Vermutlich ist die Tröte, mit der der Schaffner dem Lokomotivführer das Signal zur Abfahrt gibt, schon genauso alt wie der Zug selbst. Bereits seit 1912 verbindet der Tren de Sóller Palma mit dem Orangental auf der nördlichen Seite der Tramuntana. Von den Sóllerics gebaut, um sich und vor allem ihre Waren aus der isolierten Lage zwischen Bergen und Meer in die Hauptstadt zu bringen, ist die Schmalspurbahn seit vielen Jahren ein touristisches Highlight. Denn der Zug und seine Waggons sind noch wie früher. Die einzige Modernisierung, die die Eisenbahn seit ihrer Gründung erfahren hat, ist ihre Elektrifizierung. Seit 80 Jahren raucht die Lok nicht mehr. Dies tut dem nostalgischen Vergnügen keinen Abbruch. Ist beim Durchqueren der insgesamt 13 Tunnel eher angenehm - zumal der längste stolze 2.876 Meter aufweist. Da würden selbst eingefleischte Raucher schnell die Fenster schließen.

In deutschen Reiseführern wird die Lok gerne als „Roter Blitz“ geführt, warum dies so ist, wissen vermutlich nicht einmal die Autoren, denn der Zug ist weder rot noch schnell. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 Stundenkilometern rattern die fünf Waggons und der Triebwagen gemütlich auf der eingleisigen Strecke dahin. Nur an strategischen Punkten gibt es ein zweites Gleispaar, um den jeweils entgegenkommenden Zug passieren zu lassen.

Im Takt der Schwellen zieht eine mallorquinische Bilderbuchlandschaft an den Fenstern vorbei. Mandelhaine wechseln sich mit knorrigen Oliven ab, Esel stehen faul im Schatten, Schafe und Ziegen grasen gemächlich vor sich hin. Vor den Bahnübergängen gehen die Schranken herunter, und der vorbeifahrende Zug hupt warnend, denn selbst bei dem geringen Tempo wären die Folgen eines Zusammenstoßes fatal.

Hinter Bunyola türmen sich die Berge zu einer mächtigen Wand auf, und die Bimmelbahn scheint frontal dagegen zu fahren. Genau genommen, tut sie das auch. In den Tunnels kühlt es deutlich ab. Zunehmend gewinnt der Zug an Höhe und kommt auf etwa 200 Metern an einer Aussichtsplattform zum Stehen. Zum einen wegen des Panoramas, zum anderen wegen des Gegenverkehrs. Gemütlich setzt sich der Schaffner auf das Geländer. Über ihm prangt ein Schild mit der Aufschrift Mirador Pujol d‘En Banya, unter ihm liegt Sóller.

Keine zehn Minuten später hupt der entgegenkommende Zug aus dem Tunnel heraus, Urlauber winken anderen Urlaubern zu, und der Schaffner trötet wieder zur Abfahrt.

Vorbei an Zitronen- und Orangenbäumen nähert sich in sanften Abwärtskurven der Bahnhof von Sóller. Nach einer guten Stunde ist die 23 Kilometer lange Fahrt zu Ende. Die Dauerausstellung von Miró und Picasso in der Bahnhofshalle wird von den meisten Fahrgästen heute nicht beachtet, und auch Sóller selbst steht bei ihnen nicht hoch im Kurs. Sie wollen lieber an den Strand und steigen gleich in die nur ein Jahr jüngere Straßenbahn um, die für vier Euro zu den Playas von Port de Sóller zuckelt.

Hoffentlich haben sie auf dem Rückweg mehr Zeit, denn Sóller mit seinen schnuckeligen Gassen und gemütlichen Cafés hat dasselbe nostalgische Flair wie sein Zug.

Infos

Der Tren de Sóller fährt von Palmas Plaça d‘Espanya täglich um 8.00, 10.10, 10.50, 12.15, 13.30, 15.10 und 19.30 Uhr nach Sóller.

Von Sóller nach Palma geht es um 7.00, 9.10, 10.50, 12.15, 14.00, 18.30 Uhr, an Samstagen, Sonn- und Feiertagen auch noch um 19.00 Uhr.

Das Hin- und Rückfahrtticket kostet 17 Euro. www.trendesoller.com

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Die Sommer-Reporter: Katerstimmung in Vilafranca

- Kontrastprogramm an Palmas Stadtstrand 31

- Nachtschwärmer: Hausverbot für Housemusik

- Kindermenü: Ich knet mir eine Astronautin

- Mediterrane Küche mit Pfiff gibt‘s im Es Brot in Campos

- Mallorcas Weingüter: Son Puig

- Früchtchen in Mönchskutte: Die mallorquinische Urpflaume

- Serie: So wohnen die anderen - Der Traum vom grünen Paradies

- Copa del Rey: Könige hautnah

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