Ohne die Taxifahrt im November wären wir jetzt nicht auf Menorca gelandet. Auf dem Weg zum Flughafen Palma kamen wir damals mit dem Fahrer ins Gespräch. Ein Menorquiner, der in den Wintermonaten auf Mallorca arbeitet, weil es dann kaum Gäste auf seiner Insel gibt. Wir kennen Menorca nicht, stellen uns die Insel im Winter aber ziemlich einsam vor. „Ja, einsam", sagte der Taxifahrer, doch es klang gar nicht unfreundlich. Als wir ausstiegen, mussten wir ihm versprechen, Menorca einmal im Winter zu besuchen. „Weil die Insel dann besonders schön ist."

Zwei Monate später sind wir unterwegs. Bei Baleària gibt´s jetzt günstige Tickets von Alcùdia nach Ciutadella ab 9 Euro für die einfache Fahrt (Angebot gültig bis März, www.balearia.com). Und die Fahrzeiten liegen günstig: Abfahrt in Alcúdia: 8 Uhr/Ankunft 10 Uhr, Abfahrt in Ciutadella 19 Uhr/Ankunft 21 Uhr). Zu den Tickets reservieren wir ein Hotelzimmer in Ciutadella. Ein Mietauto brauchen wir nicht, wir wollen Menorca auf die langsame Art entdecken, zu Fuß und per Bus.

Als wir im Hafen von Ciutadella ankommen, warten wir allerdings vergeblich auf den Bus in die ­Innenstadt. Und da der Fahrplan an der Haltestelle fehlt, ist das ­Taxi sehr willkommen. Die Fahrt ins Zentrum dauert fünf Minuten und kostet mit Trinkgeld neun Euro - so viel wie die zweistündige Fahrt übers Meer. Wir steigen nahe der Plaça de la Llibertat aus. Rund um den Fisch- und Fleischmarkt (samstags mit Wochenmarkt) wird gefrühstückt und lebhaft diskutiert. Alle Cafétische sind besetzt, Touristen keine zu sehen. Also spazieren wir durch die kleine Fischhalle und weiter über die arkadengeschmückte Carrer de Ses Voltes an der Kathedrale vorbei bis zur Plaça des Born. Von der Aussichtsterrasse des Rathauses liegt der Hafen mit seinen vielen Bars und Restaurants, die jetzt fast alle geschlossen sind.

Uns gefällt die verträumte Atmosphäre von Ciutadella trotzdem. Die Souvenirläden sind verrammelt, doch in hübschen Geschäften wie The Room (C/. Seminari, 34) kann man in Ruhe Deko, Kleidung und Porzellan anschauen. Aufwendig gestaltete Stadtpaläste wie das Can Faustino, heute ein Boutiquehotel (DZ ab 90 Euro, www.canfaustino.com), wechseln ab mit einfachen Häusern, deren einziger Schmuck die alten Griffe an den Holztüren sind. Die Altstadt ist überschaubar, und auch wenn man planlos durch die Gassen mit buckligem Kopfsteinpflaster läuft, verloren geht man in der ehemaligen Inselhauptstadt nicht.

„Wir leben hier wie vor 20 Jahren und vor allem im Winter sehr ruhig", sagt Marisa Gerhardt aus der Galerie Pedrín (C/. Seminari, 30). Die Brasilianerin zeigt uns die Arbeiten Pedríns. Der Künstler aus Málaga schuf etwa die Bronze­skulptur „Toro orgulloso", die im Kinofilm „Nachts im Museum" mit Ben Stiller zu sehen war. Dann fängt sie an zu erzählen. Dass sie seit acht Jahren hier wohnt und nicht mehr weg möchte. Ein einziges Mal war sie auf Mallorca, um sich Palma anzusehen mit der Überlegung, dort zu leben. „Doch das war nichts für mich", sagt Marisa knapp. Sie liebt das ruhige Treiben auf ­Menorca, hektisch wird es nur im August, wenn es kein freies Zimmer mehr gibt. Einer ihrer Lieblingsorte, egal zu welcher Jahreszeit, ist der Monte Toro im Insel­inneren, mit 357 Metern der höchste Punkt Menorcas. Auf dem Gipfel befinden sich ein Kloster mit Kirche und eine überlebensgroße Christusfigur, die viel Ähnlichkeit mit der berühmten Figur auf dem Zuckerhut von Rio de Janeiro hat. Marisa empfiehlt uns dringend, ein Auto zu mieten, um „ihren Heiligen" und auch das romantische Fischerdorf Fornells in der Nähe zu besuchen.

Doch wir fahren am nächsten Morgen mit dem Bus Richtung Hauptstadt, auf der Me-1, die Ciutadella mit Maó verbindet (einfache Fahrt 5,10 Euro). Am Fenster zieht viel grüne Landschaft vorbei, auf den Weiden grasen schwarz-weiße Kühe, sie liefern die Milch für den berühmten queso mahón. Probieren kann man den Käse zum Beispiel im Fabrikshop von La Payesa im Dorf Alaior, der Bus hält hier stündlich. Ab Alaior sind wir nicht mehr allein unterwegs, neben uns fahren große Bagger, die breite Streifen Natur platt walzen. Die Me-1 soll anscheinend verbreitert werden. Wofür? Seit der Abfahrt in Ciutadella sind uns vielleicht drei Autos begegnet.

In Maó landen wir zuerst im stylischen Pipet & Co Café Lab, das junge Menorquiner betreiben (Plaça Bastion, 10). Danach genießen wir den Ausblick auf den Hafen, nach Sydney der zweitgrößte Naturhafen der Welt, und sind fasziniert von dem Fischmarkt, der auf einer alten Festung des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Im Claustre del Carme sehen wir dagegen mit Schrecken, dass in das schöne Klostergebäude ein Lebensmittelmarkt und billige Läden eingezogen sind.

Zum Abendessen sind wir zurück in Ciutadella und treffen Joan Rompe, der am Nebentisch isst. Nach ein bisschen Small Talk fragen wir den Menorquiner nach dem Ausbau der Me-1. „Das ist totaler Quatsch", sagt er und hört sich sauer an. „Wir haben nur einen Monat lang Verkehr hier, im August, dafür brauchen wir keine vierspurige Straße." Wäre die Natur erst einmal zerstört, ließe sich das nicht mehr rückgängig machen. Der Goldschmied hat das ganze Jahr über gut zu tun, weil er auch Arbeiten per Paketdienst verschickt. Viele Inselbewohner seien dagegen allein vom Tourismus abhängig und müssten im Winter von diesen Einnahmen leben. Doch zumindest in Ciutadella erscheint uns das nicht die übelste Art, die Wochen bis Ostern zu verbringen. Dem Taxifahrer in Palma würden wir erzählen, dass uns Menorcas Winter-Flow, das Leben mit Seelenruhe zu nehmen, ganz gut gefällt.