?Thirty seconds left", noch 30 Sekunden, krächzt die Stimme der Regattaleitung aus dem Lautsprecher des kleinen Funkgeräts. Ansonsten ist es mucksmäuschenstill an Bord der ?Platoon" geworden. Die Anspannung und Konzentration unter den 14 Crew­mitgliedern, die geduckt an der äußersten rechten Kante ihres Racers auf den erlösenden Startschuss warten, ist förmlich greifbar. Teamchef Jochen Schümann schaut sich das letzte Mal in der Runde um. Dann ertönt von irgendwoher auf dem Meer das tiefe Hupen des Signalhorns.

Insgesamt 14 TP-52-Yachten (siehe Kasten) haben sich an diesem bewölkten Montagvormittag zum letzten Proberennen des Audi MedCups in der Bucht von Alicante eingefunden. Sie werden ab Dienstag (13.5.) an der fünftätigen ?Trofeo Ciudad de Alicante" teilnehmen, dem Auftakt einer Serie von fünf weiteren Regatten, die von Mai bis September in Alicante, Marseille, Sardinien, Mallorca, Murcia und Portimão ausgetragen wird.

Unter den Teilnehmern befindet sich die Crème de la Crème des internationalen Segelsports. Auch viele hochkarätige America´s-Cup-Skipper wie Terry Hutchinson oder John Kostecki sind bei dem von Audi gesponsorten Mega-­Event dabei.

Zu den Top-­Favoriten auf den Gesamtsieg zählt der einzige deutsche Vertreter in der TP-52-Mittelmeer-Flotte, die ?Platoon" des Hamburger Unternehmers und Ex-Segel-Asses Harm Müller-Spreer. Die rund 16 Meter lange, vier Meter breite und fast ausschließlich aus Karbon bestehende Hightech-Yacht wurde in nur 5.500 Arbeitsstunden gefertigt, stand erst vor wenigen Wochen zu ersten Tests bereit. Über die Baukosten will Müller-Spreer keine Angaben machen. ?Wohl einige Millionen Euro", sagt er. Über ihre Investitionen schweigen sich auch die Sponsoren der ?Platoon", Audi und Adidas, aus, es auf jeden Fall gehe um Beträge im ?siebenstelligen Bereich" .

Für Eigner Müller-Spreer, der mit Investment-Geschäften Millionen machte, kommt es sowieso nur auf eines an: ?Wir wollen gewinnen. Alles andere ist Zeitverschwendung", sagt der 45-jährige Diplom-Ingenieur und ehemalige Drachen-Weltmeister von 1995. Nach zwei weniger erfolgreichen Teilnahmen hofft Müller-Spreer beim diesjährigen MedCup aus gutem Grund, ganz vorne mitzusegeln: Seine Crew besteht aus dem Kernteam der deutschen America´s-Cup-Mannschaft United Team Germany unter Führung von Jochen Schümann (siehe Seite 45). ?Jochen ist wahrscheinlich der beste Segler der Welt", sagt Müller-Spreer. Mit ihm und weiteren deutschen Top-Skippern wie Tim Kröger, Mathias Paschen und Jan Schoepe soll aber nicht nur der Gewinn des MedCups möglich sein, sondern auch ein Sieg bei der Copa del Rey (28.7. bis 3.8.) auf Mallorca, an der die ?Platoon" in diesem Sommer ebenso teilnehmen will wie am Rolex Cup auf Sardinien Mitte Juni.

Im Hafen, an der Anlegemole machen Boot und Besatzung zunächst einen eher chaotischen Eindruck. Neben dem Stimmengewirr der aus sechs Nationen bestehenden Crew sind es vor allem die zahllosen an Deck liegenden Tampen, die für einen unaufgeräumten Eindruck sorgen. Doch schon kurz nach dem Auslaufen herrscht an Bord absolute Ordnung. ?Jeder Handgriff muss hier sofort sitzen, Perfektion ist der Schlüssel zum Erfolg", erklärt Müller-Spreer, während wir im Hafenbecken unter Motor ein paar Übungsrunden drehen. Schümann, der das Schiff mit einer Pinne - ähnlich wie man sie von Sportjollen kennt - statt mit einem Steuerrad auf Kurs hält, erklärt der Crew auf Englisch den Marschbefehl für den heutigen Trainingstag. In weniger als einer Minute wird anschließend das Großsegel gesetzt, kurze Zeit später steht auch das Vorsegel im Wind, und die ?Platoon" nimmt Fahrt auf.

Trotz zahlreicher Hightechinstrumente an Bord, wie beispielsweise eine computerunterstützte Vorrichtung zur Ausrichtung des Baumes, ist das Segeln auf der TP-52-Yacht harte körperliche Arbeit. Innerhalb von wenigen Sekunden müssen auf Anordnung des Teamchefs die sechs Winschen an Bord zum Einstellen der Segel bedient werden, meist auf den Millimeter genau.

Nach dem Startschuss zum Proberennen geht es dann richtig zur Sache. Um zu der zwei Meilen entfernten Wendeboje zu gelangen, muss hart am Wind gekreuzt werden, das Boot neigt sich dabei beängstigend von einer Seite auf die andere, während Schümann seinen Trimmern, Grindern und dem Steuermann immer neue taktische Anweisungen zuruft.

Am Ende des Tages hat die ?Platoon" einen dritten Platz belegt. ?Nicht schlecht für den Anfang", sagt Schümann. ?Aber wir können natürlich noch besser", fügt Müller-Spreer hinzu. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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