Mallorca nennt er sein Zuhause. Klar, dass Designer und Modeunternehmer

Guido Maria Kretschmer seinen 43. Geburtstag auch auf der Insel feierte, gemeinsam mit seinem Lebenspartner Frank, um etwas abzuschalten vom Stress in der Heimat. Über Kretschmer spricht man. Vor allem seit der gebürtige Westfale in Berlin eine Niederlassung eröffnet hat. Schauspielerinnen wie Anna Thalbach und Juliane Köhler gehören zu seinen Stammkundinnen - und steigen für ihn auch mal auf den Laufsteg, wie Ende April bei einer GMK-Fashion-Show in der Berliner Auferstehungskirche. Für die MZ nahm sich der gefragte Designer in seinem Haus bei Palma Zeit für eine ­Tasse Kaffee.

Herr Kretschmer, in der Gesellschafts­berichterstattung sind Sie derzeit so präsent wie selten zuvor. Was geht da vor sich?

Ich bin ja schon Jahre in der Modewelt dabei. Irgendwann ist die Zeit reif. Ich wusste, dass es dazu kommen wird, schließlich war ich bereits im Corporate Design erfolgreich. Vor kurzem habe ich die neuen Uniformen der Telekom kreiert - ich komme also bald zu jedem nach Hause. Ich hab einen neuen Ton zum Magenta entworfen, und die Uniformen sind so schön geworden, dass jeder denken wird: ?Hurra, der Service ist da!´ Übrigens hat mir selten ein Auftraggeber so freie Hand gelassen. Wenn die Leute die Uniformen wider Erwarten nicht mögen, bin ich ganz alleine schuld.

Sie haben auch als Kostümbildner gearbeitet. Wie kam es dazu?

Das war 2003 in Japan, als verschiedene Künstler im Rahmen eines Deutschland-Jahres zu einer Veranstaltung eingeladen waren, zum Beispiel Katharina Thalbach für die Kategorie Theater, Hellmuth Karasek für den Bereich Literatur und ich für Design. Ich habe eine Kimono-Interpretation gezeigt, die für viel Aufruhr gesorgt hat. So lernte ich Katharina Thalbach kennen. Sie riet mir, mich mal am Theater zu versuchen und traf damit einen Nerv bei mir: Ich hatte schon immer eine Schauspiel-Sehnsucht. Das Oscar-Wilde-Stück ?Ernst und seine tiefere Bedeutung´ bereiteten wir auf Mallorca für die Komödie am Kurfürstendamm vor. Ich hab die Kostüme entworfen, war bei den Proben dabei und habe sogar den Text mitgesprochen. Ich hätte hinterher als Souffleuse arbeiten können. Danach folgte ein Filmprojekt mit Detlev Buck, mit dem ich jetzt ein Kinderbuch mache. Im Herbst gestalte ich den ?Barbier von ­Sevilla´ an der Oper in Berlin.

Wie wichtig sind Ihnen solche Ausflüge in andere Gefilde?

Ich kann viele Dinge bedienen, und das mit Liebe und Leidenschaft. Modedesigner sind häufig multiple Begabungen: Man muss ein gutes Gefühl für Zeit haben, für gestern und morgen, ein gutes kommerzielles Gefühl, wissen wie und wo produziert wird. Was heute passiert, ist morgen out. Da braucht es viel Konzentration. Ich bin ein Gemischtwarenladen, mache sozusagen Textil für Fortgeschrittene: Ich bediene nicht nur High-Fashion, sondern entwickle auch Uniformen und Corporate-Design-Konzepte, mache Theater- und Film­geschichten. Dadurch habe ich immer gut zu tun - und es bleibt spannend.

Hat ein Designer manchmal Angst davor, dass ihm die Ideen ausgehen?

Ich bin zwar ein ängstlicher Mensch und ein echter Hypochonder, aber davor habe ich nun wirklich keine Angst. Solange ich denken kann, habe ich immer textil geträumt, es gab keinen Traum, wo ich nicht ein Kleid eingebaut habe. Wenn ich all das realisieren könnte, was ich im Kopf habe, müsste ich locker 140 werden.

Sie haben ein abgebrochenes Medizinstu­dium hinter sich. Wie kam es dazu?

Ich hatte gar nicht gewusst, dass es den Beruf des Designers gibt. Als ich als Student im Krankenhaus arbeitete, merkte ich dann aber, dass etwas nicht stimmte: Ich war in einem katholischen Krankenhaus mit Nonnen und fand deren Arbeitskittel super - ich stehe ja auf alles Klerikale. Diese Kittel habe ich dann für mich selbst umdesignt und getragen. Das fanden die dort aber nicht so toll. Ich passte da nicht so rein, obwohl es mir Spaß machte, mit Menschen zu arbeiten. Aber als Schwuler kann man sowieso nicht Chefarzt werden, da braucht man eine Familie zum Repräsentieren. Ich brach das Studium ab.

Hat Ihnen diese Zeit etwas gebracht?

Viele sagen, ich hätte ein gutes Proportionsgefühl. Das liegt daran, dass ich die Anatomie des Menschen kenne und seine Defekte. Ich weiß um die Fehlbarkeit des Lebens, und das muss ein guter Designer auch. Nach der Show in Berlin hat ?Bunte´-Chefredakteurin Patricia Riekel gesagt: ,Endlich ein Designer, der die Frau als gesamten Menschen dastellt und nicht nur an die 16-Jährigen denkt.´ Das hat mich sehr gefreut.

Die Hälfte ihrer Models in Berlin waren Schauspielerinnen oder Prominente

Ja, Claudia Effenberg zum Beispiel, mit ihrem Tattoo auf dem Arm! Auch die repräsentiert einen Teil der Frauen. Sie ist gescheit, wild, ungebändigt. Ich fand sie toll.

Welche Rolle spielt Mallorca für Sie?

Mit 14 bin ich alleine nach Mallorca geflogen. Hab die Unterschrift meiner Eltern gefälscht, um im Reisebüro ein Ticket zu bekommen. Ich war in Arenal und Palma. Ich mochte die Atmosphäre hier, wusste, dass ich wiederkommen würde.

Herrscht hier eine kreative Stimmung?

Eher nicht. Das Klima macht eher dumpf, mich zumindest, ich nenne das mallorquinische Gehirnerweichung. Aber man kriegt hier ein Gefühl für Licht und Farben. Und man kann innehalten. Es ist ein Ort, der herzlich willkommen heißt, erstaunlicherweise immer noch. Die Leute sind auf eine seltsame Art tolerant.

Sie fühlen sich hier also zu Hause?

Ja. Ich mag es, wenn es hier Herbst wird, ich mag unseren Garten, ich kenne mich hier aus. Sehnsucht habe ich aber immer noch nach Ibiza. Einmal im Jahr muss ich dahin.

Weil dort alles anfing, nachdem sie die westfälische Provinz verlassen hatten?

Auf dem Hippiemarkt in Ibiza kam Udo Lindenberg vorbei und hat von mir eine Brokatjacke gekauft. Da habe ich gemerkt, dass man von Design leben kann. Zur selben Zeit kam Madonna nach Barcelona, sang ?Like a Prayer´. Ich hab mir exakt ihre Jacke nachgenäht. Da spürte ich, dass ich es kann und fast ohne Schnitt sauber arbeiten kann.

Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Die Schauspielerin Meret Becker hat ihn ,Sinnliche Stoffträume´ genannt. Das gefällt mir. Meine Welt ist seidig. Ich bin ein bisschen von gestern, liebe pudrige Kleider, die Frauen schöner machen.

Was tragen Sie selber gerne?

Ich bin so ein klerikaler Klostertyp. Ich könnte im Winter mit Wollschuhen, im Sommer in Leinen herumlaufen. In Arabien wäre ich perfekt aufgehoben.

Was kommt als nächstes von Ihnen?

Im nächsten Frühjahr will ich auf Mallorca ein Vertriebssystem aufbauen. Ich möchte auf der Insel vertreten sein, das ist ja meine Basis. Vielleicht gibt es schon in diesem Jahr von mir eine Haute-Couture-Schau auf Mallorca, um Spanien ?Hallo´ zu sagen.

Passen Kretschmer und Spanien denn zusammen?

Aber ja. Die Spanier lieben glamouröse Sachen - und ziehen die auch an.