Vor genau 100 Jahren wurde zum ersten Mal ein deutsches Industrie­unternehmen zum Lieferanten eines mallorquinischen Eisenbahnbetriebs. Und erst vor einem Jahr lieferte Vossloh jene „Trentram"-Züge, die zwischen Manacor und Artà verkehren sollen (sofern es jemals dazu kommt). Ein deutscher ­Geschichts-Fan mit Wohnsitz Inca, der unter dem Pseudonym „Galerie Bilderbalken" agiert, hat nun aufgearbeitet, welche Rolle deutsche Firmen für die Inselbahnen gespielt haben. Einen Tag lang wird das Ergebnis seiner Arbeit im Zuge einer Mini-Ausstellung bei der Mega-Messe Dijous Bo (15.11.) beim Bahnhof Inca zu sehen sein.

Auf den Dreh, Geschichte in Bildern und Modellen darzustellen, kam der 60-jährige Bilder­balken-Galerist, als er für Jugendliche in Berlin und später als Vorbereitung für Gruppenreisen seiner eigenen Agentur Material sichtete. Er hat auch schon eine Ausstellung mit dem Titel „Die Geschichte Deutschlands anhand von Modellen" organisiert.

Und wenn man Modellbau liebt, ist Eisenbahn natürlich ein dankbares Thema. Zumal deutsche Technik ein Jahrhundert lang den Schienenverkehr auf der Insel mitgeprägt hat. Den Auftakt machte die Berliner Firma Orenstein & Koppel, die 1912 über eine

Filiale in Madrid 22 Schmalspurgüterwaggons an die frisch eröffnete Sóller-Bahn lieferte.

1921 verkaufte dieselbe Firma eine kleine Dampflok an „Ferrocarril de Mallorca". Das 90 PS-Schmalspur-Schnauferchen zog Güterwaggons quer durch die Innenstadt von Palma, nämlich vom Bahnhof bis zum Hafen. 1946 war die Lok aus Alemania am Ausbau des Hafens von Porto Pi beteiligt - auf einer eigens angelegten Strecke brachte sie Schutt vom Steinbruch in Genova zur Baustelle.

Dann kam Krupp ins Spiel: 1926 lieferte der Industriegigant sechs Schmalspurlokomotiven nach Mallorca, von denen die letzten noch bis 1964 im Einsatz waren. Auch Schienen lieferte das Unternehmen.

Wann immer es elektrisch wurde, waren deutsche Firmen ebenfalls im Spiel. Zum Beispiel 1916, als die Straßenbahn von Palma von Pferde- und Maultierbetrieb auf Strom umstellte: Siemens & ­Schuckert sorgte dafür, dass es summte.

Dieselbe Firma war 1929 gemeinsam mit AEG an der Umrüstung der Sóller-Bahn auf Elektrobetrieb beteiligt. Die beiden renommierten Unternehmen zeichneten praktisch für die gesamte technische Ausstattung verantwortlich, von den Motoren der Triebwagen bis zu den Installationen an der Strecke. Allerdings gab es Kommunikationsprobleme - nicht zwischen Mallorquinern und Deutschen, sondern zwischen den beiden Zulieferern: Die Fahrleitung war anders geschaltet als die Elektro­lok, und die Züge rollten erst nach umfangreichen Umbauten. Aber seither, und bis heute, ohne Mucken.

Eine kurvenreiche Geschichte haben die 1956 von Ferrostaal in Essen nach Mallorca gelieferten „Schienenbusse". Einige der gemeinsam mit MAN produzierten Triebwagen, die mit Lkw-Motoren ausgestattet waren, blieben bis in die 90er Jahre im Einsatz. Sie dienten sogar als Grundlage für eine größere Zahl ähnlicher Triebwagen, die von MAN ab 1966 aufs spanische Festland geliefert wurden, von denen wiederum einige auf Mallorca landeten.

Die Züge standen nach ihrer Ausmusterung noch jahrelang auf Abstellgleisen herum. Erst im vergangenen Sommer wurden die letzten verbliebenen Triebwagen nach Argentinien verscherbelt. Mallorquinischen Eisenbahn-Fans zufolge befanden sich die Garnituren in einem beklagenswerten Zustand und wurden von den Südamerikanern wieder in Schuss gebracht. Heute zuckelt ein Teil des deutsch-mallorquinischen Eisenbahn-Erbes durch die Pampa.

Die „Galerie Bilderbalken" hat noch andere Namen deutscher Unternehmen auf mallorquinischen Schienen geortet. Und auf Schienen selbst: Bei Inca entdeckte der Technikgeschichte-Enthusiast alte Krupp-Schienen, die heute als Verstärkung von Strommasten dienen. Kupplungen von Scharfenberg, Getriebe von Voith, Scheinwerfer von Bosch und Hella, eine Diesellok von Deutz und eine Bauzug-Lokomotive von Ruhrtaler ergänzen das Panorama.

Als Kuriosität ist das vor dem Bürgerkrieg angeleierte Projekt einer Seilbahn auf den Puig Major erwähnt, die von dem Leipziger Unternehmen Bleichert mit elektrischer Ausrüstung von Siemens & Schuckert gebaut werden sollte. Über das bis heute sichtbare zementierte Fundament der Tal­station kam die Idee nie hinaus.

Ebenfalls unverwirklicht blieb die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelte Idee, eine Güterbahn von der Inselmitte nach Alcúdia zu bauen, um Kohle aus den Bergwerken von Lloseta direkt ins Kraftwerk zu befördern.

Auf Tatsachen scheint hingegen eine Entdeckung auf der Nachbarinsel Ibiza zu beruhen: In einer Ausstellung über die Geschichte der Salinen entdeckte der Bilderbalken-Galerist das Foto einer deutschen Schmalspur-Diesellok, die angeblich aus England angeliefert und beim Salzabbau eingesetzt worden sei. Nach anfänglicher Skepsis entdeckte der Hobby-Forscher, dass die Engländer bei der Räumung der Nordsee-Insel Helgoland mehrere Schmalspurloks einer Militärbahn konfiszierten. Womit nicht auszuschließen ist, dass eine dieser Wehrmacht-Loks später in den ibizenkischen Salinen herumgerumpelt ist.

Überhaupt - weiß der Bilderbalken-Galerist - stellt sich die Geschichte des Schienenverkehrs auf den Inseln weit facettenreicher dar, als man annehmen möchte. So verkehrte im Hafen von Sóller neben der Straßenbahn ein Mini-Zug, der keine Passagiere beförderte, sondern einzig und allein dafür gedacht war, die Torpedos von U-Booten, die im Marine­hafen lagen, in die rund um die Bucht verstreuten Werkstätten zu bringen. Sogar am fernen Cap Blanc, dem Südzipfel Mallorcas, wurde er fündig - dort wurde für kurze Zeit eine Pionierbahn gebaut, um riesige Küstengeschütze in ihre Stellungen zu transportieren.

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