Von Jutta Christoph Dreimal pro Woche verwandeln Toni Pùig, sein Menorquinerhengst Ley, ein dressierter Falke und ein kleines weißes Pony namens President das Landgut La Granja auf Mallorca in einen Königshof aus vergangenen Zeiten. Toni Pùig sitzt kerzengrade in einem goldbrokat bestickten portugiesischen Sattel. Der Schaukelpferdgalopp bringt keine Locke aus der Façon. An der nächsten Ecke lässt er den Hengst seitwärts über die Bahn traben, dann geht´s im Galopp mit gespitzten Ohren und wehendem Schweif zurück in die Mitte - und plötzlich ein Sprung. Pferd und Reiter heben vom Boden in die Kapriole ab, bei dieser Figur schlägt der Hengst an der höchsten Stelle nach hinten aus - wie in freier Wildbahn, doch hier vollkommen kontrolliert. Pùig sitzt wie angewachsen im Sattel, von unsichtbaren Fäden gehalten schwebt er mit Ley über den Platz. Während das Publikum noch klatscht, durchschreitet der Hengst schon wieder ruhig die Bahn und hebt abwechselnd die Vorderbeine im 45-Grad-Winkel. So sieht ein perfekter paso español, der spanische Dressurgang, aus.

Was Pferd und Reiter mit einer Leichtigkeit im Freilichtmuseum La Granja in Esporles präsentieren, ist das Ergebnis monatelangen Trainings, gepaart mit viel Geduld und Vertrauen. Die Idee zu den Pferdeshows kam Toni Pùig bereits vor 20 Jahren. Damals studierte der gebürtige Mallorquiner nur so zum Spaß ein paar Pferdenummern ein. 2002 kaufte sich Pùig dann eine eigene Finca in Randa. Auf dem Hof gab´s zuerst nur ein paar Kuhställe, den Reitplatz und die Pferdeboxen baute er selbst. Seinen Stall, in dem an die 20 Pferde stehen, nennt der 37-Jährige nicht einfach Reitschule, sondern „Escuela de Arte Ecuestre", was übersetzt „Schule der Reitkunst" heißt.

Und ein Künstler im Sattel ist der Toni wirklich, sagen seine Freunde. „Wenn ein Pferd beim Reiten ein Problem hat, kann ich das meist nicht erklären oder in Worte fassen", erzählt Pùig, der mit 14 Jahren angefangen hat zu reiten. „Ich setze mich drauf und dann weiß ich, was los ist." Das Gefühl fürs Pferd hat man eben oder nicht. Lernen kann man viel, aber nicht alles, davon ist der Meister überzeugt.

Auf seinem Hof in Randa bildet Toni Pùig nicht nur Pferde aus, sondern auch Reiter. „Beides braucht viel Geduld", sagt er mit einem Augenzwinkern. „Wenn ich einem Pony beibringen möchte, sich hinzulegen oder die Vorderbeine in die Luft zu werfen, fange ich ganz langsam mit der Gerte an." Er berührt das Pony damit so lange an einem Huf, bis es diesen ein wenig anhebt. „Mit der Zeit hebt es den Huf immer höher, zwischendurch muss man das Tier immer wieder loben und es mit einem Leckerli belohnen." Routine gibt es in seinem Beruf nicht. Denn auch Pferde haben ihre schlechten Tage oder können in fremder Umgebung nervös werden. Abenteuer Dorffest

Ein Abenteuer für Pferd und Reiter ist es, auf Mallorcas Dorffesten oder auf Feiern und Hochzeiten aufzutreten. Denn Toni Pùig reitet nicht nur seine Ein-Mann-Show in La Granja. Mit einer Gruppe von bis zu 25 Pferden und noch mal so vielen Menschen hat er mehrere Dressurnummern einstudiert, mit denen er über die ganze Insel tourt. „In diesem Jahr haben wir schon 15 Engagements für verschiedene Feste auf Mallorca", erzählt Pùig, „dazu diverse Hochzeiten und Firmenveranstaltungen." Neben Figuren aus der spanischen und klassischen Dressur, zeigt die „Fantasia espectáculos", wie sich Pùig und seine Mannschaft nennen, auch Kunststücke aus der doma vaquera. Das ist eine alte spanische Dressurform, die ihren Ursprung in der Landwirtschaft hat. Sie wird sehr schnell und nur von Männern geritten. Der Reiter führt beide Zügel in der linken Hand, rechts hält er die garrocha, einen 3,20 Meter langen Holzpfahl, erklärt Toni Pùig. „Früher wurde mithilfe dieser Lanze ein Rind auf der Weide von zwei Reitern zu Boden gedrückt und anschließend untersucht oder mit einem Brandzeichen versehen." In Andalusien werde diese Methode noch heute angewendet.

Um den Zuschauern immer wieder etwas Neues zu bieten, wechseln bei „Fantasia espectáculos" regelmäßig die Kostüme und Showeinlagen. Beim volteo cosaco, einer Reitkunst aus Russland, tragen die Reiter zum Beispiel weite Pluderhosen, rubinrote Jacken und schwarze Pelzkappen. In vollem Galopp machen sie einen Kopfstand auf dem Pferderücken oder sitzen plötzlich verkehrt herum im Sattel. „Alle Kostüme werden von einem Designer in Palma geschneidert", erzählt Pùig. Die Materialien für die Pferde wie Sättel, Geschirr und Wagen werden von einem jungen Mann in Llucmajor gepflegt.

Falke bringt die Hochzeitsringe Für die beliebteste Show-Einlage trägt Toni Pùig zur dunkelblauen Robe einen übergroßen Lederhandschuh. Darauf sitzt majestätisch ein schwarz-braun gefiederter Falke, die gelben Krallen tief ins Leder gegraben. Auf seinem Hof in Randa und in La Granja hält Toni Pùig jeweils einen Vogel, den er für seine Show dressiert. „Besonders beliebt ist der Falke auf Hochzeiten", sagt Pùig. „Ich lasse ihn vom Kirchturm herunterfliegen und dem Brautpaar die Ringe bringen." Vor jeder Aufführung wird der Falke zunächst gewogen, da er am besten fliegt, wenn er das richtige Gewicht hat. Dafür lässt Toni Pùig den Vogel auf eine kleine Küchenwaage fliegen. „Das Idealgewicht liegt zwischen 620 und 650 Gramm." Wiegt der Falke weniger und hat noch Hunger, wird er leicht aggressiv. Ist er satt und schwer, hat er meist keine Lust mehr zu fliegen.

Heute auf La Granja bringt der Falke Arab 645 Gramm auf die Waage. Krächzend hebt er von seiner Stange ab und schwebt im Tiefflug über den Sandplatz. Die Zuschauer ziehen die Köpfe ein, als der Vogel auf einem Stalldach landet. Er krächzt und fliegt wieder zurück. Statt auf Pùigs Lederhandschuh landet er jetzt auf einer niedrigen Mauer, dreht sich um und sieht seinen Dompteur an. Pùig verteilt unauffällig Fleischstücke auf die Eckpfeiler der Reitbahn, Arab nimmt Kurs und fliegt die Futterstationen nacheinander ab. Dann ruft Toni Pùig ihn mit einem lauten Schnalzen, der Falke landet auf seiner Hand.

Das weiße Pony spitzt bei dem Geräusch die Ohren und wiehert einmal kräftig. Unter dem Orangenbaum im Hof wartet es scharrenden Hufes auf seinen Auftritt. Während Toni Pùig den Falken noch einmal im Kreis fliegen lässt, trippelt President ungeduldig auf der Stelle. Arab landet auf seiner Stange und Pùig wendet sich endlich dem Pony zu. Am langen Zügel schreiten beide Richtung Reitbahn. Der kleine Schimmel trabt keck vorneweg, Mähne und Schweif wippen im Takt. Auf dem Sandplatz prescht er plötzlich los, Pùig nimmt´s gelassen und lässt ihn um sich herum im Kreis galoppieren. Ein Peitschenhieb in der Luft, und schon wechselt President die Richtung. Dann ein unsichtbarer Befehl und das Pony bleibt abrupt stehen, hebt die Vorderbeine in die Luft und präsentiert den paso español. Richtig stolz sieht es dabei aus, wölbt grazil den Hals und schielt zu seinem Herrn hinüber. Der fängt den Blick des Ponys auf und schnalzt kräftig mit der Zunge. Sofort stellt President sich auf die Hinterbeine und läuft auf zwei Beinen ein paar Schritte vorwärts. Toni Pùig lacht zufrieden, schüttelt seine Locken zurück und zeigt mit ausgestrecktem Arm auf den vierbeinigen Künstler: „Un aplauso para President."

Wer Toni Pùig und seine Pferde

live sehen möchte: Dreimal pro Woche zeigt er seine Show mit Pony, Menorquinerhengst und Falken im Freilichtmuseum La Granja in Esporles (www.lagranja.net). Am 20. April tritt er mit der Gruppe „Fantasia espectáculos" auf dem mittelalterlichen Fest in St. Eugènia auf, im Mai auf der „Fiera de abril" in Palma. Für Buchungsanfragen Tel.: 660-18 37 67.

In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Bildband 1: Träumen ausdrücklich erlaubt

Bildband II: Die Seele eines Tals

Friseur-Quartett: Viermal Waschen, Schneiden, Fönen

Mit Lupe, Garn und Faden: Besuch beim Teppich-Restaurator

Ab in die Mühle: Taronja Negre in Sant Lorenç

Der Mercedes unter den Weinkarten

Mit Profil: Speedboat von Pirelli