Souvenir heißt auf Deutsch schlicht Erinnerung. Ursprünglich. Doch nach 50 Jahren Massentourismus hat das Wort eine dicke Assoziationsschicht angesetzt. An dieser kratzt der baskische Künstler Juan Aizpitarte in seiner gleichnamigen Ausstellung, und zwar mit scharfem Werkzeug und scharfem Verstand. Woran soll ein Foto vom Cap Formentor erinnern? An eine besondere Erfahrung, an den Ausbruch aus der Routine, sprich an die Ferien.Eine Pilgerreise

Für Aizpitarte hat Urlaub heute etwas von einer Pilgerreise, einer spirituellen und auch geografischen Suche nach dem Platz an der Sonne, nach dem Paradies, aus dem Mittel- und Nordeuropäer zu Zeiten der Völkerwanderung vertrieben wurden. „Das Licht spielt im Urlaub immer eine wichtige Rolle, man ist ständig auf der Suche nach ihm", sagt der 43-jährige Künstler in der Galeria Maior.

Tourismus sei wie eine neue Religion, meint er, „das sieht man daran, dass die meisten Touristen überall auf der Welt das Gleiche tun." Rituale in Hotels, bei denen zum Beispiel alle den Ententanz aufführen, erinnern ihn an Prozessionen. Erkenntnisse und Eindrücke zum Thema Tourismus hat er bei drei Forschungsaufenthalten in Venedig, Barcelona und auf Mallorca gesammelt. Ergebnisse seiner Feldforschung kann man nun in Pollença sehen: Mehrere großformatige Fotos und drei Installationen legen Gedankenspiele frei, sind humorvoll, poetisch, melancholisch, auch befremdlich.Wie ein Großwildjäger

Aizpitarte hat sich sozusagen wie ein Großwildjäger hinter einem imaginären Busch versteckt und die Touristen bei ihren Ritualen fotografiert. Es sind austauschbare Gesten, Positionen und Handlungen, Touristen beim Fotografieren der Landschaft oder ihrer Partner in der Landschaft, beim Lesen im Liegestuhl, beim Planschen am seichten Strand.

Die Bilder sind überlagert von Aufnahmen abstrakter Elemente, die dem Foto eine zweite Bedeutung verleihen. Mal sind es Lichtreflexe im Wasser, mal Spiegelungen von vergoldeten Oberflächen, mal goldene Bilderrahmen, die einen Ausschnitt des Fotos

einrahmen. Sie hinterfragen das Gezeigte: Ist das jetzt der schönste Moment im Jahr? Ist das jetzt die Erleuchtung, nach der die Touristen/Pilger suchen?Landschaften wie bei Caspar David Friedrich

Formal und technisch sind die farbreduzierten Fotos sehr gut, manche erinnern an Landschaftsbilder der Romantiker William Turner oder Caspar David Friedrich, andere stoßen ab: Grandiose Berglandschaften rund um Formentor oder Sa Calobra sind gesprenkelt von Menschen in Shorts, mit Rucksack und Handy.

Eine der Installationen ergänzt die Schau um Witz und Tragik: In einer Ecke steht eine Art Leuchtturm aus drei Lampen, die rhythmisch aufblinken und wie Missgeburten wirken. Der Künstler hat sie zusammengestückelt, aus marmornen oder bronzenen Füßen „mallorquinischer Oma-Lampen", wie er sagt, aus weißblechernen Puddingformen, großen Schalen, wie sie früher in Wohnzimmer­vitrinen standen und Plastikeimern und -Lampenschirmen aus dem Einrichtungshaus. Die Idee kam Aizpitarte beim Bummel über Flohmärkte auf der Insel, „wo Nordeuropäer Altes für ihre Fincas suchen, während Einheimische diese gern im Ikea-Stil einrichten." Die Lampen wirken wie verzweifelte Versuche, das verlorene Paradies zu rekonstruieren, Stück für Stück das rückgängig zu machen, was die Völkerwanderung, der Tourismus, die Globalisierung mit sich gebracht haben: das Ferienhaus, die heile Welt.

Während Aizpitarte spricht, scheint das Morgenlicht in den Showroom der Galerie im ersten Stock, als ob es die Schau segnen wollte. Unten auf dem Marktplatz sitzen Urlauber beim Kaffee, gegenüber ragt der massige Puig de Maria in den blauen Himmel, eingerahmt von einem großen Fenster, in dem die Neonlettern „Souvenir" hängen. Sie verwirren den Betrachter: Was ist nun Souvenir, was ist Kunst und was ist Realität?

„Souvenir" ist bis 3. Mai zu sehen. Plaça Major, 4, 1. Stock,

Pollença. 10.30-13.30 und 17-20 Uhr, So nur vormittags, Mo. geschlossen. Preise von 850 bis 9.100 Euro