Von Thomas Zapp

Oben am Rand der Klippe angekommen, schaut der Mann aus Sóller unzufrieden. „Das war nicht gut. Ich bin nicht fit, habe die Nacht schlecht geschlafen", sagt er. Miquel Riera gehört weltweit zu den besten Sportkletterern und gilt als Gründer einer eigenen Disziplin: des „Psicobloc", auch „Deep Water Soloing" (DWS) genannt. Sie gilt als reinste Form des Kletterns, wird ohne Seil und Haken, nur mit Magnesiumbeutel und Schuhen ausgeübt. Fällt der Kletterer, landet er im Wasser, denn zum Psicobloc werden Felsüberhänge am Meer gewählt. Gestartet wird am Fuße des Felsens. „Es gibt nur zwei Wege: rauf oder runter", sagt Miquel. Einen Abstieg gibt es nicht.

Den mallorquinischen Begriff „Psicobloc" hat Riera erfunden. Er bedeutet nichts weiter als „Psyche" und „Fels", als Ausdruck der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Berg. Wettkämpfe gebe es nicht, Adrenalin werde auch so ständig ausgeschüttet, erklärt Riera.

„Wenn ein Griff ausbricht oder das Wasser unter dir nicht mehr tief genug aussieht, dann ist dein Krisenmanagement gefragt", schreibt Udo Neumann in seinem Internetblog. Neumann hat über das Freiklettern über Wasser im Jahr 2006 einen Film gedreht, „Psicobloc 101", ebenso wie der amerikanische Sportfilmer Josh Lowell. Der hat mit seinem „Psicobloc, Part 1", gedreht auf Mallorca, schon mehrere Kurzfilmpreise gewonnen, unter anderem auf dem renommierten Sundance-Festival. In der Hauptrolle: Der amerikanische Weltklasse-Kletterer Chris Sharma, der eine bis dahin unbegangene „Linie" am Es Pontas vor Santanyí machte. Der Felsen gilt als einer der schwierigsten der Welt, fällt in die höchste Schwierigkeitsstufe 9+.

Es gibt auch Nachwuchs. An diesem wolkenverhangenen Tag ist Familie Firnenberg aus Hannover gekommen. Der zwölfjährige Sohn David will sich am Felsen ausprobieren. Er klettert seit seinem fünften Lebensjahr, hat aber noch nie den Psicobloc gemacht. „Er ist besser als ich", sagt Riera und lacht sein Lausbubenlächeln. Doch der schlanke Zwölfjährige schafft den Aufstieg von der Teufelshöhle nicht. Kurz nach dem Start rutscht er ab und fällt rund acht Meter ins Wasser. Riera muss herunterklettern und David auf einen Felsvorsprung ziehen. Beim Psicobloc gilt: Wer ins Wasser fällt, muss wieder heraufkommen. Am glitschigen Felsen ist das zuweilen schwierig. Daraus ergibt sich die zweite Regel: nie alleine klettern.

Sanft eingetaucht

David wird es wieder versuchen, aber nicht an diesem Tag. „Ich hatte einen Griff und wollte weiterziehen, dann bin ich abgerutscht", erklärt er. Mögliche Ursache: Wegen der geringeren Spannweite seiner Arme und der geringeren Zugkraft konnte er die Route von Kraftpaket Riera (68 Kilogramm Muskeln auf 1,60 Meter Größe) nicht nachgehen. Der Aufprall immerhin habe aber nicht weh getan.

David gehört jetzt also auch zu den Psicobloc-DWS-Jüngern, die die rund 20 „Spots" der Insel abklappern. „Von 1980 bis 2001 war hier im Grunde nichts los", sagt Riera. Bereits Ende der 70er hatte er mit Freunden am Strand von Porto Pí mit dem Klettern über Wasser angefangen, es als Übungsmöglichkeit genutzt, um schwere Überhänge auszuprobieren, ohne sich Verletzungen auszusetzen.

In den vergangenen Jahren aber sei ein Besuch auf Mallorca für die Freikletterer-Elite Pflicht geworden. „Sonst bist du ein Niemand", sagt Miquel. Er selbst müsse sich mit 44 Jahren nichts mehr beweisen. „Ich habe das Glück, mit dem Klettern einen Sport gefunden zu haben, der mich erfüllt. Andere suchen danach ein Leben lang." In der Druckausgabe lesen Sie außerdem Schutt oder Schatz unter dem SchornsteinLeonardo da Vinci in LlucmajorGolf: Newcomer triumphiert bei "Mallorca Classic"Nautik: Die gute Fee unter den YachtiesWandern: Rauf auf den TausenderWein: Im Reich der dicken Fässer von BinissalemKochen wie die Profis: Tintenfisch zum Kabeljau