Erst tut´s weh, später macht´s Spaß. Die gut gemeinten Worte helfen in der ersten Pole-Dance-Stunde natürlich nicht weiter. An diesem Montagabend stehen sieben Frauen zwischen 19 und 39 Jahren neben ihrer silbern glänzenden Metallstange, die sorgfältig in Boden und Decke verankert ist. Trainerin Marketa Kratochvilova (31) beginnt mit dem Aufwärmprogramm: Zu Club-Musik dehnen wir Rücken, Beine und Arme an der Stange, es folgen Übungen für Bauch- und Rumpfmuskulatur auf der Matte.

Mehrmals die Woche werden im Pilatesraum im Fitnesscenter „Illes Dona Son Rapinya" acht Stangen aufgestellt. Dann ist das kleine Studio für Pole Dance reserviert. Der neue Trendsport findet auch in Spanien immer mehr Anhänger, in den USA und Japan steht schon jetzt in beinahe jedem Fitnessstudio eine Stange. „Weil Pole Dance nicht zwingend etwas mit verruchten Bars und Stripclubs in Rotlichtvierteln zu tun hat", sagt Marketa Kratochvilova, die auf Mallorca bisher in zwei Fitnesscentern Pole-Dance-Kurse anbietet. Im Fitnessclub und Tanzstudio ist die 50 Millimeter dicke Stange ein Sportgerät wie jedes andere auch. Das im Vergleich recht unauffällig daherkommt, es aber leider ziemlich in sich hat.

Nach dem Aufwärmtraining zieht Marketa Schuhe, Stulpen und Jacke aus. In ihren Stunden ist viel nackte Haut Pflicht. „Wir können uns dann besser halten – die Haut haftet", sagt die gebürtige Tschechin, die seit 13 Jahren auf Mallorca lebt und früher auch als Stangentänzerin aufgetreten ist. Während es in Madrid, Barcelona und Valencia schon mehrere Schulen gibt, ist sie bisher die einzige Pole-Dance-Instruktorin auf der Insel. Der Weltverband „World Pole Sport Federation" wirbt für die Zulassung zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro.

Eines vorweg: Wer an der Stange tanzen will, sollte nicht allzu zimperlich sein. Schmerzen, blaue Flecken, Schwielen, manchmal sogar kleine Hautabschürfungen gehören dazu. Wir machen die ersten Drehungen um die Stange. Ein Bein elegant in Kniehöhe eingehakt, den Oberkörper leicht nach hinten gebeugt und die Brust rausgestreckt wirbeln wir mehr oder weniger reibungslos um unser Sportgerät herum.

Nach einer fliegenden Umdrehung mit leicht angezogenen Füßen versuchen wir, möglichst elegant wieder auf einem Fuß zu landen. Die ersten Versuche erinnern an kindliche Turnübungen auf dem Spielplatz. Nach ein paar Probeläufen gelingt die Drehung schon eleganter, wie ein schneller Blick in den Spiegel zeigt.

Marketa dreht die Musik auf, einige Tänzerinnen legen ebenfalls zu. Lederhandschuhe, ­Stöckelschuhe und kniehohe Stiefel werden aus den Sporttaschen geholt und angezogen. Die Neulinge im Kurs stöhnen stattdessen und verziehen das Gesicht bei dem Versuch, die Stange zwischen die Beine zu nehmen und die Arme seitlich auszustrecken.

„Keine Sorge, nach ein paar Wochen regelmäßigen Trainings stellen sich sichtbare Erfolge ein", sagt Marketa. Sie trainiert in ihren Klassen von Montag bis Samstag rund 100 Frauen. Und es werden wöchentlich mehr. Einige Schülerinnen haben sogar eine Stange zum Üben bei sich zu Hause installiert (Kosten rund 300 Euro).

Die Kunst beim Pole Dance heißt, alles ganz leicht aussehen zu lassen. Dafür benötigt man Flexibilität und Kraft gleichzeitig. An der Stange sind alle Muskeln angespannt. Die ersten Stunden gehen denn auch ziemlich auf die Handgelenke und Oberarme. „Die Bauchmuskelschmerzen einen Tag später sind jedes Mal der Hammer", sagt Sandra, die seit einem halben Jahr bei Marketa trainiert und kein besseres Ganzkörpertraining kennt. Generell wird vor allem der Oberkörper und der Beckenbereich durch den Stangentanz gestärkt, weil damit zeitweise das gesamte Körpergewicht aufgefangen werden muss.

Es gibt mehr als 500 Figuren, die an der Stange praktiziert werden. Rolle rückwärts, Spagat und Kopfüber-Positionen gehören zu den Profi-Stellungen. Als Hilfsmittel gibt es je nach Variante und Interpretation auch Schlaufen, die es scheinbar ermöglichen, seitlich auf der Stange zu stehen.

Marketa winkt ihren Schülerinnen vom oberen Ende ihrer Stange lächelnd zu. Die geübten Tänzerinnen machen es ihr nach, laufen elegant wie Akrobaten und sicher wie Äffchen an ihrer Stange hoch. Nur die Neuen bleiben mit beiden Beinen auf dem Boden. Sichtlich erschöpft hängen sie sich locker an die Stange und baumeln die Körper noch ein wenig aus.

Ob man sich nach solch einer Probestunde für der Tanz an der Stange begeistert oder nicht, das kommt drauf an – spricht Marketa aus Erfahrung. Mit dem Alter und der Beweglichkeit hat das nur bedingt zu tun. „Fitness und ein wenig Show: Wer diese Kombination mag, kommt wieder", so Marketa.

Pole-Dance-Kurse: Unterricht ab 5 Euro/Stunde (Monatskarte), Probestunde gratis. Illes Centro Dona, C/. Galícia, 2, Palma. Elite Fitness Club, C/. Joan Miró, 334, Cala Major. Tage und Uhrzeiten unter Tel.: 619-53 59 69 und www.poledancemallorca.com

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 16. Februar (Nummer 615) lesen Sie außerdem:

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