Es ist ein verregneter November­tag. Weihnachten ist noch eine ganze Weile hin - außer im Hause von Bartolomeo „Tolo" Cabot in Biniali. Die Häuser und Straßenzüge aus Styropor, die in ein paar Wochen zu einer riesigen Krippe werden sollen, ziehen sich vom Innenhof bis in den Wohnraum. Unter einem Vordach türmt sich das Werkzeug. Auf einem Tisch steht das Modell einer alten Mühle aus Sencelles. Der 64-jährige pensionierte Automechaniker hat vor zwei Jahren mit dem Bau seiner Krippe begonnen. „Das ist allemal besser, als wie andere in der Bar rumzuhängen", sagt er.

Das erste Bauvorhaben war ein Dorf mit Kirchturm. Es steht jetzt im Innenhof, Tolo Cabot hat sich die Häuser und ihre Anordnung frei ausgedacht. Die Details aber sind naturgetreue ­Nachbauten, etwa einer Zisterne, die es in Biniali gibt, oder jener Löcher im Mauerwerk, wo man früher die Esel befestigte. Tolo Cabot verarbeitete auch Fundstücke, wie zum Beispiel jene Wurzeln, die das Vordach zum Eingang eines Hauses als trockene Verästlung der Weinreben verzierten. Stolz zeigt er auf eine Brosche als Rosette, einen Knopf aus Knochen, einen Korken für das Regenwasser. Aus getrockneten Palmenzweigen und einem Tannenzapfen bastelte er eine ­Miniaturpalme. „Manche Dinge bringe ich auch von meinen Reisen mit, wie zum Beispiel den Rosmarinzweig aus Cuenca." Der schmückt jetzt als Baum den Rand einer

mallorquinischen Steinmauer.

Es war ein kompliziertes Projekt und sein Lehrmeister, ein 80-jähriger Rentner namens Pedro Costa, mahnte ihn, sich nicht zu übernehmen: „Man fängt beim Bau eines Hauses nicht mit dem Dach an." Tolo Cabot aber hielt das nicht davon ab, weiterzuwerkeln. Nach sieben Monaten war der Grundstein für seine erste Krippenlandschaft gelegt.

Seither ist Tolo Cabot nicht mehr zu bremsen. Er ist jetzt dazu übergegangen, auf der Insel reell existierende Orte und Häuser in Augenschein zu nehmen und in Styropor umzusetzen. Darunter ist ein Teil der Carrer Almudaina in Palma, ein Gebäude aus Biniali, eine Mühle aus Sencelles - und sein jüngstes Projekt, der Bachverlauf in der Biniaraix-Schlucht bei seinem Geburtsort ­Sóller. Auf die Idee kam er durch ein Buch. Es erinnerte ihn daran, dass er diesen Weg häufig in seiner Kindheit gegangen war. Die Wanderung beginnt in Biniaraix und führt hoch bis Lluc.

Die Herausforderung: etwas mit fließendem Wasser zu bauen. Tolo Cabot fand eines Tages am Straßenrand einen 2 mal 1 Meter großen Findling und wusste sofort, das dieser ein zentrales Element seiner Schlucht werden könnte. Er arbeitet seit dem Frühjahr daran, beim MZ-Besuch ist diese Landschaft am Pool aufgebaut. Tolo Cabot testet, ob die Mechanik auch funktioniert.

Der Baumeister tüftelt und werkelt nicht nur zu Hause vor sich hin. Er hat auch einen Platz in einer Gemeinschaftswerkstatt in Palma, in der er mit Gleichgesinnten fachsimpeln kann. Die „Agrupació de Betlemistes Francesc Rosselló de Balears", der er vor zwei Jahren beitrat, ist ein generationenübergreifender Verein von Krippenverrückten. Manche bauen für zu Hause, andere für öffentliche Orte. Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, in der der Eine bohrt, der Nächste zusammensteckt und der Dritte malt. Die MZ besucht Tolo Cabot Ende Nobember auch dort, in der Carrer Sant Josep de la Muntany. Der Mallorquiner arbeitet an einer Mühle des Restaurant Moli den Pau am Kreisel von Sineu. „Die wird aber erst nächstes Jahr fertig", sagt er.

Alle anderen Häuser, Landschaften und Figuren setzt er Anfang Dezember im Convent von Biniali in der Carrer del Torrent zusammen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr, als die Krippe in der ­Kirche von Biniali aufgebaut war, hat sich die Fläche mehr als verdoppelt. Zunächst ordnet Cabot gemeinsam mit zwei Helfern die Häuser auf einer 3 mal 6 Meter großen Plattform an, die mit Getränkekästen unterbaut ist. Unebenheiten werden mit Styroporstückchen ausgeglichen. Aus Baumrinde baut Cabot eine Hügellandschaft. Dann werden die freien Flächen mit Steinen, Holz, Zweigen und in den Bergen gesammeltem Moos ausgefüllt. Durch Trockensteinmauern aus Styropor entsteht die typisch mallorquinische Terrassenlandschaft. Die Krippe selbst wird in einer Höhle unter einem dicken Stamm untergebracht.

Die Aufbauarbeit dauern mehrere Tage, immer wieder schauen neugierige Dorfbewohner hinein. Als Nachbarin Antònia den Raum betritt, fangen ihre Augen an zu strahlen: Sie hat ihr Haus zwischen all den anderen entdeckt. Tolo Cabot ist stolz wie Oskar, erklärt ein bisschen und wendet sich dann wieder geschäftig seiner Arbeit zu. Es ist noch viel zu tun. Tief durchatmen wird er erst, wenn auch die letzte Figur ihren Platz gefunden hat. Am vergangenen Samstag war es dann so weit.

„Ich würde mich freuen, wenn viele Ihre Leser kommen, um sich meine Arbeit anzuschauen und sich vielleicht für ihre eigene Krippe inspirieren zu lassen", sagt Tolo Cabot zum Abschied. Gelegenheit dazu ist an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 11 bis 13 und von 17 bis 20 Uhr. Wer außerhalb dieser Zeiten vorbeischauen möchte, kann Tolo Cabot auch gerne unter Tel.: 603-50 54 45 anrufen und sich mit ihm verabreden.