Lässt sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer tatsächlich in einem uralten Rolls Royce über die Insel kutschieren? Das kann ja wohl nicht wahr sein! Und doch beschleichen so einige der Radfahrer, die sich an diesem Donnerstag­vormittag die drei Kilometer lange Serpentinenstraße zur Kloster­anlage Bonany bei Vilafranca ­hinaufgequält haben, beim Anblick des knapp 80 Jahre alten Phantom II, auf dessen vorderem Kotflügel die blau-weiße Staatsflagge thront, ernsthafte Bedenken.

Der Bayern-Wimpel ist natürlich nur ein Gag, ein kleiner Tribut an die Heimat von Ewald Rehberger, dem der Rolls gehört. Rehberger ist in Sachen alte Autos eine Institution. Seit knapp fünf Jahrzehnten restauriert sein Betrieb in Süddeutschland die schönsten und teuersten Oldtimer der Welt. Vor drei Jahren kam Rehberger auf die Insel, um hier einen mobilen Oldtimer-Reparatur- und Wartungsservice anzubieten.

Der Rolls Royce, dessen volle Modellbezeichnung Saloon Continental lautet, gehört zu Rehbergers kleiner, feiner Privatsammlung. "Ich habe den Wagen 1991 in Neuseeland auf einer Aktion bei Christie´s ersteigert", sagt er. Nicht so zum Spaß, versteht sich, dafür ist der 69-jährige Bayer einfach ein zu gerissener Hase im internationalen Oldtimer-Geschäft. "Das Auto ist ein echtes Einzelstück, der Zustand war original. Da musste ich zuschlagen", erklärt Rehberger.

Und auch die Historie der Luxus-Karosse, dessen aktueller Marktwert bei etwa einer Viertelmillion Euro liegen dürfte, ist nicht ohne. 1934 wurde der Rolls Royce an einen englischen Unternehmer ausgeliefert. Rehberger nimmt jedoch an, dass es sich bei dem Käufer um einen Mittelsmann handelte, der den Wagen im Auftrag der königlichen Familie erwarb.

Untrügliche Zeichen dafür, dass der Phantom noch bis zu seinem Umzug nach Neuseeland Anfang der 1950er Jahre Teil des Fuhrparks im Buckingham Palace war, sind für Rehberger zwei höchst verdächtige Sonderausstattungen: die erhöhten Sitzpolster im Fond, die es der klein gewachsenen Queen Mum überhaupt ermöglicht haben sollen, bei ihren Ausfahrten aus dem Fenster zu gucken, sowie ein unterhalb des Kühlers angebrachter gelber Signalscheinwerfer. "Der wurde vom Werk nur für Staatslimousinen eingebaut, um bei Paraden die uneingeschränkte Vorfahrt anzuzeigen."

Doch steigen wir erst einmal ein. Als splendid isolation, also "glanzvolles Alleinsein" betrachten viele Briten noch heute ihre Insellage, die sie vom europäischen Festland trennt. Ein ähnliches Gefühl beschleicht einen, wenn man die Fondtür des Rolls Royce zuschlägt. Den Rest der Welt hat man draußen gelassen, drinnen riecht alles nach British Empire. Und es prunkt wie im Buckingham Palace.

Chauffeur Rehberger hat bei dem Ausflug über die Insel allerdings kaum Zeit, sich an dem Anblick des rundum mit Walnusswurzelholz verkleideten Innenraums zu weiden. Die Steuerung des rechts gelenkten Phantom, der sich im heutigen Straßenverkehr dank seiner Länge von knapp 6,60 Metern, einem Leergewicht von 2,8 Tonnen und dem unsynchronisierten Viergang-Schaltgetriebe so graziös wie ein Vorkriegslaster verhält, erfordert neben voller Konzentration auch jede Menge Muckis.

Ein Rolls Royce fährt übrigens nicht, sondern er waftet. Damit ist im Englischen jenes leichtfüßig-entspannte Gleiten gemeint, das man sonst nur auf besseren Motoryachten erlebt. Irgendwo vor uns, auf der chromglänzenden Kühlermaske in Form eines griechischen Tempels thront Emily, das Wahrzeichen der britischen Nobelschmiede. Sie ist das schlüpfrige Abbild von Lady Eleanor Velasco Thornton, die sich einst im wehenden Nachthemd als silberne Kühlerfigur verewigen ließ.

Hinter Emilys Hintern waftet es sich dank des sechszylindrigen Langhubers unter der scheinbar unendlichen Motorhaube ganz vorzüglich. Queen Mum dürfte es 1934 auch egal gewesen sein, dass der 7,7 Liter große Sechszylinder zwischen 35 und 40 Liter Super verbrauchte. Auf Mallorca wird Rehberger den Rolls Royce daher in Zukunft wohl eher für gelegentliche Ausfahrten nutzen.

Wer selbst einmal die uneingeschränkte Aufmerksamkeit beim Waften über die Insel genießen möchte, kann das imposante Gefährt auch für Hochzeiten oder andere Events mieten. Ein Angebot, das, so Rehberger, selbstverständlich auch für Herrn Seehofer gilt.

www.oldtimer-rehberger.de

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