Und dann ist er plötzlich da, der magische Moment. Auf ihn haben Steuermann und Vorschoter bereits sehnsüchtig gewartet. Hart am Wind gesegelt, hebt sich eine der Kufen langsam aus dem Wasser. Zentimeter für Zentimeter. Im Trapez hängend muss sich der Steuermann jetzt immer weiter über die Luvkante hinauslegen, um ein Kentern zu vermeiden, darf das Segel dabei aber keinesfalls zu sehr fieren, um nicht wieder auf die Wasseroberfläche zurückzuplumpsen. Das Tauziehen mit den Naturgewalten hat begonnen.

„Katamaran-Segeln ist einfach atemberaubend", sagt Oliver Ochse, Stationsleiter und Trainer in der deutschen Segel- und Surfschule „Surf&Sail" in Port de Pollença. Hier unterrichtet der blonde Deutsche schon seit vielen Jahren Anfänger und Fortgeschrittene im Umgang mit Beach-Katamaranen. Geschult wird auf neuen Hobie 16 -­ Modellen. „Die Rumpfform ermöglicht ein Kentern nach allen vier Seiten", erklärt Ochse. Und das Kentern mache den Reiz erst aus. „Zwar gelten Katamarane als besonders stabil, da sie breiter sind und zwei Rümpfe haben. Doch genauso wie Jollen fehlt ihnen ein hohes Kielgewicht. Und da wird die Sache kippelig."

Darüber, wer der Erfinder der flinken Wellenreiter ist, streiten sich die Gelehrten nach wie vor. Es wird jedoch angenommen, dass polynesische Fischer als Erste auf die Idee kamen, zwei ausgehöhlte Baumstämme mit Querstreben zu schnellen Doppelkanus umzubauen. Das Wort „Katamaran" indes geht auf den indischen Begriff „kattu maram" zurück, der „zusammengebundene Baumstämme" bedeutet.

Ein englischer Seefahrer ließ Mitte des 18. Jahrhunderts den ersten Katamaran in Europa bauen. Das etwa 16 Meter lange Boot gewann auf Anhieb die erste Regatta, was wiederum zur Folge hatte, das es daraufhin an keinem anderen Rennen mehr teilnehmen durfte.

Geistiger Vater der Strand-Katamarane, wie man sie heute weltweit kennt, ist der US-Amerikaner Hobart Alter. Sein Spitzname: „Hobie". Er baute in Kalifornien bereits in den 50er Jahren Surfbretter aus Kunstoffschaum und glasfaserverstärktem Kunststoff. 1968 konstruierte Hobart Alter aus zwei bananenförmigen Rümpfen, die mit einem Trapeznetz verbunden waren, ein viereinhalb Meter langes Segelboot und nannte es „Hobie 14". Der Beach-Katamaran mit kleiner Fock und einem Großsegel wurde dank seiner Manövrierfähigkeit und des geringen Kaufpreises, der anfangs bei unter 1.000 Dollar lag, in den USA zum Publikumsrenner. „Die perfekte Mischung aus Ferienstimmung und Segelsport" titelte 1970 das „Life"-Magazin. Ein Jahr später übernahm die US-Werfttochter „Coast Catamaran France" an der französischen Atlantikküste den Vertrieb für den Strand-Katamaran in Europa. Und der Mythos ­„Hobie Cat" war geboren.

Eine Mär hingegen ist, dass das Kat-Segeln nur etwas für ausgebuffte Profis sei. „Segelgrund­kenntnisse sind natürlich erforderlich. Ansonsten ist Kat-Segeln kinderleicht", sagt Ochse, der bei „Sail&Surf" bereits zehnjährige Knirpse auf Mini-Hobies schult.

Aufgrund seiner beiden Rümpfe ist ein Katamaran im Vergleich zu einer Jolle auf dem Wasser leichter und kommt schneller ins Gleiten. Es gibt auf ihm generell nur zwei Geschwindigkeiten: schnell und zu schnell. Etwas gewöhnungs­bedürftig ist auch die Tatsache, dass die beiden Kufen die Halse- und Wendemanöver im Vergleich zu einer Jolle zum Teil stark verzögern. Kommt der Kat dabei kurz in den Stillstand und wird dann bei dichtgeholter Schot angeluvt, ist die Kenter-Gefahr ebenfalls sehr hoch.

Doch, wie gesagt: Kentern gehört beim Kat-Segeln ja dazu. Aus diesem Grund stehen Kenter­manöver bei Ochse bereits am ersten Trainingstag auf dem Programm. Anschließend wird das Segeln im Trapez geübt. „Das ist überhaupt erst die Voraussetzung dafür, um den magischen Moment, das Anheben einer der Kufen, zu erreichen", so Ochse.

Der Katamaran wird beim ­„Abheben" übrigens nicht, wie von Anfängern fälschlicherweise angenomen, schneller. Das Gegenteil ist der Fall. „Wenn sich das Boot auf die Seite neigt, sinkt automatisch auch der Druck auf die Segel. ­Irren Spaß macht es natürlich trotzdem", versichert Ochse.

Dass die Bucht von Pollença sowohl unter einheimischen als auch ausländischen Kat-Segler als eines der beliebtesten Reviere gilt, steht für den Deutschen außer Zweifel. „Die vorherrschenden thermischen Winde und ein geringer Wellengang machen diese Bucht zu einer echten Autobahn auf dem Wasser."

Sowohl Ochse als auch andere Segellehrer auf Mallorca hoffen, dass die anhaltende Begeisterung für das Katsegeln in den kommenden Jahren weiter wächst. Ein Grund dafür könnte die Wiedereinführung dieser Bootsklasse bei den Olympischen Spielen sein. Bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro soll es soweit sein. Dann wird das Katamaran-Segel übrigens erstmals als mixed class, also von jeweils einer Frau und einem Mann gesegelt.

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