Xesc Bonnín (1935, Manacor) gehört zu den Pionieren der professionellen mallorquinischen Küche. 1981 eröffnete er in Palma sein Lokal Es Racó d‘en Xesc (Xesc‘ Eckchen) - wie er selbst sagt, das erste Lokal der Insel mit ausschließlich mallorquinischen Gerichten. 1985 bekam der Autodidakt einen Michelinstern verliehen. Seit 1997 schreibt der Koch Rezeptbücher.

Herr Bonnín, warum sollten Deutsche Ihr Buch lesen?

Die Küche ist ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur. Wer die Menschen hier verstehen will, dem hilft es, wenn er unsere Küche kennenlernt.

Was haben die rund 70 Rezepte in Ihrem Buch gemeinsam?

Es sind Rezepte meiner Vorfahren.

Warum muss man die alten Gerichte heute noch kennen?

Weil es eine großartige Küche ist, die Gefahr läuft, in unserem dekadenten Zeitalter unterzugehen.

Was ist an unserem Zeitalter dekadent, gastronomisch gesehen?

Viel Dekoration, wenig Inhalt.

Generell, oder nur auf Mallorca?

In anderen Regionen Spaniens wird viel Wert auf die Erhaltung gastronomischer Traditionen gelegt, aber hier kümmert sich niemand darum.

Gibt es nicht zahlreiche Restaurants, die sich auf mallorquinische Küche spezialisiert haben?

Die wenigsten Köche sind für ihre Arbeit ausreichend qualifiziert.

Was machen diese Leute falsch?

Nehmen Sie zum Beispiel den arròs brut, den schmutzigen Reis. Den sollte es nur in der Jagdsaison geben und nicht das ganze Jahr über. Oder das Spanferkel, das zwischen vier und sieben Kilo wiegen sollte, und nicht 14, wie schon erlebt.

Lob verteilen Sie nicht gerade.

Die mallorquinische Küche erfordert viel Wissen, und das ist leider im Laufe der Jahre verloren

gegangen.

Es gibt immerhin eine Tourismushochschule, an der man auch den Kochberuf erlernen kann.

Ja, ich weiß. Bei uns machen sie erst ihren Doktor und dann die Ausbildung.

Wie bitte?

Ich habe schon Absolventen der Hochschule erlebt, die konnten Lauch nicht von Zwiebeln unterscheiden.

Viele Freunde haben Sie sich mit Ihrer Kritik sicher nicht gemacht.

Es haben sich mehr Türen geschlossen als geöffnet. Aber was soll‘s, ich bin schließlich 74 und …

… da ist es auch egal. Welche Zukunft prophezeien Sie der mallorquinischen Küche?

Auf professionellem Niveau nicht mehr als vier Generationen. Im privaten Bereich werden die Rezepte weiterbestehen, hoffe ich.

Für Ihre Rezeptrecherchen haben Sie ganz Mallorca bereist.

Es gibt kein Dorf, in dem die Leute nicht anhalten, um mich zu grüßen.

Ihr nächster Beitrag zur Art­erhaltung?

Zu Hause habe ich geschriebenes Material für 14 weitere Rezeptbücher, ohne dass sich ein einziges Rezept wiederholt.