es erfüllte einen ähnlichen Zweck wie die Religion. Schauen Sie nur in die Bibel: Im Alten Testament spielt Musik eine enorme Rolle. Im Psalm 150 etwa gibt es eine Aufzählung aller möglichen Instrumente. Oder denken Sie nur an den trübsinnigen Saul. Heute würde man sagen, der war schwer neurotisch. Er wurde von Davids Harfenspiel geheilt. Psychiater haben ja auch festgestellt, dass Mozarts Musik Heilkraft besitzt. Aber das wundert mich nicht, denn Mozarts Musik ist Liebe, und Liebe heilt alles.

Welchen Komponisten stehen Sie außer Mozart noch nahe?

Schubert, Beethoven, aber auch anderen. Ich bleibe ja nicht in einem Stilbereich stecken, sondern spiele auch zeitgenössische Komponisten. Oder Bach und Scarlatti. Diese beiden waren zwar nicht die Ersten, die das Klavier entdeckt haben, aber sie haben es auf einen höheren ­Standard gehoben.

Sie gelten auch als passionierter Schachspieler. Haben Sie zwischenzeitlich überlegt, das zum Beruf zu machen?

Heute ist Schachspielen ja tatsächlich ein Vollberuf geworden, das war in meiner Jugend anders. Aber die Musik ist doch viel facettenreicher. Schach hat einen sehr hohen erzieherischen Wert, und ein Berufsschachspieler muss das genauso üben wie ein Musiker. Ich hatte einmal die Ehre, bei einem Simultanschach-Turnier gegen den früheren Weltmeister Karpov zu verlieren. Dabei hat er mir gesagt, dass er jeden Tag sechs bis acht Stunden Schach spielt.

Das Konzert von Paul Badura-­Skoda im Teatre Xesc Forteza wird von der Künstlervereinigung Acadèmia 1830 organisiert und von der Agencia de Turismo de les Illes Balears unterstützt. Beginn ist am Samstag (17.2.) um 18.30 Uhr. Karten gibt es für 10 Euro im Vorverkauf unter www.palmacultura.cat oder für 12 Euro an der Abendkasse.