Von Karl Hofer

Erstaunlicherweise sind die Wurzeln der hoch geschätzten Paella nicht in Feinschmeckerküchen früherer Adeliger zu suchen, sondern bei mehr schlecht als recht lebenden Tagelöhnern in den Reisanbaugebieten bei Valencia. Diese Arbeiter pflegten für ihr karges Mittagsmahl auf offenen Feldfeuern Reis zu kochen und ihn mit etwas Gemüse, Schnecken oder anderem Greifbarem anzureichern.

Aus diesem Armeleute-Eintopf entwickelte sich mit der Zeit ein bäuerliches Gericht für festliche Anlässe: die ­paella valenciana. Gemäß der Spanischen Gastronomischen Akademie hat diese ursprünglichste aller Paellas neben dem Reis als weitere wichtige Bestandteile schmale langgezogene flache Bohnenschoten, rundliche Butterbohnen, Huhn- und Kaninchenfleisch sowie Bergschnecken zu enthalten. Die Schnecken runden das Gericht für den valencianischen Gaumen geschmacklich wunderbar ab - nicht wenigen Ausländern verderben sie dagegen den Appetit. Gewürzt wird stets mit Salz, Pfeffer, Knoblauch und Safran.

Aus dieser Ur-Paella entwickelten sich im Laufe der Zeit unendlich viele Varianten. Auf dem Festland und auf Mallorca gleichermaßen populär sind heute vor allem die paella mixta, die gemischte Paella mit Fisch und Fleisch, die paella marinera mit Fisch und Meerfrüchten, die paella campesina mit Huhn, gewürfeltem Schinken, Knoblauchwurst in dicken Scheiben, Knoblauch, Lorbeerblättern und Reis, dann die verschiedenen Gemüsepaellas und natürlich die Eigenkreationen von begeisterten Hobbyköchinnen und Hobbyköchen.

Wettbewerb in Manacor ein Erfolg

In Manacors Vorstadtquartier ­Santa Catalina i Es Creuers treten die mallorquinischen Paellaliebhaber auffallend häufig auf und stellen einmal im Jahr an einem Paellakochwettbewerb auf offener Straße ihre Kochkünste unter Beweis. Anwohnervereinspräsident Maties Adrover erläutert dazu sichtlich vergnügt: „Diesen Wettbewerb verdanken wir dem in Porto Cristo lebenden Bauunternehmer Francisco Villanuevo. Der Katalane baute vor 17 Jahren zusammen mit einigen von Heimweh geplagten Valencianern ein solches öffentliches Kochen in unser jährliches Quartierfest ein."

Der Wettbewerb kam hervorragend an, von Jahr zu Jahr nahm die Teilnehmerzahl kontinuierlich zu und erreichte im vergangenen November mit 28 Kochgruppen und 750 Gästen einen neuen Rekord, der den Zuschauern einiges abverlangte. Denn als der Start zum Kochen freigegeben wurde, vernebelte der Rauch der sehr vielen Holzfeuer unter den Paellapfannen den Catalina-Platz temporär dermaßen, dass aus vielen Augenpaaren ungewollt Tränen zu fließen begannen. Eine Jury beurteilte die Arbeit an den Feuern, die Präsentation und natürlich auch den Geschmack der ­Paellas. Seit drei Jahren nehmen mit Erfolg auch Kinderkochgruppen teil. Die in der Organisation des Wettbewerbs mitwirkende Lehrerin Margarita Garcias weiß von Jungen und Mädchen, die hier die Freude am Kochen entdeckten und sich jetzt zu Hause oft und freiwillig in der Küche betätigen.

Was macht eine gute Paella aus? Francisco Villanuevo nennt als Voraussetzungen: „Die Paellapfanne sollte einwandfrei waagerecht auf der Unterlage aufliegen, weil andernfalls die Flüssigkeit auf eine Seite ausweichen kann. Zudem rate ich dazu, das Holzfeuer dem Gas vorzuziehen." Bei einer guten Paella müssen die Reiskörner am Schluss trocken, goldgelb und locker sein. Sie dürfen keinesfalls aneinander kleben und nicht die geringste Fettspur auf dem Teller hinterlassen.

Wahl des Reises ist entscheidend

Villa­nuevo ergänzt: „Die richtige Wahl des Reises ist von enormer Bedeutung. Der bei Deutschen und Schweizern sehr beliebte Langkornreis eignet sich leider sehr schlecht für die Paella. Vorzuziehen ist Mittelkornreis, der viel Wasser aufnehmen kann. Hier in Spanien wählen viele Köche die Sorten Senia oder Bahía. Ich persönlich schwöre auf die Bomba-Qualität. Dieser Reis wird beispielsweise in den entlang des ­Segura-Flusses aufgereihten Reisfeldern von Calasparra in der Region Murcia geerntet. Er ist zwar drei- bis viermal teurer, sein guter Geschmack aber wiegt die Mehrkosten auf."

Ein wahrer Paellameister erreicht mit richtigem Verdampfen der Flüssigkeit und gut abgestimmter Hitze, dass sich am Rand und am Boden der Paella­pfanne gegen Schluss der sogenannte socarrat bildet. Diese leicht braunen und knusprig angebratenen Reisreste liebt der Kenner besonders, sie bedeuten für ihn den krönenden Abschluss eines Paella-Mahls.

Es spricht für die Organisatoren in Manacor, dass alle bisherigen 17 Wettbewerbe ohne Zwischenfälle durchgeführt werden konnten. Meist spielte auch das Wetter mit. „Lediglich 2001 behinderte ein starker Sturm die Veranstaltung", ­erinnert sich Ortspolizist Tomás Sureda. Und er ergänzt mit leichtem Schalk in den Augen: „Erwähnt werden sollte auch ein Ereignis des vergangenen Jahres. Einer Koch-Equipe kippte die große Paellapfanne kurz vor Ende des Gar­vorgangs von der Unterlage, worauf sich die ganze Paellaherrlichkeit auf die Straße ergoss und die unglücklichen Köche für Spott nicht zu sorgen hatten."

Seit zwei Jahren gibt es in Porto Cristo ebenfalls einen öffentlichen Paella­wettbewerb. Er findet immer am 1. Mai statt, treibende Kraft ist auch hier Francisco Villanuevo. Bereits im zweiten Anlauf nahmen dreiundzwanzig Kochgruppen teil. Hier und in Manacor betätigen sich selbstverständlich auch Frauen als Paellaköchinnen - an der spanischen Levante wäre so etwas nahezu undenkbar. Denn in Valencia ist die Paellazubereitung im ­Familien- und Freundeskreis seit eh und je geheiligte Männersache, fast in jedem Haus gibt es einen selbsternannten Paellakönig, der auf sich und sein Rezept schwört.

In einer katalanischen Gastronomie­broschüre liest man in diesem Zusammenhang den frappierenden Satz: „Die Paella ist auf Grund ihrer Wesensart ein Gericht von barocker Großartigkeit, festlich, populär und maskulin." Mag sein, dass es den in Manacor und Porto Cristo von femininen Händen zubereiteten Paellas etwas an barocker maskuliner Valencia-Großartigkeit mangelt. Gegessen wurden sie bisher jedoch jedes Jahr trotzdem mit Hochgenuss - von Männern wie Frauen. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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