Für die Menschen aus Sóller und Umgebung muss es eine Art Wunder gewesen sein: Plötzlich, man schrieb das Jahr 1912, war es möglich, aus dem toten Winkel der Insel schnell in das nur knapp 30 Kilometer südlich gelegene Palma zu gelangen, ohne auf unbequemen Eselskarren mit Ach und Krach hohe Berge überqueren zu müssen, um irgendwann, mit Pech erst am nächsten Tag, in der Inselhauptstadt anzukommen.

Man stieg nach dem 16. April – dem Tag der feierlichen Eröffnung – einfach in diese wunderbar modern glänzenden Holzwaggons, und eine bärenstarke Schmalspur-Dampflok zog dieselben mit etwa 30 Stundenkilometern gemächlich, aber stetig über hohe und wohlgeformte Brücken und durch 13 mühevoll in die Felsen des Tramuntana-Gebirges getriebene Tunnel, von denen einer sogar fast drei Kilometer lang ist.

In der ersten Klasse gab´s weiche Sessel. Man wurde von bemützten und mit kleinen Trompeten ausgestatteten Schaffnern betreut, die auf den Dorf-Bahnhöfen mit Hilfe von noch so einer Neuerung – Telefonen – Kontakt zu Kollegen aufnahmen. Auch dass man im Bahnhofs-Restaurant des Orangen-Orts unter Lüstern von Kellnern im Frack bedient wurde, wird in der Region hinter den sieben Bergen für viel Staunen gesorgt haben.

Wobei dieses Wunderwerk der Technik natürlich nicht in fünf Jahren für viel Geld in die Felsen gehauen worden war, um den ­sollerics die Sprache zu verschlagen. Vielmehr ging es den privaten Initiatoren darum, die verderblichen landwirtschaftlichen Produkte aus dem Tal so schnell und günstig wie möglich nach Palma zu schaffen.

Und überhaupt: Eine Eisenbahn war einfach toll, man wollte schließlich mit der Modernisierung mithalten. Es war eine Zeit, in der technischer Fortschritt noch als „kolossal" empfunden wurde. Dass einen Tag vor der Strecken-Eröffnung auf Mallorca die ­„Titanic" mit Mann und Maus im eiskalten Nordatlantik unterging, sorgte zwar für Bestürzung, erschütterte aber den Fortschrittsglauben nicht im Geringsten. Erst recht nicht auf der – verglichen mit Kontinental-Europa – zurückgebliebenen Bauern- und Esel-Insel Mallorca. Was neu war, war gut.

Und so blieb denn auch die Sóller-Bahn jahrelang der letzte Schrei auf der Insel. Sie wurde gehegt und gepflegt, erst recht nach der Elektrifizierung durch die deutsche Firma Siemens-Schuckert im ­Juli 1929. Die Bedeutung des Zugs für die Landwirtschaft geriet allerdings mit der Motorisierung auf den Straßen nach und nach ins Hintertreffen. Immer interessanter als Einnahmequelle wurden dafür die Reisenden, die das ­Gebirgsabenteuer in dem Insel-Zug von Beginn an zu schätzen wussten. Der Stolz auf das ­Erlebnis brachte es auch mit sich, dass die Tickets früher liebevoll in bunt bebilderte „scrapbooks" geklebt wurden.

Im Laufe der Jahrzehnte wurden die Urlauber bekanntlich immer mehr, und mit ihnen stieg auch die entsprechende Nachfrage nach Erlebnis, Flair und Nostalgie. Wo anders konnte man diese perfekte Kombination aus spektakulären Ausblicken in tiefe Täler und faszinierender alter Technik genießen?

Der Sóller-Zug wurde deswegen nicht rüde abgewrackt oder etwa durch seelenlose Schienenbusse ersetzt, sondern sieht heute noch genauso aus wie früher, nur dass die knarrenden Holzbänke nicht mehr für modern, sondern für beglückend urig gehalten werden.

Ausflug und Ausstellung

Der Bahnhof in Palma befindet sich direkt an der Plaça d´Espanya in der C/. Eusebio Estada, 1. Die Hin- und Rückfahrt nach Sóller kostet 17 Euro. Kinder bis drei fahren gratis, Kinder von drei bis sieben zahlen die Hälfte. Weitere Infos unter: www.trendesoller.com.

Noch bis zum 6. Mai ist im Museum Can Prunera (C/. Lluna, 90) in Sóller eine Ausstellung zur Geschichte des Zuges anlässlich des 100-jährigen Jubiläums zu sehen.