Gleichbleibend hart schlägt Matratzenmacher Sebastià Bal·le mit einem Holzstock auf die Schafwolle ein. Kniehoch aufgetürmt liegt sie vor ihm. Der Haufen reicht von einer Seite der Garage zur anderen. Schwer vorstellbar, dass darauf mal jemand schlafen wird. Nach jedem Hieb hält er kurz inne und wühlt in der Wolle herum, als würde er etwas suchen. Nur ein Blinzeln später reißt der 66-Jährige seinen Stock wieder in die Luft, zieht einen Schweif weiß-gelber Wolle hervor, wirbelt ihn herum, sticht hinein und schlägt den Schmutz heraus.

„Für mich ist Wolle wertvoller als Gold“, sagt Sebastià Bal·le, Matratzenmacher aus Inca in dritter Generation.

Dann schlägt er wieder auf seinen Schatz ein, und es geht von vorne los. Es fliegt viel Dreck durch die Gegend. Die vom Staub geschwängerte Luft in der Garage wird trüb, nichts für empfindliche Nasen. Bald ist auch das letzte Blatt, das letzte Samenkorn, aus der Wolle verschwunden. Sie ist sauber genug, um in eine Matratze gestopft zu werden. Gewaschen wurde sie bereits, von 28 Kilogramm sind dabei nur 14 übrig geblieben. Das reicht für eine 90 mal 190 Zentimeter große ­Matratze. Sie wird am Ende zwischen 300 und 400 Euro kosten.

Maschinen lässt Sebastià Bal·le an sein Naturprodukt nicht heran. Alles ist Handarbeit. Seit er 14 Jahre alt ist, stellt er Matratzen her. Im Laufe der Jahre hat er Techniken entwickelt, die in keinem Lehrbuch stehen. Rasant näht er die Seitenteile der Matratze zusammen, ohne dass ein Faden zu sehen ist. Er beherrscht die Technik so gut, dass er mehrere Anläufe braucht, um zu zeigen, wie man es nicht macht.

Federkern, Schaumstoffe und Latex haben der Wolle längst den Rang abgelaufen. Früher hat ­Sebastià Bal·le vier Wollmatratzen am Tag genäht und verkauft, heute sind es etwa acht pro Monat, im Winter mehr als im Sommer. Leben kann er davon nicht mehr. Seine Familie betreibt ein Einrichtungsgeschäft und einen Laden für Kindermode. Dennoch will er nicht aufhören: „Ich mache Matratzen, bis mein Körper nicht mehr mitmacht. Es hält mich fit.“

Dass Schafwolle weniger nachgefragt wird, schmerzt ihn: „Oft schmeißen Bauern sie mangels Nachfrage einfach weg.“ Dabei habe eine Wollmatratze nur Vorteile. Sie passe sich der Jahreszeit an: „Im Sommer kühlt die Wolle, im Winter wärmt sie.“ Zudem speichere sie die Wärme bis zu 30 Minuten, Federkerne könnten das nicht. „Und sie saugt den Schweiß auf und lässt ihn wieder verdunsten.“ Kurzum, sie sei seine reina de los colchones - die Königin der Matratzen. Die aber auch gehätschelt sein will. Wollmatratzen sollten alle neun Monate von einem Fachmann wie ihm für 60 Euro kräftig durchgeknetet werden, damit sie sich nicht plattliegen. „Wenn eine Frau zum Friseur geht, ist das doch teurer“, sagt der Handwerker.

Irgendwann wird die Wollmatratze wiederentdeckt, da ist sich Sebastià Bal·le sicher. Doch dann könnte es zu spät sein: „In 20 Jahren ist unser Handwerk ausgestorben.“ Schon jetzt ist kein Nachfolger in Sicht. Seinen drei Söhnen hat er das Matratzenmachen noch beigebracht, ihr Geld verdienen sie aber in anderen Berufen.

In der Printausgabe vom 4. Februar (Nummer 509) lesen Sie außerdem:

- Orange ist nicht gleich Orange: Die Apfelsinen der Insel

- Kindermenü: Deutsche berufstätige Mütter auf Mallorca

- Rent a Ökogärtchen: Parzellen auf dem Biohof La Real

- Wellness für alle Sinne: Wo sich Energieströme kreuzen

- Schöne Dinge: Die Teppiche von Nani Marquina

Diese Artikel finden Sie auch hier.