Obwohl doch schon 331 Jahre alt, ist sie bester Gesundheit. Nur die Pflege, die man einer altehrwürdigen Dame zukommen lassen würde, die braucht sie schon.

Ihre Haut hat Falten bekommen; sie ist dem einen oder anderen Befall durch Pilze und Mikroorganismen zum Opfer gefallen; hier und da setzt Fäulnis ein. Es sind nur einige wenige und isolierte Stellen, aber sie bedürfen der Behandlung, damit sie sich nicht weiter ausbreiten. Auch ist die Haut ein wenig ausgetrocknet. Sie benötigt Cremes, die den natürlichen Feuchtigkeitsgehalt wiederherstellen und sie vor Wind und Wetter schützen.

Die Rede ist von der Dachtraufe an der Fassade des Rathauses von Palma. Es ist eine monumentale Holzskulptur, welche die Front des Gebäudes krönt und 3,60 Meter über den Bürgersteig ragt. Sie schützt nicht nur die ­Fassade mit ihren berühmten sieben Fenstern, sondern auch eine Bank, die von den Bürgern si no fos genannt wird (Wenn dem nicht so wäre … Eine Anspielung auf das Parkbankgeplauder spanischer Senioren: Wenn ich es nicht am Herzen hätte, würde ich … Anm.d.Red.).

Stadtarchitekt Frederic Climent wundert sich über den „relativ guten Zustand" des Dachvorsprungs. Das Holzkunstwerk ist jetzt im Rahmen der Anfang des Jahres begonnenen Sanierungsarbeiten an Dach und Dachboden begutachtet worden. Außen, zum Platz hin, sind diese Arbeiten schon weitgehend abgeschlossen, aber sowohl im Inneren des obersten Stockwerks mit der Rathausuhr als auch auf der anderen Seite des Gebäudes wird weiter saniert. Die Fachleute haben auch in dieser Hinsicht eine gute Nachricht zu vermelden: Das Dachgebälk, sagen sie, sei ziemlich gut erhalten.

Wobei, wie gesagt, die Dachtraufe hier und da gesäubert und restauriert werden muss, um die von holzfressenden Mikroorganismen verursachten Schäden zu beseitigen. Das entsprechende Restaurierungsprojekt ist bereits in Auftrag gegeben worden. Vorbereitet wird es von den Spezialisten der Firma Xicaranda, die sich bereits um Palmas Kathedrale La Seu verdient gemacht haben. Noch stehen diverse Gutachten und Genehmigungen aus, aber voraussichtlich werden sich die Kosten des laut Climent „minimalen Eingriffs" auf 50.000 bis 80.000 Euro belaufen.

Die schon von Erzherzog Ludwig Salvator in seinem Buch „Die Balearen in Wort und Bild" bewunderte Dachtraufe wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebaut und 1680 offiziell fertiggestellt. Sie ist das Werk des Bildhauers Gabriel Torres und des Schreiners Josep Vanrell. Neben seiner Arbeit am Rathaus ist von Gabriel Torres auch noch der Muttergottes-Rosenkranz-Altar in der Kirche von Sineu bekannt sowie zwei weitere Altare im Kloster de la Inmaculada Concepció, ebenfalls in Sineu.

Insgesamt sind es elf Querverstrebungen, die das Gebälk tragen. An den beiden Enden der Dachtraufe befinden sich jeweils Atlanten, also männliche Figuren, die sich dann mit den weiblichen Karyatiden abwechseln – woraus folgt, dass hoch über dem Platz insgesamt sechs männliche und fünf weibliche Figuren die Stellung halten. Sie alle haben individuelle Züge und wirken aus der Nähe ungemein realistisch. Die Atlanten zeichnen sich durch ihre dichten Schnurrbärte, die Karyatiden durch ihre üppigen Brüste aus. Das Geschlecht ist mit floralen Lendenschürzen bedeckt. An den Fußenden finden sich weitere Köpfe – bei den weiblichen Figuren mit einem runden, weichen Gesicht, bei den männlichen mit einer geradezu teuflischen Fratze. In den Zwischenräumen platzierten Torres und Vanrell noch andere Fabelfiguren, Faunen und Nymphen, sowie üppige Obstverzierungen.

Bei den Restaurierungs­arbeiten, den ersten seit Jahrzehnten, soll die Dachtraufe auch mit einem Laserstrahl abgescannt werden. In Zukunft könnten die Figuren dann millimetergenau kopiert werden. Bis es aber so weit ist, können sie nur vom Gerüst aus genauer betrachtet werden.

In der Printausgabe vom 28. April (Nummer 573) lesen Sie außerdem:

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