Von Silke Droll Zunächst wundert sich der 60 Jahre alte Backspezialist darüber, dass ich unbedingt selbst backen will, statt nur zuzusehen. Doch er willigt ein, streift mir eine Schürze über den Kopf und diktiert die Zutatenliste: Mehl, Zucker, Eier, Schweineschmalz, Orangensaft, Zimt und Zitronenschale. Ich frage, ob man statt Schweineschmalz auch Butter verwenden könnte. „Auf keinen Fall", kommt die Antwort, wie aus der Pistole geschossen. „Die mallorquinische Küche basiert auf dem Schwein", doziert er. In seiner Backstube, die mit ihrer Patina wie die Filmkulisse für einen His­torienschinken wirkt, suche ich mir die Ingredienzien zusammen. ­Zucker und Schmalz wiege ich auf einer Waage mit echten Metallgewichten, die ich bis dato nur noch im Museum vermutet hatte. „Zuerst macht man einen Vulkan aus Mehl", sagt Pujol Ferragut. Ich häufe also einen weißen spitzen Berg auf. Der Vulkan bekommt in der Mitte ein Loch. Darin entsteht ein klumpiger See aus Schmalz, Eiern, Öl und frisch gepresstem Orangensaft. Ich verknete das im Mehl liegende Binnengewässer, bis eine geschmeidige Masse entsteht und reichere es nach und nach mit Mehl an. Dann muss der Teigklumpen geknetet und abgeschlagen werden. Das erfordert Kraft und Geschick. Pujol setzt ein schelmisches Grinsen auf und empfiehlt „Denk an deinen Chef!" Doch arbeitsbedingte Aggressionen sind offenbar nicht genügend vorhanden. Ist auch nicht weiter schlimm, denn das geduldige Teigbearbeiten hat etwas Meditatives und erinnert mich in der dämmrigen und kühlen Backstube an lange Plätzchenback-Abende im Advent. Dem Lehrmeister aber geht das Geknete zu langsam. In Profibäcker-Manier nimmt er den Teig in die geübte Bäckerhand und massiert die Masse in einer Minute elastisch. Das brotlaibgroße Stück zerschneidet er in zwei Stücke und sagt: „Das eine können Rubiols werden, das andere Crespells." Aus dem Rubiols-Stück formt er im Nu eine dicke Teigwurst und zerteilt sie in sieben Einzelstücke. Die kleinen Klumpen forme ich zu kleinen Knödeln und rolle sie mit einem Nudelholz flach. Aus einem rund einen Meter hohen Eimer schöpfe ich mit einer Kelle cabello de ángel (Kürbismus) und gebe mit einem Esslöffel kleine Portionen auf die Teigunterlagen. Die Lappen werden einmal umgeklappt, die Enden mit den Fingern fest zusammengedrückt und die Ränder mit einem Teigschneider abgemacht. Fertig sind meine Rubiols. Für die Crespells walze ich den restlichen Teig auf ein bis zwei Zentimeter Dicke auf. Pujol, der tief summend zwischen Backstube und Verkaufsraum hin und her wandelt, legt mir Ausstechformen bereit: große Sterne, Blumen und Figuren. Dann wirft er mir noch neckisch eine Herzform zu und verschwindet wieder in Richtung Kunden. Ich steche und rolle, bis kein Teig mehr übrig ist. Die beiden Bleche schiebt später Pujol mit einem riesigen Schieber in seinen Holzbackofen, in dem eine leichte Glut glimmt. Als meine Werke nach ein paar Minuten leicht gebräunt wieder herauskommen, betritt gerade Stammkunde Manel Domènech den Laden. Der 54 Jahre alte Lehrer aus der Nachbarschaft der Traditionsbäckerei ist eine Naschkatze und liebt das mallorquinische Gebäck, ein Experte sozusagen. Meine Crespells finden Anklang, Domènech lässt einen Keks genüsslich hinter seinem Wallebart verschwinden. Später verblüffe ich noch mallorquinische Bekannte mit meinem Ostergebäck. Nachdem ich mir mal wieder die Leier von den Deutschen, die sich nicht integrieren und Sprache und Kultur der Einheimischen nicht gebührend schätzen, angehört habe, tische ich meine puderzuckerbestäubten Crespells und Rubiols auf und höre nur noch ein „Muy bueno." In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Das Dschungelbuch steht Pate: Pfadfinder auf Mallorca

Die Zugrouten der Eleonorenfalken

Oldtimer-Rallye "Isla de Mallorca"

Genussvolle Ostertage

Ab in die Mühle: McMolí und Madeltee in Montüiri

Der neue Blanc de Blanc ist da

Wandern mit Blick auf die Dracheninsel

Virtuelle Golfplatz-Besichtigung via Internet

Die Bucht der 1.000 Segler: Die Regatta "Prinzessin Sofía"