Von Silke Droll

Während die Touristen Palmas Altstadt erkunden, am Strand liegen oder die Berge besteigen, strömen täglich 20.000 Bewohner der Insel zum Arbeiten und Einkaufen in die Wirtschafts-City. Aus dem Einerlei der Laden- und Bürogebäude ragt mit seinen 15 Stockwerken das einzige Hochhaus in Son Castelló hervor. Hunderte je nach Sonneneinstrahlung verstellbare Metallplatten kleiden die Fassade ein. Dort hat Alejandro Sáenz de San Pedro seinen Schreibtisch. Er ist Geschäftsführer des Unternehmerverbands Asima, der die Interessen der Firmen in Son Castelló und dem kleineren Schwester-Gewerbegebiet Can Valero vertritt. Oft telefoniert Sáenz de San Pedro mit Stadtverwaltung oder Balearenregierung. Dauerbrenner-Thema: der Verkehr. Immer noch wird an den vier U-Bahnstationen in Son Castelló gebaut, die Straßensperren stören den Verkehr. „Und der Umsatz ist deutlich zurückgegangen". Nächstes Ärgernis: „Der Verkauf der Grundstücke stockt, weil die Stadt keine klaren Bebauungsregeln festlegt." Wenigstens seien die Schäden, die der schwere Oktobersturm 2007 hinterlassen hat, großteils repariert.

Wenn er nicht gerade auf Probleme angesprochen wird, gibt Sáenz de San Pedro den stolzen ­Vater des Gewerbegebiets. „Ich sage immer, hier gibt es alles. Wenn ein Paar heiratet und sich seinen Haushalt aufbaut, muss es nirgendwo anders hin." Tatsächlich reiht sich im polígono ein Ausstattungsladen an den anderen: Möbel, ­Böden, Farben, Fliesen. Unter dem Sammelsurium der Fachgeschäfte gibt es auch wahre Spezialisten wie den Hunde-Supermarkt ­Canyplant. Eine der vielen Angestellten dort ist Eva Sánchez, sie verkauft alles, was das Hundehalter-­Herz begehrt: Welpen, Hundesofas und -häuschen, eine Vielfalt von Leinen, Kleidung für die Vierbeiner und Futter. „Sehr beliebt sind momentan Yorkshire-Terrier oder französische und englische Bulldoggen", berichtet sie. Seit vier Jahren führt die 25-Jährige jeden Tag Kunden durch die Ladenhalle - und hat dabei schon einiges erlebt. „Eine Kundin ist geradezu süchtig nach Tieren. Sie kauft jedes Mal eines."

Wie sie verbringen viele Verkäufer, Angestellte und Arbeiter in Son Castelló einen beträchtlichen Teil ihres Lebens. Das polígono bietet ihnen eine Rundumversorgung. Wer Kinder hat, gibt sie vor der Arbeit in der Krippe ab. Wer nach Feierabend auf die Piste will, kann auch noch tanzen gehen. Zwischen den Firmen, Banken, Behörden und Ladenhallen gibt es Konzertsaal, Schule, Kita, Disco, Puff. Nur ­Wohnungen nicht, zum Schlafen muss man heim. „Ich kenne hier bei weitem mehr Leute als in Esporles, wo ich wohne", sagt Francisco Pérez Tomás, Verkaufsleiter der Motorradabteilung im BMW-Autohaus. Son ­Castelló ist für ihn ein Stück Heimat. Seit elf Jahren arbeitet der 42-Jährige hier, vorher war er in einem anderen Autohaus im selben Gewerbegebiet. Macht 19 Jahre, in denen er so gut wie jeden Werktag in Son Castelló verbracht hat. Er kennt die Mitarbeiter aus den umliegenden Banken und Läden alle beim Namen.

Wie Pérez Tomás arbeiten die meisten Menschen im polígono im Dienstleistungsbereich. Schmutzig macht sich dort kaum noch einer. Die Grünpfleger in dem Gewerbegebiet sind mit ihrer körperlichen Arbeit schon fast eine Ausnahme. „Es ist anstrengend. Aber ich mag den Umgang mit Pflanzen", sagt Gustavo Walter de Paolo Kuster. Der Argentinier hat sich mit seinem mallorquinischen Kollegen Miguel Mateo Julià Estelrich zur Brotzeit­pause an die Rückwand der ­Santander-Bank im Schatten des Asima-Hochhauses angelehnt. ­Miguel schmiert sich ein ­Sobrassada-Brot, Gustavo knabbert an Keksen. Gleich geht es mit dem Beschneiden des Yucca-Baums weiter. Am Nachmittag will der Argentinier dann schon wieder zu Hause sein. Dort gibt der ­Akademiker Philosophie-Unterricht, denn leben kann er allein von der Gartenarbeit nicht.

Deutsche kommen meist nur nach Son Castelló, wenn sie auf der Insel leben. Einige arbeiten in den Niederlassungen von Tui, Air Berlin und Horst Abels Wurstfabrik. Bei der Hotelkette Hotetur bearbeitet die 28 Jahre alte Sandra Bömermann Reservierungsaufträge. Seit einigen Monaten fährt sie täglich mit dem Bus aus Palmas Zentrum in das Gewerbegebiet. Als Erasmus-Studentin an der Balearen-Universität verliebte sie sich in die Insel, nach ihrem ­Touristik-Abschluss in Bremen kam sie zurück. Auch sie hat schon Bekannte und ein Stamm-Mittagslokal in Son Castelló: das Café ­Pomodoro. In dem Restaurant brummt das Geschäft. Die hausgemachte Pasta, die Besitzersohn Gianni Podo für fünf Euro serviert, ist für viele Gäste ein Höhepunkt im Alltag. Damit geht es in die zweite Büro-Runde, bis der Tag geschafft ist und es von der Arbeitsheimat wieder nach Hause geht. Ins echte Zuhause.

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