Rund 350 Jahre ist es her, dass die ersten Franziskaner-Mönche ins claustro von Llucmajor zogen, einen Anbau der 1656 eingeweihten Kirche Sant Bonaventura. Bis zu 24 Mönche lebten hier. Viele von ihnen reisten Anfang und Mitte des 18. Jahrhunderts zu den von spanischen Franziskanern zuvor gegründeten Missionen in Kalifornien und Mexiko.

Insgesamt 28 Renaissance-Säulen bilden den zweistöckigen Kreuzgang, deren Galerien zu den 13 Klosterzellen führen. Hier stieß man 2006 bei der Restaurierung auf ein außergewöhnliches Kunstwerk: In den Gewölbebögen auf den jeweils gegenüberliegenden Seiten der Säulen wurden die Abbildungen von verschiedenen Heiligen des Ordens in Grisaille freigelegt. Diese ausschließlich in Grau, Weiß und Schwarz ausgeführte Maltechnik - ein modernes Beispiel dafür ist das Gemälde „Guernica" von Pablo Picasso - gibt es sonst in keinem anderen Sakralbau Mallorcas zu sehen.

Dass die Bewohner von Sant Bonaventura besonderen Wert auf künstlerische Details legten, zeigt sich noch an einer anderen Besonderheit. So sind im obereren Stockwerk Dutzende bemalter Dachpfannen zu finden, die Kunstexperten und Historikern ein Rätsel aufgeben. Jede der Dachpfannen ziert ein lateinischer Buchstabe, in dessen Mitte Gesichter, christliche Symbole und Ornamente gemalt sind. „Wir gehen davon aus, dass es ursprünglich etwa 200 gegeben hat, die als Dachabschluss dienten", sagt

Maties Tomàs, Tourismusbeauftragter und Historiker der Gemeinde. „Wenn man damals vom Patio des Kreuzgangs aus zum Dach emporblickte, konnte man die zu Wörtern und Sätzen aneinandergereihten Buchstaben lesen. Was genau sie bedeutet haben, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben", sagt Tomàs.

Auch auf dem Treppenaufgang von der unteren zur oberen Kreuzgang-Galerie wurde einst fleißig zum Pinsel gegriffen. Hier zieren farbige Barock-Fresken große Teile der Wände. Auf dem oberen Säulengang angekommen, fällt der Blick auf begehbare Glasscheiben am Boden, unter denen Mallorcas typische Blöcke aus Sandstein, dem Marés. Die gesamte Anlage ist daraus gebaut.

Hier, im zweiten Stock, wartet die nächste Überraschung: „Sala de Armas", Waffenkammer, steht über der Eingangstür zu einer der Zellen. Haben sich die Mönche hier damals etwa für einen Kreuzzug gerüstet? Tomás schüttelt den Kopf. „Das Schild stammt aus den Zeiten, als die Guardia Civil das Kloster bewohnte."

Doch zurück ins 17. Jahrhundert. „Wir gehen davon aus, dass die Franziskaner neben dem Kloster eine Schule einrichteten", erzählt der Stadthistoriker. Grund für die Annahme ist unter anderem der großzügige Speisesaal des claustro sowie mehrere bei der Restaurierung freigelegte Türbögen, die zu einem Nachbargrundstück führen, auf dem die einstige Klosterschule gestanden haben soll.

1836 mussten die Franziskaner in Llucmajor ihre Koffer packen. Grund war die von Spaniens damaligem Ministerpräsidenten Juan Álvarez Mendizábal angeordnete landesweite Enteignung aller Kirchengüter, die unter der Bezeichnung „Desarmortisationsdekrete" in die Geschichte eingingen. Viele Klöster, wie beispielsweise auch das Kartäuserkloster von Valldemossa, gingen damals in Privatbesitz über, Sant Bonaventura aber nicht. Llucmajors findiger Bürgermeister nützte eine Gesetzeslücke, um seiner Gemeinde das claustro zuzuschanzen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Kloster daraufhin als Hospiz

genutzt.

Anschließend floss hier das Blut in Strömen. Um die Kosten für den Bau eines Schlachthofes zu sparen, wurden Schweine, Rinder und Lämmer im Klostergarten zerteilt. Die kurzzeitig zurückgekehrten Franziskaner-Mönche nahmen Mitte des 20. Jahrhunderts endgültig Abschied aus Llucmajor.

Nach ihnen hielt das Militär Einzug in den Kreuzgang, dessen Säulengänge zugemauert wurden, um Platz für Unterkünfte, Lager, Büros und die bereits erwähnten Waffenkammer zu schaffen. Noch bis 1999 bezog die Ortsgruppe der Guardia Civil ihr Quartier in dem mittlerweile baufällig gewordenen Gemäuer, das schließlich ganz die Tore schließen musste.

Sieben Jahren vergingen, bis sich die Gemeinde dank finanzieller Rückendeckung aus dem balearischen Tourismusministerium an die Komplettrenovierung wagte. Sechs Millionen Euro, die Hälfte davon stammte aus der Gemeindekasse, verschlangen die nur achtmonatigen Sanierungsarbeiten. Doch die haben sich gelohnt, das Kloster kann sich heute zu den architektonischen Schmuckstücken der Insel zählen. Um es irgendwann als kleines Kongress- und Tageszentrum nutzen zu können, entstanden in einem modernen Anbau noch ein Auditorium mit 150 Sitzplätzen sowie zwei Dolmetscherboxen.

Die klösterliche Stille von einst hat sich im Kreuzgang bewahrt. Denn außer der Dachpfannen-Ausstellung im zweiten Stock herrscht in den weiß getünchten Sälen gähnende Leere. Seit der offiziellen Einweihung im Juni 2007 steht Sant Bonaventura leer. Kaum jemand hat es bisher betreten. Grund: Im Rathaus weiß man immer noch nicht ganz genau, was mit der über 3.000 Quadratmeter großen Anlage überhaupt geschehen soll. Geplant

ist, in absehbarer Zeit die Stadtbibliothek dort unterzubringen. Hochzeiten, Kunstausstellungen, klassische Konzerte, Tagungen, Empfänge und ein Museum, das alles sei im Kloster vorstellbar, sagt Bürgermeister Lluc Tomàs, konkreter will er aber auch nicht werden.

Dass Sant Bonaventura das Zeug besitzt, eine echte Touristenattraktion für Llucmajor zu werden, steht außer Frage. Schließlich hat die Stadt ihren auswärtigen Besuchern außer einer Bronze-Statue von König Jaume III. nicht viel zu bieten. Hinter den dicken Klostermauern ist von einem möglichen Ansturm zukünftiger Touristenhorden allerdings noch nichts zu spüren. Wie gesagt, die Zeit steht hier eben still. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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