Wo andernorts ordentliche ­Zäune stehen, sichern in der ländlichen Gegend von Es Camp d´en ­Torella krumme Trockensteinmauern die Weiden. Auf dem Pferdegestüt zwischen Campos und Santanyí ist wenig geeicht, nichts genormt. Schon gar nicht Miguels Leidenschaft für seine Tiere. Sie lodert trotz rückgängiger Verkaufszahlen und fehlenden Nachkommen so kräftig wie vor knapp 30 Jahren, als die große Liebe begann.

Damals verguckte sich ­Miguel de la Iglesia in zwei Andalusier-Stuten vom Gestüt García Vives in Córdoba und in einen Kartäuser-Hengst des berühmten Kartäuser-Gestüts Hierro del ­Bocado in Jerez de la Frontera. Der Kartäuser (cartujano) gehört zur Unterrasse des Andalusiers und damit zu den Pferden reiner spanischer Rasse (Pura Raza ­Española, kurz PRE). Mit diesen drei Exemplaren startete Miguel auf seiner Finca in Santanyí sein Gestüt Iglesia.

Von Pferdezucht verstand der städtische Beamte zu jener Zeit noch nicht viel. Er spürte nur, dass seine Zuneigung zu den langbeinigen, rassigen Geschöpfen etwas Besonderes war. Klar war auch, dass die Vierbeiner auf seiner Finca das ganze Jahr über draußen leben sollten: die Stuten und Fohlen auf großen Weiden, die Hengste in einem offenen Stall mit Paddock. Jedes Jahr Ende September, zu San Miguel, werden die acht Hektar großen Koppeln neu eingesät. So gibt es ab Februar wieder frisches Grün zwischen die Pferdezähne.

Damit das Gras bis zum ­Sommer reicht, parzelliert Miguel die Wiesen in kleinere Flächen von mindestens 2.000 Quadratmeter und versetzt alle paar Wochen die elektrischen Zäune um 50, 60 ­Meter. Zusätzlich füttert der gebürtige Menorquiner Heu und zweimal am Tag Hafer. Aus Büchern, durch Ausprobieren und Intuition weiß er, was seine Tiere brauchen. Die Heu­ernte hat er dieses Jahr bereits zur Hälfte eingebracht, 2.000 Quader gepresstes getrocknetes Gras liegen in der Scheune, 2.000 weitere folgen noch.

Denn das Gestüt ist im Laufe der Jahre gewachsen, auf vier Deckhengste und zwölf Zuchtstuten. Hinzu kommen zwölf Ein- bis Dreijährige, sechs Vier- bis Sechsjährige und zwei Fohlen . Aktuell stehen rund zehn Rassepferde zum Verkauf. Wir besuchen mit Miguel die 19.000 Quadratmeter große Stuten­weide, fünf Schimmel-Damen verbringen hier gerade ihren Jahresurlaub, weil der Pferdemarkt derzeit nur braune und schwarze PREs verlangt, wie Miguel es ausdrückt. Schon von Weitem sieht man die großen, noblen ­Köpfe mit den langen Mähnen aus einem Meer gelber Margeriten aufragen. Die Stuten schauen uns erwartungsvoll entgegen, sie wissen, dass Miguel, wenn er sie besucht, immer ein paar Karotten dabei hat. Wir füttern gemeinsam die Tiere, vergraben die Hände in den buschigen Mähnen und staunen, wie ruhig und zutraulich die Stuten auch Fremden gegenüber sind. „Ich verbringe jede freie Minute mit ihnen", sagt Miguel.

Seit vergangenem Jahr ist er in Rente, doch auch vorher beschäftigte er nie mehr als einen Futtermeister für das Gestüt. So einige Male sei ihm die Arbeit schon über den Kopf gewachsen, gibt der 66-Jährige zu. Wenn man seiner Frau Antonia glaubt, sei das Zuviel eher ein Dauerzustand. Sie selbst hat kein Interesse an Pferden, auch die zwei Kinder des Paares haben das Ross-Gen nicht vererbt bekommen. Und so spricht Miguel von „Glück", dass er seine drei Mädels an der Seite hat: Kathy, ­Birgit und Heike, drei Frauen zwischen ­30 und 50 Jahren, die jede Woche mal mehr, mal weniger Zeit auf dem Gestüt verbringen und mit anpacken. Kathy ist Österreicherin und Tierarzttochter, sie reitet regelmäßig den schönen dunklen Hengst Andador. Birgit hat einen eigenen Hengst auf dem Gestüt stehen, die Deutsche kümmert sich aber auch um Miguels Pferde, einfach, weil es ihr Spaß macht.

Heike Hindenlang, die ­Neueste in der Pferdebande, besitzt ebenfalls ein Paar Schlüssel für das Eingangstor, um regelmäßig nach den Tieren zu schauen. Seit November ist sie außerdem Besitzerin eines reinrassigen PREs - mit dem sehr deutschen Namen Willi. „Willi war der Arbeitstitel und dabei ist es dann geblieben", erzählt Heike. Die gebürtige Wormserin hatte nie vor, sich ein Pferd anzuschaffen. Als ihr Birgit vor gut einem Jahr Miguels Hof zeigte, gab es ein paar Fohlen, die nicht genug trinken wollten. Die Freundinnen gaben ihnen wochenlang täglich ein mit Wasser verdünntes Malzbier - das haben die Kleinen geliebt. „Da ich eine Kümmerin bin, hab ich mich gekümmert", fasst Heike es einfach zusammen.

Kurze Zeit später wurde ­Willi auf dem Hof untergestellt. Er hieß damals noch Careto und war völlig runter gekommen. Heike päppelte ihn monatelang auf. Sie konnte den Gedanken nicht ertragen, dass der sechsjährige Grauschimmel bald zu seinem alten Besitzer zurück sollte - und kaufte ihn. Die Befreiungsaktion erinnerte sie an den Tierfilm „Free Willi, Ruf der Freiheit", und so hatte der Hengst seinen Namen weg. Heike ließ ihn zuerst kastrieren, damit er mit anderen Pferden zusammen stehen kann, dann suchte sie einen Ausbilder und fand Alberto Rosero, professionellen Pferdetrainer aus Kolumbien. „Willi konnte nix, ich konnte nix, das passte schlecht zusammen", erzählt Heike, die jetzt auf einem Schulpferd ­reiten lernt und auch schon ein paar Mal auf Willi saß. Knapp fünf Monate sind seit der Rettungsaktion vergangen, ein Leben ohne Willi kann sie sich heute nicht mehr vorstellen.

Für Miguel nichts Ungewöhnliches. „Es heißt, der Hund sei der beste Freund des Menschen, aber nur, weil sich nicht jeder ein Pferd leisten kann", sagt der Menorquiner. Wir sind inzwischen auf der Fohlen­weide angekommen, eine kleine braune Stute trabt uns entgegen. Fabula ist gerade fünf Wochen alt, sie schnuppert interessiert an unserer Jacke, stupst ihr weiches Maul gegen den Arm und lässt sich das lockige Fohlenfell geduldig kraulen. Und wieder: keine Scheu, keine Angst, Fabula ist zahm wie ein Hund. Der acht Tage alte Faraón weicht dagegen kaum vom Bauch der Mutter, doch in ein paar Tagen sei auch der kleine Hengst handzahm, glaubt Miguel. Da der Pferdeverkauf seit sechs Jahren immer schwieriger geworden ist, hat er dieses Jahr nur eine Stute decken lassen. „Ich habe schon öfter gedacht ,jetzt reicht´s´, und meine Frau erinnert mich auch regelmäßig daran", sagt Miguel. Aber das Gestüt zu verkaufen und den ganzen Tag in der Bar zu sitzen und Karten zu spielen, das könne er sich einfach nicht vorstellen.

Er sagt: „Ich entschied mich damals für Pferde. Andere kauften mit ihrem Ersparten vielleicht ein Boot." Die Pferdezucht war zunächst nur ein Hobby. und im Grunde ist sie das heute noch: „Wenn du keinen großen Namen hast, steckst du jedes Jahr mehr rein, als du raus bekommst", sagt Miguel. Das gilt für den finanziellen Teil. Seine gefühlte Rechnung zeigt eine andere Bilanz: „Was du den Pferden gibst, kommt doppelt zurück."

Yeguada de la Iglesia, Tel.: 639-60 34 64, www.mallorcapre.com