Von Kirsten Lehmkuhl

Er war in Afghanistan, im Iran, in Indien, Pakistan, der Türkei und Algerien, saß in winzigen Teppichmanufakturen, lernte, wie man Wolle färbt: der mallorquinische Maler Toni Matheu aus Sóller, den alle nur Toni de Cúber nennen. Das war in den 1970er Jahren und bis heute hat ihn diese Leidenschaft für Teppiche, Kelims, Gobelins und Tapisserien nicht losgelassen. De Cúber fertigt sie zwar nicht selbst, doch ist er der einzige Teppich-Restaurator Mallorcas. Jeden Morgen sitzt er drei bis vier Stunden in der ersten Etage seiner alten, lichtdurchfluteten Tuchfabrik in Sóller, um die zum Teil jahrhundertealten, kostbaren Stücke zu restaurieren. ýDas", sagt der 58-Jährige, ýist für mich wie Meditation, bei dieser Arbeit bin ich so konzentriert, dass ich alles um mich herum vergesse."

Seine Objekte stammen aus vornehmen mallorquinischen Adelshäusern, das älteste, das ihm je gebracht wurde, stammte aus dem 15. Jahrhundert. ýUnd sehen Sie sich diesen an", sagt de Cúber und entrollt auf dem Boden eine prachtvolle Tapisserie. ýSie wurde um 1680 in Brüssel aus Seide und Wolle gefertigt. Wie die Farben noch heute leuchten, fantastisch."

Vorsichtig untersucht er das brüchige Gewebe, schaut mit einer Lupe, was zu reparieren ist, stöbert in einer riesigen Truhe nach passendem Garn. Dabei muss nicht nur die Farbe 100-prozentig passen, auch das Material muss stimmen. Doch Fabriken, die solche Fäden herstellen, werden immer seltener. Zwar arbeitet Cúber mit Unternehmen von der Schweiz bis nach Schweden zusammen, kontaktiert Fabriken in Frankreich und Katalonien, dennoch wird er manches Mal nicht mehr fündig. Was tut der Mann? Er lässt sich das entsprechende Material maßanfertigen. In Istanbul.

Alte Bodenbeläge oder Wandbehänge gibt es auf Mallorca noch viele, ýdie Herrensitze der Insel-Noblesse sind voll davon". Das liegt zum Beispiel daran, dass im 16. und 17. Jahrhundert ausgeprägte Handelsbeziehungen zwischen Palma und Brüssel bestanden. Die hiesigen Kaufleute lieferten damals Olivenöl nach Belgien und nahmen Tapisserien auf die Insel mit zurück.

Gibt es hoffnungslose Fälle unter den Teppichen, solche, die nicht mehr zu retten sind? ýDas kommt ganz selten vor", antwortet der Künstler. Manchmal allerdings tauchten Löcher im Gewebe auf, die so groß sind, dass das ursprüngliche Design nicht mehr zu erkennen ist. Dann ergänzt de Cúber das, was fehlt, ýmehr oder weniger in dem vorhandenen Stil", oder er füllt diesen Teil mit einem einfarbigen Garn aus - ganz so, wie man es von der Restaurierung von Kirchengemälden kennt. Auch dort wird wiederhergestellt, was zumindest noch in Ansätzen zu sehen ist, der Rest wird einfarbig ausgemalt. Zwei, drei, manchmal vier Monate oder sogar noch länger sitzt er an einem Teppich. Die Kosten können sich je nach Größe zwischen 3.000 und 20.000 Euro bewegen.

Zwar sind die Techniken häufig sehr ähnlich, die Muster aber sind immer wieder neu. ýOft denke ich daran, wie viele Monate oder sogar Jahre die Teppichknüpfer an einem solchen Teil gearbeitet haben, und ich frage mich, was sie sich dabei wohl erzählt haben mögen. Ich sage Ihnen, das beflügelt die Fantasie ungemein." Manche Weber oder Knüpfer haben kleine Botschaften, Symbole, Geheimnisse mit hineingegeben, die nur der lesen konnte, der diese besondere Sprache verstand ?

Dieser Job eine Fiselarbeit, eine ýArbeit für Verrückte". Aber es macht ihn glücklich, die alten Gewebe und Teppiche zu erhalten, jeden Tag mit so schönen handgesponnenen feinen Garnen zu tun zu haben, und das an jedem Morgen. Nachmittags widmet er sich seinen Ölbildern und Drucken, ohne Schlachtszenen, ohne Blumenranken. Dann ist Zeit für seine abstrakte Kunst.

Toni de Cúber betreibt in der alten Tuchfabrik Can Puig auch eine sehr schöne Galerie mit wechselnden Ausstellungen (C/. Costa d´En Llorenç, 3, Sóller, Telefon: 971-63 40 91.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 11 bis 13 Uhr und 17 bis 20 Uhr, Samstag nur vormittags).