Kurz vor der Ankunft beim Haupthaus der Finca Es Rafal gibt der sechs Kilometer lange Holperweg den Ausblick auf die Küste frei. Eine fantastische Fernsicht auf das Meer und den langgestreckten Klippenzug eröffnet sich. Es ist der Teil von Mallorcas Tramuntana-Gebirge, den auch schon ihr großer Erforscher und Liebhaber Erzherzog Ludwig Salvator im 19. Jahrhundert am beeindruckendsten fand. Und es ist ein Landstrich, um den heute ein erbitterter Streit zwischen den Eigentümern und der Gemeinde Ban­yalbufar sowie zahlreichen Vereinigungen tobt. Denn über die 57 Hek­tar große Finca verlaufen zwei wichtige Wege, früher Verbindungsstrecken zwischen den einzelnen Anwesen und deren Teilstücken sowie den dort gelegenen Dörfern. Heute könnten sie traumhafte Wanderwege sein – wenn sie nicht gesperrt wären.

Wie in Dutzende von ähnlichen Fällen in der Serra sind die Wege der Privatfinca für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Doch ist dieser Fall besonders brisant, weil es sich zum um einen Zugangsweg zu der öffentlichen Riesen-Finca Planícia (427 Hektar) handelt, die die Balearen-Regierung vor eineinhalb Jahren gekauft hat. Und es geht um ein direkt unterhalb des Haupthauses verlaufendes Teilstück (Camí des Rafal) des Fernwanderwegs GR 221 „La Ruta de Pedra en Sec".

In den vergangenen Wochen erreichte der bereits seit Jahren andauernde Konflikt einen neuen Höhepunkt, als zunächst die Kommune auf Grundlage eines neuen Gesetzes der Balearen-Regierung die Öffnung der Wege binnen 48 Stunden anordnete. Die Eigentümer hielten mit einer einstweiligen gerichtlichen Verfügung dagegen. Die Wege blieben zu.

Dann entlud sich die Empörung von hunderten Bürgern und Natur-und Wanderfreunden über die Vorgänge in einem Protestmarsch am 17. Oktober. An diesem Tag öffnete der Geschäftsführer, Stephen Benson, ausnahmsweise die Tore. Ansonsten aber will er weiterhin mit vollem Einsatz für den privaten Charakter der Wege kämpfen.

Dabei gehe es nicht nur ums Prinzip, sondern davon hänge auch die Existenz der Finca Es Rafal ab. Die Eigentümer-Firma Partero S. L. will aus dem Landgut ein zu vermietendes Paradies für Superreiche machen, die auf einer traditionell und ökologisch bewirtschafteten mallorquinischen possessió in absoluter Abgeschiedenheit ihren Urlaub verbringen wollen.

Die märchenhaften Ferien mit Nostalgie-Touch für die High Society sollen gleichzeitig den heutzutage eigentlich unrentablen landwirtschaftlichen Betrieb sichern. „Aber wer wird schon für 20.000 Euro die Woche ein Haus mieten, an dem die ganze Zeit Leute vorbeilaufen", sagt Stephen Benson. Wanderer vor der Haustür wären das Aus für den Edel-Ökourlaub. Superreiche wünschen ungestört zu sein und sorgen sich um ihre Sicherheit.

Unter der Ägide der alten Eigentümer, der Adelsfamilie Marqués de Campofranco, die von 1640 bis 1999 Es Rafal und bis in die 40er Jahre auch Planícia besaßen (Es Rafal war ein Teil der Nachbarfinca), waren die Wege auf dem Privat­gelände stets für jedermann geöffnet, auch wenn sie in alten, offiziellen Dokumenten als privat deklariert waren. Dieser lockere Umgang mit dem Wegerecht änderte sich mit dem Eigentümerwechsel. In einem Gerichtsurteil von 2006 bekam die Partero S.L., deren einziger Ak­tionär laut Grundbucheintrag Axel Dieter Ball, der deutsche Gründer des Hotels Residencia in Deià, ist, dies bestätigt und schloss daraufhin die beiden Wege mit Barrieren.

Für die Bürger Banyalbufars war das ein Schock. „Unsere Vorfahren gingen über die alten Wege aus dem Mittelalter zu den sieben großen Fincas bei Banyalbufar zum Arbeiten. Meine Großeltern zum Beispiel nach Planícia", erzählt Francesc Albertí, der Vorsitzende der lokalen Vereinigung Bany-al-Bahar (der arabische Name von Banyalbufar), die für die Öffnung der Wege kämpft. Gleichzeitig seien die heute als Wanderstrecken benutzten Wege bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Verbindungsstraßen von Banyalbufar nach Estellencs, Esporles und Puigpunyent gewesen. „Diese Wege waren die Lebensader des Dorfes", sagt Albertí. Auch heute sind die Wege auf der vergleichsweise kleinen, aber strategisch zentral gelegenen Finca, von wirtschaftlicher Bedeutung für Banyalbufar. „Wir leben hier doch alle vom Tourismus. Wenn wir die Schönheit unserer Landschaft nicht mehr zeigen können, ist das der Tod für die Gemeinde", sagt Bürgermeister Mateu Ferrà (UM).

In dem Streit um die Wege der Finca wuchern beide Seiten mit dem Pfund der Geschichte. Benson glaubt, mit seinem Einsatz für die historische Authentizität der Finca einen bedeutenden Beitrag für die Erhaltung des kulturellen Erbes Mallorcas zu leisten. Seit dem Kauf von Es Rafal Ende 1999 arbeiten Benson und seine Frau Blaze an der Sanierung der Finca nach ökologischen Prinzipien.

„Als wir hier ankamen, war alles verwildert und in Verwahrlosung begriffen. Das Haus verfiel, ausrangierte Kühlschränke und Autos lagen herum." Heute sind die Jahrhunderte alten Olivenhaine und Terrassenhänge vorbildlich gepflegt, die Finca produziert biologisches Olivenöl und Honig, baut biodynamisch Gemüse an, auf dem Gelände laufen Pferde, Schafe und Esel frei herum, und es leben viele geschützte Vogelarten dort. Derzeit wird das Haupthaus mit traditionellen und umweltfreundlichen Materialien saniert. „Es kostet uns zwei bis drei Millionen, das Haus zu restaurieren, und allein für die Instandhaltung sind jedes Jahr 100.000 bis 200.000 Euro fällig", sagt Benson.

Die Bürger Banyalbufars aber, die von einer Vielzahl von Vereinigungen und Institutionen auf Mallorca unterstützt werden, betrachten die Finca auch als ihr Erbe. „Es ist ein Teil der Identität unseres Dorfes", sagt Albertí. Denn die Wirtschaft Ban­yalbufars, diese lang gestreckte Ansiedlung von Häusern über den Klippen mit seinen 500 Einwohnern und den malerischen Terrassenhängen funktionierte über Jahrhunderte dank der sieben gro­ßen landwirtschaftlichen Anwesen darum herum. Bis zur Schließung der Wege pilgerten die Bewohner Banyalbufars jedes Jahr am vierten Sonntag in der Fastenzeit zu der auf Es Rafal gelegenen Quelle Font des Garbell zu einem Picknick (romería).

Albertí will auch nicht ganz glauben, dass die aktuellen Eigentümer von Es Rafal über die Wege-Problematik ihrer Finca vor dem Kauf nicht informiert waren. „Es gab vorher andere Interessenten, die die Finca nicht kauften, weil sie wussten, dass direkt vor dem Haus ein Weg vorbeiläuft."

Benson jedoch argumentiert, Anwälte hätten die Angelegenheit sehr wohl vorab überprüft. Der auf seinem Endstück vollkommen verlotterte Zugangsweg zu Planícia sei zudem bereits seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt worden, weil die früheren Eigentümer in den 50er Jahren eine andere Zugangsstraße gebaut hatten. Bensons Vorschlag, alternative Wege zu benutzen, ist mit Balearen-Regierung, Inselrat und der Gemeinde diskutiert, aber am Ende nicht umgesetzt worden.

Ein Detail in dem Dauerstreit ärgert Benson besonders. „Der Abschnitt, den Albertí und sein Verein für den GR 221 haben wollen und den sie immer als Camí Vell d´Estellencs bezeichnen, ist in Wirklichkeit nur eine Verbindung von Pfaden innerhalb der Finca. Der historisch echte Camí Vell d´Estellencs verläuft überhaupt nicht über Es Rafal, sondern viel weiter unterhalb."

Möglicherweise aber spielt das bald keine Rolle mehr. Denn mit einem neuen, vom Inselrat ausgearbeitetem Wegekatalog für die Gemeinde Banyalbufar sollen so gut wie alle über Es Rafal verlaufenden Wege öffentlich werden. „Damit ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wege geöffnet werden. In letzter Konsequenz können sie enteignet werden", sagt der Bürgermeister Mateu Ferrà.

In diesem Fall befürchtet Benson nicht nur Massen an Wanderern, sondern auch Radfahrer, Reiter und sogar Autofahrer auf seiner Finca, für die die Nutzung der Wege ebenfalls freigegeben werden soll. Er hat wie auch mehrere andere Finca-Eigentümer in der Kommune gegen die Pläne Einspruch erhoben.

„Auch die Behörden rücken die Fakten zurecht, wie es ihnen gerade passt", klagt Benson. So argumentiere etwa der Inselrat, dass der alte Weg nach Planícia öffentlich sein müsse, weil in einem Gerichtsurteil von 1948 die Rede davon ist, dass Außenstehende den Weg benutzt hätten. „In dem gleichen Urteil wird der Weg jedoch als privat bezeichnet."