Ende des 19. Jahrhunderts verabschiedete sich Spanien in der Karibik und auf den ­Philippinen endgültig vom Status einer Supermacht. Kuba war die letzte Kolonie in Amerika, wo das imperio noch einmal die Zähne zeigte. Verantwortlich für die gewaltige Anstrengung, die spanischen Besitzungen unter Kontrolle zu behalten - zeitweise kämpften rund 200.000 spanische Soldaten auf der Insel -, war ein Mallorquiner: General Valeriano Weyler. Er war zugleich einer der bemerkenswertesten, aber auch umstrittensten Strategen, die das Land je hervorgebracht hat.

Kuba war wegen einer sehr aktiven Unabhängigkeitsbewegung lange vor seiner Ankunft ein Hexenkessel. 1895 brach dort neuerlich ein Aufstand los, mit dem die militärische Führung nicht fertig wurde. General Weyler traf im Februar 1896 in Havanna ein. Seine Ernennung zum „Capitán General de Cuba“ war in ganz Spanien heftig bejubelt worden war. Weyler galt als unbeugsam, unbesiegbar. Bald stellte er unter Beweis, dass er auch kreativ war. Er hatte zuvor unter anderem in der heutigen Dominikanischen Republik und auf den Philippinen Erfahrungen in der Bekämpfung von Aufständischen gemacht.

Weyler war bei weitem nicht der einzige Mallorquiner in den fernen Kolonien. Nahezu 3.500 Soldaten vom Archipel kämpften auf den Philippinen und auf Kuba. Ein Fünftel fiel in den Kämpfen oder erlag Krankheiten. Die meisten waren Bauern oder Feldarbeiter, die sich vom Militärdienst nicht freikaufen konnten. Die Rückkehr der Überlebenden - viele traumatisiert oder invalide - stellte die Gesellschaft vor massive Probleme.

Der stramme Weyler hingegen galt als Spaniens Geheimwaffe gegen die Aufständischen. Der in Palma geborene Sohn eines Militärarztes aus Madrid hatte eine Blitzkarriere hinter sich und schien auch sonst vom Glück gesegnet: 33 Jahre zuvor war er als junger Offizier schon einmal in Kuba stationiert worden und hatte dort prompt in der Lotterie so viel Geld gewonnen, dass er sich in seiner Heimatstadt ein Haus kaufen konnte.

Weylers zweiter Einsatz in Kuba fiel weit weniger romantisch aus. Bereits auf der Überfahrt hatte er mit seinem Stab eine unorthodoxe Strategie ausgetüftelt. Die mambises genannten Rebellen führten einen Guerillakrieg, gegen den das spanische Heer mit herkömmlichen Methoden nichts ausrichten konnte. Und sie genossen die Unterstützung der Bevölkerung. Weylers Überlegung: Er musste sich die geografischen Eigenheiten der Insel zunutze machen.

Das tat er, indem er die lange und schmale Insel in Sektoren unterteilte und die Rebellengruppen allmählich in die Provinzen an beiden Enden drängte. Und er musste verhindern, dass die Bauern den mambises Informationen und Lebensmittel zutrugen, weshalb er die Strategie der reconcentración entwickelte: Die verstreut angesiedelte Landbevölkerung wurde gezwungen, in bewachte Wehr-dörfer zu ziehen. Und um die weiten Flächen unter Kontrolle zu halten, ließ Weyler ein Netzwerk sogenannter trochas bauen: befestigte Wehrtürme, in denen sich eine kleine Besatzung gegen Rebellenattacken verteidigen konnte, bis Verstärkung eintraf.

Unerbittlich zog Weyler seine Strategie durch, und schon wenige Monate nach seiner Ankunft hatte er weite Teile der Insel befriedet. Es gelang ihm sogar, einen der wichtigsten Mambí-Generäle im Gefecht auszuschalten: Antonio Maceo, der in ganz Lateinamerika als einer der Helden des Unabhängigkeitskampfes verehrt wird. Bis heute wird im Militärmuseum von Palma ein Souvenir aufbewahrt, das Weyler seinerzeit aus Kuba nach Mallorca schaffen ließ: der aus einem Baumstamm gehauene Kommandantensessel des Rebellengenerals. Beim Anblick dieses Stücks bekommen kubanische Besucher in aller Regel feuchte Augen.

Für Spanien ging somit zunächst alles gut. Doch allmählich begann die Brutalität Weylers gegen die Zivilbevölkerung ihren Tribut zu fordern, und die USA erhöhten ihren Druck, ja forderten sogar, den erfolgreichen General abzulösen. Die Boulevardpresse der US-Amerikaner, an ihrer Spitze die Massenblätter von Randolph Hearst, schossen sich auf den klein gewachsenen Mallorquiner ein.

Nach konservativen Schätzungen verloren im Unabhängigkeitskrieg 300.000 kubanische Zivilisten das Leben, andere Quellen sprechen gar von 750.000 bis einer Million Opfern. Wie viele man davon Weyler zur Last legen kann, ist ungewiss. Doch die aus der reconcentración resultierende Lebensmittelknappheit führte zu einer Hungersnot, die die Bevölkerung schwächte, womit auch Krankheiten grassierten. Historiker schätzen, dass im Lauf des Unabhängigkeitskriegs gut ein Drittel der kubanischen Landbevölkerung das Leben verlor.

Die USA nutzten die zunehmenden Probleme Spaniens und erhöhten den Druck. 1897, nur 20 Monate nach seiner Ankunft, wurde Weyler tatsächlich zurückberufen, und eine neue spanische Regierung versuchte eine „sanfte Befriedungspolitik“. Zu spät: Ein Jahr später erklärten die USA Spanien den Krieg und schnappten dem schwächelnden Reich die Philippinen, Guam, Costa Rica und Kuba weg. Vordergründig, um diesen Territorien die Unabhängigkeit, in Wahrheit, um den eigenen Einfluss zu sichern: Der amerikanische Militärstützpunkt Guantánamo auf Kuba ist die heute bekannteste materielle Folge dieser Episode.

Weyler hingegen wurde in ganz Spanien und vor allem auf Mallorca ein triumphaler Empfang bereitet - so verzeichnet es zumindest ein vom Rathaus Palma herausgegebener Band der Serie „Biografies de mallorquins“. Allerdings sah er sich zehn Jahre später neuerlich Zivilisten gegenüber: Die Zentralregierung schickte Weyler hastig nach Katalonien, wo er mit gewohnter Effizienz den Aufstand der Bevölkerung gegen eine Truppenrekrutierung für den Marokkokrieg niederschlug - die sogenannte „Tragische Woche“.

Weyler ging danach in die Politik, gründete auf Mallorca eine eigene Partei und war dreimal spanischer Kriegsminister. 1930 starb er 92-jährig in Madrid,

In der Printausgabe vom 15. April (Nummer 519) lesen Sie außerdem:

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