Profaner geht es kaum. In einer großen unansehnlichen Halle in einem mit Lastwagen vollgestellten Gewerbegebiet bei Palma steht ein riesiger Metallbehälter. Er sieht wie eine Mischung aus überdimensionierter Waschmaschine und Ufo aus. Wer kommt schon auf den Gedanken, dass in diesem klobigen Objekt Mallorcas berühmtestes Getränk, der „Hierbas Túnel" in den auffälligen grünen bauchigen Flaschen hergestellt wird! Genau das Gesöff, das einen geradezu mythischen Beiklang hat und bei dessen Anblick sich Insel-Neulinge erst einmal über die in der Flüssigkeit befindlichen dunklen Pflanzenreste wundern, bevor sie diese nach mehreren Gläsern nicht mehr wahrnehmen.

Herr des Riesen-Artefaktes ist José María „Pep" Natta March, der Chef-Geschmacksakrobat der Traditions-Firma, die es seit 1898 gibt. „Hier kommen die ­Säcke mit Kräutern hinein, 15 Tage werden sie in der Dreh-Trommel mit Alkohol abgeduscht", sagt der Aroma-Experte gut gelaunt und streichelt das Metallobjekt fast so zärtlich wie ein Baby. Der benötigte Alkohol lagert in rauen Mengen in dunklen Kammern unterhalb des asphaltierten Fabrik-Vorhofs.

Wenn alles durchweicht ist, wird aus der Roh-Flüssigkeit mittels eines chemischen Vorgangs das Endprodukt hergestellt, der „Hierbas" – 1,1 Millionen Flaschen im Jahr. Abfüll- und Etikettiermaschinen rattern fast unablässig, spezielle Erinnerungs-Sets werden von Mitarbeiterinnen mit bloßen Händen in Pappkartons gesteckt.

„Hierbas Túnel" gibt es in süßer, gemischter oder trockener Variante. Je trockener das Gebräu, desto höher ist der Alkoholgehalt. „Sieben ganz bestimmte Kräuter von der Insel müssen zwingend enthalten sein, damit wir von einem hierbas sprechen können", sagt Natta March, und lächelt so gelöst, dass man ihm abnimmt, hier in dieser Fabrik glücklich zu sein. „Kamille, Fenchel, Blätter vom Orangen- und Zitronenbaum, Melisse, Eisenkraut und Rosmarin." Zur Geschmacksoptimierung werden dann noch bis zu acht andere Kräuter beigemischt.

Das hochprozentige Gebräu erfreut sich nicht nur auf der Insel größter Beliebtheit, sondern vor allem auch in Deutschland. „Das ist unser wichtigster Markt in Europa", äußert der Aroma-Jongleur. „Dort wird der ´Hierbas Túnel´ von ´Underberg´ vertrieben." In anderen europäischen Ländern werde der hierbas lange nicht so stark nachgefragt. Die Schweizer seien zwar auch für den Kräutertrunk zu haben, aber längst nicht so wie die Deutschen. Und dann seien da noch die am Alkohol besonders interessierten Russen, die nach und nach als Käufer gewonnen werden sollen.

Um schwarze Zahlen zu schreiben, reicht es allerdings nicht aus, nur auf den hierbas zu setzen. In der Fabrik am Rande von Palma werden auch Wodka („Rushkinoff"), Rum, der sämige Kräuterlikör „Palo" und andere alkoholische Getränke gebrannt oder zumindest abgefüllt. Außerdem vertreibt man auf der Insel bekannte Weltmarken wie Bacardi oder Smirnoff.

Doch am wichtigsten ist das Kern-Business mit dem Likör. Damit es weiter läuft, denkt man sich permanent Gimmicks aus: So geht der Trunk etwa momentan nebst geschwungenem Glas im Karton über den Ladentisch. Oder es werden Cocktail-Rezepturen verbreitet: Mit Pfefferminzblättern und Ananassaft angereichert bekommt der an Hustensaft erinnernde Likör eine tropische Note. Und heißt dann stylisch „Túnel-Splash-Mix".