Ihre Kriminalromane und Erzählungen sind die weltweit meistverkauften Bücher nach der Bibel: Über zwei Milliarden Agatha-Christie-Bände sind laut Wikipedia im Umlauf. Damit gilt sie als erfolgreichste Kriminal­autorin der Welt. Diesen September wäre die Britin, die am 12. Januar 1976 an einem Schlaganfall starb, 120 Jahre alt geworden.

Nicht nur ihre Krimis, darunter „Mord im Orient-Express" oder „Tod auf dem Nil" sind voller Geheimnisse. Bis heute sind auch Teile ihrer Biografie ein Rätsel. Während sie als Schriftstellerin berufliche Erfolge feierte, verlief ihr Privatleben turbulent. 1914 heiratete Agatha Mary Clarissa Miller, wie sie mit bürgerlichem Namen hieß, Archibald Christie. 1919 wurde ihre Tochter Margaret Clarissa geboren. Aber die Ehe war nicht glücklich. Als sie von einem Seitensprung ihres Mannes erfuhr, kam es zu den berühmten eleven missing days. Am 3. Dezember 1926 verschwand Agatha Christie für elf Tage und löste damit eine groß angelegte Suchaktion aus. Die Vermisste wurde schließlich wohlbehalten im Spa des Hotels Hydropathic gefunden. Nur wenige Kilometer entfernt von dem Ort, an dem sie zuletzt gesehen wurde. Ihre Ehe wurde daraufhin geschieden. Und was in diesen Tagen geschah, blieb für immer ihr Geheimnis. Typisch für die Frau, die ihre Leser bis zur letzten Seite in ihren

Bann zog.

Auch typisch, dass niemand so genau weiß, wie oft sie eigentlich nach Mallorca kam. Die Insel, die zumindest in einer ihrer Erzählungen eine Rolle spielte. Man nimmt an, dass sie sich ab 1932 mehrmals hier aufgehalten hatte. Wo sie wohnte? Das weiß niemand so genau. Zwei Orte aber sind unbestritten: Pollença und Formentor.

Hier holte sie sich ihre Inspiration für die 1935 erschienene Erzählung „Problem at Pollensa Bay". Nicht um Verbrechen, sondern um Liebe geht es in dieser Geschichte: Detektiv Parker Pyne verhilft bei einem Mallorca-Urlaub einem jungen Paar zum Eheglück. Die ersten Eindrücke, die

Pyne nach seiner Ankunft in Palma hat, sind dabei desillusionierend. Alle Hotels in Hafennähe sind belegt, er findet nur noch ein winziges Zimmer ohne Ventilator im Zentrum. Woraufhin ihn der Hotelbesitzer fragt: „Was wollen sie? Palma ist in Mode gekommen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung." Vor allem Engländer und Amerikaner verbrachten damals, so die Erzählung, auf Mallorca den Winter. Alle Hotelzimmer waren belegt. Außer vielleicht in Formentor. Wo es schon damals so teuer war, dass selbst Ausländer zögerten. Mit einem ­Taxifahrer unterhält sich Pyne über die Vorteile und Möglichkeiten von Sóller, Alcúdia, Pollença und Formentor. Schließlich landet Parker Pyne im „Pin d´Or" in Port de Pollença. In einem Hotel, von dem er sofort wusste, „dass es genau der Ort war, den er gesucht hatte".

Aber von welchem Hotel ist die Rede? Noch heute streiten sich zwei Häuser um die Ehre, Parker Pyne beziehungsweise Agatha Christie beherbergt zu haben: Das „Illa d´Or" und das „Sis Pins" (das dieses Jahr in finanzielle Schwierigkeiten geriet und im Juni den Besitzer wechselte). Auf jeden Fall dürfte Agatha Christie auch einige Zeit in Pollença – womöglich in der Nähe der Stufen zur Kalvarienberg-­Kapelle – verbracht haben. Ihre Beschreibungen sind akribisch, es ist offensichtlich, dass sie die Gegend genau kannte.

Nach ihrem Tod wurde das Hotel Formentor, das sie einst als „Zentrum der Geldherrschaft" bezeichnet hatte, 1982 zum Drehort für die Verfilmung der eigentlich auf Kreta spielenden Agatha-Christie-Erzählung „Das Böse unter der Sonne". Hercule Poirot wurde darin von Peter Ustinov gespielt, und der hatte eine noch engere Beziehung zu Mallorca. Fast 40 Jahre lang, bis kurz vor seinem Tod, verbrachte er regelmäßig den Sommer auf der Insel. Zeitweise besaß er sogar ein Haus in Port d´Andratx, das er allerdings wieder verkaufte, um sich in eben jenem Hotel Formentor einzumieten. „Es war merkwürdig, an einem Ort zu arbeiten, den ich so gut kannte", sagte Ustinov einmal über die Dreharbeiten. Die Suite, in der er sich immer einquartierte, trägt noch heute seinen Namen. „Wenn ich die Luft dieser Küsten atme, fühle ich mich lebendig", pflegte Peter Ustinov zu sagen – eine Aussage, mit der er noch heute in bester Gesellschaft sein dürfte.

Auf Deutsch ist „Problem at Pollensa Bay" unter dem Titel „Paradies Pollensa" in dem Band „Die mörderische Teerunde" zusammen mit anderen Erzählungen von Agatha Christie erschienen (Fischer Taschenbuch, 7,95 Euro).

In der Printausgabe vom 30. September (Nummer 543) lesen Sie außerdem im Ressort Leben:

- Kindermenu: Auf dem Flohmarkt

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