Es herrscht Stromausfall. Den Rollladen eines Ladenlokals in der Avinguda Sant Ferrán in Palmas Stadtteil Es Fortí muss man deshalb von Hand hochschieben. Aber auch, wenn die Stromversorgung funktioniert, brennt dahinter schon lange kein Licht mehr. Einst waren in dem Gebäude, das wie ein gewöhnliches Wohnhaus wirkt, die Büros sowie Labor und Archiv des Fotogeschäfts „Casa Planas" untergebracht. Seitdem im Jahr 2000 der letzte von ehemals 15 Läden dieser Kette auf Mallorca für immer geschlossen hat, liegen die Räume im Dornröschenschlaf. Längst hat sich über das Erbe des hochbetagten Fotografen Josep Planas i ­Montanyà eine dicke Staubschicht gelegt. Es war er, der 1947 die erste „Casa Planas"-Filiale in der Carrer Colon in der Altstadt eröffnete.

Leidenschaft wie der Großvater

Aufgewirbelt wird sie nur gelegentlich von seiner Enkelin Marina Planas, die vom Großvater die Leidenschaft für Bilder und Fotografie geerbt hat - aber nur erahnen kann, welcher Schatz eigentlich in dem Haus mit der Nummer 21 schlummert. „Ich habe noch keinen Überblick, was es hier alles gibt", sagt die 31-Jährige, während sie mit der Handy-Taschenlampe durch das ehemalige Büro des Opas streift. Neben Filterkaffeemaschine und einer alten „El País"-Ausgabe stechen dort sofort einige antike Fotoapparate ins Auge.

„Dieses Hasselblad-Modell war schon auf dem Mond", erwähnt Marina Planas fast beiläufig. Daneben steht eine alte Rolleiflex, hinten im Regal stapeln sich Leicas, Pola­roids und russische Feds, in einer Vitrine sind ein Skioptikon, auch laterna magica genannt, und antike Stereokameras mit zwei Gucklöchern und Gehäusen aus Holz angeordnet. „Es müssen Hunderte, nein Tausende Apparate sein", sagt Marina Planas.

Er brachte Postkarten und Farbfotografie auf die Insel

Doch Josep Planas war nicht nur ein Sammler mit einem Faible für Kameras und Projektoren. Der frühere spanische Meister im Dreisprung, der bei Sportwettkämpfen seine Leidenschaft fürs Fotografieren entdeckte, hat einst auch die Postkarte sowie die Farbfotografie auf die Insel gebracht. In seinem Archiv lagern Tausende alte Ansichtskarten in Schwarz-Weiß und, in Hunderten Schachteln, teils nach Aufnahmeort und Jahr sortiert, teils wild durcheinander, auch die Negative dazu - die anfangs noch mittels des Daguerreotypie-Verfahrens auf silbrige Platten, und nicht auf Filmstreifen abgelichtet wurden.

Die Motive reichen von feinen Damen vor dem Almudaina-Palast über unberührte Buchten und Dorflandschaften bis zur noch vollkommen unbebauten Playa de Palma im Jahr 1950. Später hielt Josep Planas die ersten Auswüchse des Massentourismus - bereits dicht besiedelte Stränden und Hotelblocks in Arenal oder Ferienanlagen in Cala Ratjada - mit der Kamera fest. Bald schon folgten Aufnahmen von den Nachbarinseln Menorca und Ibiza sowie die ersten Luftbilder Mallorcas. „Mein Großvater war der erste auf der Insel, der einen Hubschrauber besaß, noch vor der Guardia Civil", erzählt Marina Planas.

Promis immer im Blick

Abgedrückt hat Josep Planas außerdem immer, wenn Prominenz auf der Insel war: Politiker, die Königsfamilie, Bühnenstars - der Paparazzo erwischte sie fast alle, und ließ wenn möglich auch gleich noch ein Foto von sich selbst an deren Seite schießen. Er knipste Charlie Chaplin und Franco, Gustav Fröhlich, den Hauptdarsteller aus dem legendären Stummfilm Metropolis, und die schöne Joan Fontaine, die er vor dem Formentor-Leuchtturm fotografiert hat. Danach soll ihn die Schauspielerin in seinem Laden in Palma besucht haben. Dass er mit ihr später sogar eine Affäre angefangen haben soll, wurde stets totgeschwiegen - „aus Rücksicht auf meine Großmutter", sagt Marina Planas.

Zum Privatarchiv des Postkarten-­Pioniers zählen auch Zeitschriften, vor allem für Fotografie und Designs, die meterlang die Regalreihen füllen. Aufgehoben hat der Sammler - heute würde man ihm vermutlich ein ausgewachsenes Messi-Syndrom attestieren - zudem die einst bei Casa ­Planas entstandenen Hotel-Flyer der ersten Generation sowie andere, längst vergilbte Werbeprospekte aus der Tourismusbranche. Daneben finden sich stapel­weise alte Zeitungsausschnitte, alte Poster - und altes Fotozubehör: Filmrollen, Kamera­taschen aus Leder, Apotheker-Fläschchen mit Tinte: „Damit wurden die ersten Farbfotos eingefärbt", erklärt Marina Planas und schüttelt eines davon. Der Inhalt sei natürlich nicht mehr zu gebrauchen „Aber die Behälter sind hübsch."

Das schlechte Gewissen quält

Die junge Frau, die Audiovisuelle Kommunikation studiert und in den USA einen Master in Visueller Kunst gemacht hat, scheint mit der Ansammlung an wahrlich geschichtsträchtigem Material vermischt mit einem Haufen Krempel überfordert. „Hier müsste erst einmal ein Putztrupp eine Woche lang sauber­machen", sagt sie - und man hört ihren Worten deutlich an, dass sie das schlechte Gewissen quält. Doch außer ihr und einer Cousine, die Fotografie studiert hat, würde sich keiner in der Familie so recht für die Hinterlassenschaften des Opas interessieren. „Und ich habe neben meinem Job einfach nicht die Zeit, das hier alles zu sortieren."

Um all die Schätze noch retten zu können, muss bald etwas geschehen. Was das sein könnte, weiß Marina Planas schon genau. Denn den Traum, all die Sammlerstücke in einem Museum auszustellen, hegt nicht nur Josep Planas seit vielen Jahren, sondern auch seine Enkelin. Im Gegensatz zu anderen Angehörigen, denen ein Museum zum Andenken an den großen Fotografen ausreichen würde, will Marina Planas ein „Museo de la Imagen" für Mallorca, ein Museum für Bilder, Fotografie, Kino. Ein erster Anlauf Ende der 90er Jahre, als Josep Planas für sein Vorhaben vom damaligen Bürgermeister Joan Fageda das Kultur­zentrum Casal Balaguer nahe des Borne-Boulevards versprochen worden war, verlief im Sande.

Kollaboration mit anderen Archiven

Nun will die Enkelin des 90-Jährigen, der inzwischen im Altenheim untergebracht und stark angeschlagen ist, es erneut versuchen. Marina Planas steht bereits in Kontakt mit dem Ton- und Bildarchiv des Inselrats. Ansprechen will sie zudem die Erben von Foto Truyol, die über eine ähnlich imposante Kollektion verfügen dürften, die ebenfalls im künftigen Museum eine neue Heimat finden könnte. Erhaltenswertes Material könnte außerdem die Sammlung von Joan Llompart, besser bekannt als Torrelló und einst Fotograf der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca", beinhalten. „Den muss ich mal anrufen", sagt Marina Planas.

Um das Museums-Projekt zu verwirklichen, bräuchte es aber auch die Hilfe der Balearen-Regierung und der Stadt Palma, die zumindest die Räumlichkeiten zur Verfügung stellen und im Idealfall auch eine Finanzspritze geben sollte. Bis all das konkretere Formen annimmt, will Marina Planas das Erbe ihres Großvaters immerhin im Kleinen etwas bekannter machen - und damit nebenbei ein paar Einnahmen generieren. Marina Planas verhandelt über Buchveröffentlichungen, und verkauft auch Bilder aus dem Archiv ans Fernsehen oder Abzüge von Fotos aus früheren Reiseprospekten an die Hotels, die sie als Deko verwenden. „Das kann ich machen, bis die Sammlung unter Denkmalschutz gestellt wird." 70 Jahre nach dem Tod des Opas würde das passieren. „Ich habe fast noch mein ganzes Leben Zeit, vielleicht klappt es sogar mit dem Museum."