Mir kommen sofort Mandeln in den Sinn, als ich höre, dass es nach Es Capdellà geht. Im Frühjahr blühen hier die Mandelbäume, jetzt ist Zeit für die Ernte. Auf meiner Suche nach dem Capdellanero, der genau heute seine almendras erntet, treffe ich zunächst einen gro­ßen hageren Mann, der den Garten des städtischen Schwimmbads kehrt. Doch Fehlanzeige: Er kennt keinen Mandelbauern und er ist kein Gärtner, sondern beim Umweltunternehmen Calvià 2000 angestellt. „Es gibt wenig zu tun im Sommer, im Frühjahr, während der Mandelblüte, halten die Busse dagegen täglich im Ort, dann ist viel los“, sagt Carlos Carmona, der schon seit sechs Uhr früh mit seinem Besen unterwegs ist. Der 34-Jährige ist der richtige Partner für das Foto mit der Sommer-Reporterin. Er will das Foto in der MZ sehen, schreibt mir seine E-Mail-Adresse auf.

Drei Bars hat das Dorf, eine Apotheke, ein Ärztezentrum, eine Schlosserei, genau gegenüber der Kirche befindet sich der Supermarkt Botiga d‘en Lluis. Vielleicht weiß Lluis weiter. Er ist nicht da. Sein Sohn Pablo Torres (29) erzählt, dass Lluis vor 15 Jahren aus dem nordargentinischen Tucumán nach Capdellà ausgewandert ist und damals das Geschäft eröffnet hat. Es bietet eine kunterbunte Mischung aus Aufschnitt, Käse, Fertiggerichten, Gütermann-Nähseide und Reißverschlüssen. Pablo kennt den Besitzer einer Mandelschälmaschine, Toni genannt. Er greift sofort zum Hörer, meldet mich an und zeichnet den Weg auf einen Zettel. Bevor ich mich verabschiede, kaufe ich mir ein kühles Wasser, ein Bocadillo, ein Magnum-Eis und ein Päckchen Mandeln als Mitbringsel.

Der Weg zu Toni führt an der Plaça vorbei, auf einem Schild steht, dass das Dorf im 17. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde. Die ersten Häuser, die heute die Ortschaft bilden, gehörten Tagelöhnern, die auf den großen Landgütern der Umgebung arbeiteten. Bei dem Namen des Dorfes handelt es sich um eine Verschmelzung von es cap d‘alla, was so viel wie „am äußersten Ende“ bedeutet, früher erreichte man das Dorf nur auf beschwerlichen Wegen. Heute präsentieren sich die ehemaligen Arme-Leute-Häuser mit Blick auf den Galatzó als Schmuckstücke mit blühenden sommerlichen Vorgärten.

Ein großes Tor zu einem Anwesen steht offen, ein nigelnagelneuer Traktor parkt in einer Garage mit den Ausmaßen einer Halle. Hier wohnt Toni Tugores. Der Mandelplantagen-Besitzer erwartet mich bereits. Erst um fünf Uhr nachmittags geht er wieder aufs Feld, vor dem Mittagessen hat er Zeit, sich mit mir an den riesigen Esstisch in der bestens ausgestatteten Einbauküche zu setzen. „Mandelbäume sind kein lohnendes Geschäft, aber sie machen Spaß“, sagt Toni. Früher war der heute 67-Jährige Koch im Hotel Paraíso in Bonanova, jetzt widmet er sich ganz der Landwirtschaft. Jedes Jahr liefert er 3.000 bis 4.000 Kilo Mandeln an die örtliche Kooperative. Seine mit dem Traktor betriebene Mandenschälmaschine entfernt die erste filzartige Mandelhaut, den harten Kern knackt die Kooperative. Einen Teil der Kerne behält die Familie für sich, seine Frau Catalina bereitet damit turrón zu. Die Enkelin wird am Nachmittag als Erntehelferin im Einsatz sein. Gemeinsam mit dem Großvater wird sie Netze auslegen, mit langen Stangen an die Äste schlagen, bis die Mandeln aufs Netz plumpsen. „Sie spart für einen Laptop“, sagt Tugores. Sonst wäre die Mandelernte bei jungen Leuten nicht so beliebt.

Vor dem Haus sitzen zwei Jugendliche auf einer Mauer, einer auf dem Asphalt. Wie kommen 17-Jährige mit den langen Sommerferien zurecht, und steht die Mandelernte auf ihrem Programm? Kiko dreht sich zum Mandelbaum hinter der Mauer um und sagt „sind die wirklich schon reif?“ Nichts passiere hier. „Wir hängen im Dorf rum“, sagt er. Die drei gehen ins instituto in Bendinat. In ihrer Freizeit spielen sie Gitarre, hören Musik. Welche? „Nirvana und Bob Marley.“ Und schnorcheln an der Küste: „Die einsamen Höhlen von Peguera sind echt alucinante“, sagt Kiko.