Von Kirsten Lehmkuhl

Mit welcher Überraschung warten Sie demnächst auf?

Ich eröffne eine Weinschule.

Für wen?

Für alle, die an Wein interessiert sind. Ab August werde ich in Colònia de Sant Jordi Verkostungen in Spanisch, Katalanisch, Englisch, später auch auf Deutsch anbieten, die sich auch an Anfänger richten. Zudem berate ich Menschen, die Wein

anbauen oder anbauen möchten.

Welche Projekte stehen noch an?

Ich werde demnächst Wein im Meer reifen lassen.

Im Meer?

In der See, vor Colònia de Sant Jordi. Die Flaschen werden in Küstennähe ins Wasser gelassen. Ich rechne mit vielversprechenden Ergebnissen.

Sie glauben, dass die Bewegung des Wassers, die Strömungen, der Lichteinfall, die unterschiedlichen Temperaturen dem Wein guttun?

Oh ja, das glaube ich.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Früher sind die Landarbeiter mit ihrem Proviant, zu dem auch eine Flasche Wein gehörte, auf die Felder gegangen. Am Rande dieser Felder gab es oft ein kleines Haus mit einer Zisterne. Dort kühlten sie ihren Wein. Manches Mal war die Flasche aber nicht optimal befestigt, sie fiel in die Zisterne. Erst wenn man sie säuberte, kamen die Flaschen wieder zum Vorschein. Und siehe da: Der so gealterte Wein schmeckte wunderbar.

Süßwasser in einer Zisterne, Salzwasser im offenen Meer, das ist ein kleiner Unterschied ?

Wir werden ja sehen...

Woher rührt Ihr Pioniergeist?

Für mich dreht es sich immer nur um eines: um Qualität. Als ich anfing, neue Rebsorten von außen einzuführen, wurde ich regelrecht verhöhnt. Doch damals wurde auf Mallorca durchweg schlechter Wein gemacht - mit diesen einheimischen Rebsorten wie Mantonegro, Fogoneu, Callet, die allesamt nicht zu gebrauchen sind.

Harte Worte. Es gibt keine einzige traditionelle Mallorca-Rebsorte, die Ihnen gefällt?

Doch. Bei den Weißen. Prensal Blanc gefällt mir. Giró Blanc auch.

Und bei den Roten?

Die Gorgollassa-Traube ist nicht schlecht. Aber sonst, nein, die traditionellen Mallorca-Sorten sind und bleiben schlecht. Ein 100-prozentiger Callet zum Beispiel ist eine Katastrophe.

Das sehen die Jungs von Ànima Negra aber ganz anders. Sie setzen mit Riesenerfolg auf den Callet.

Der Erfolg ihrer Weine war Marketing. Gut gemacht, wohlgemerkt. Ich kritisiere das nicht. Aber diese Bodega wird sich auf Dauer nicht halten.

Wie kamen Sie in den 70er Jahren darauf, Cabernet Sauvignon anzubauen?

Mit 17 Jahren bin ich nach Bordeaux gereist. Ich sage Ihnen: Dort habe ich große, noble Weine kennengelernt. Und dachte: Das können wir auch! Nur: Wir müssen sehr viel ändern. Die Art des Kelterns, die Art der Rebsorten. So fing ich an, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot, Syrah, Pinot Noir, Chardonnay, Riesling, Gewürztraminer und so weiter und so weiter auf die Insel zu holen.

Das war ein ziemlicher Kampf. Während alle Welt die prallen dicken Callet-Trauben erntete, kamen Sie mit Ihren Mini-Träubchen des Cabernet Sauvignons daher...

Man hat mich für verrückt erklärt, das ist wahr.

Doch Sie haben weitergemacht.

Ja. 1972 hatten wir ein Experimentierfeld mit 31 ?neuen´ Rebsorten in Porreres. Das Feld gibt es heute noch.

Hat Sie die damalige Landesregierung unterstützt?

(Lacht) Nein. Man war eher erschrocken über meine Aktivitäten. Sie sagten: In Porreres gibt es einen, der einigen Unsinn verzapft. Aber immerhin ließen sie mich gewähren! Als ich später großen Erfolg hatte und die neuen Weine außerhalb der Insel viel Anerkennung fanden, da hefteten sie mir Auszeichnungen ans Revers. Ich war immer überzeugt, dass wir mit der guten Erde und dem guten Klima hier beste Voraussetzungen haben, um Qualitätsweine herzustellen. Nur: Außer mir glaubte niemand daran.

Sie lieben es, quer zu denken?

Ja, immer schon. Es macht mir Spaß, Fragen zu stellen. Mir gefallen komplizierte Dinge ? Aber um mir solche Verrücktheiten zu erlauben, habe ich zwölf Jahre lang parallel bei der Caixa gearbeitet. Das waren 18-Stunden-Tage, sieben Stunden Sparkasse, elf Stunden Bodega.

Hatten Sie keine Verbündeten?

Die deutschen Residenten haben mir geholfen. Sie standen den neuen Weinen sehr offen gegenüber, im Gegensatz zu den Mallorquinern. Ohne die Deutschen wäre eine solche Entwicklung, die der Wein hier genommen hat, unmöglich gewesen.

Wollen Sie mir schmeicheln?

Nein. Erst als die deutschen Residenten, die teilweise sehr betucht waren, unseren Wein tranken, da haben die Einheimischen plötzlich gesagt: Den will ich jetzt aber auch mal probieren.

Etwa fünf Jahre nach Ihrem Unfall haben Sie die Bodega Jaume Mesquida Ihren beiden Kindern überschrieben ...

Ja, im April 2004. Es war die schwierigste Entscheidung meines Lebens.

Was hat Sie dazu veranlasst? Sie sitzen im Rollstuhl. Ist in dieser Situation das weitere Ausüben des Berufs nicht besonders wichtig?

Ich hatte Probleme mit Depressionen, das ist wahr. Dennoch: Man muss sich auch zurücknehmen können. Das ist der Preis dafür, damit Dinge voranschreiten können. Jede Generation muss ihren ganz eigenen neuen Weg gehen.

Geben Sie Ihren Kindern heute Ratschläge?

Wenn sie mich fragen.

Fragen sie oft?

Ja, schon, manchmal. Sie sind übrigens sehr interessiert an dem deutschen Philosophen Rudolf Steiner und seiner bio-dynamischen Landwirtschaft. Sie werden den Weinanbau entsprechend umstellen.

Die Zahl der Bodegas auf den Balearen wächst und wächst. Wohin geht die Reise?

Die Zahl wird wieder sinken. Es werden die kleinen Familienweingüter sein, denen die Zukunft gehört. Oder anders gesagt: Es wird das persönliche Verhältnis zum Kunden sein, das die Kaufentscheidung beeinflusst. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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