Das Zeitalter des Autos auf ­Mallorca begann mit zwei Sätzen. Am 10. April 1897 gab die Zeitung „Almudaina" auf Seite 2 unter ferner liefen im fast zerfließenden Buchstabengewirr bekannt, dass unlängst auf dem aus ­Marseille kommenden Dampfer „Isleño" eine „sich selbst bewegende Kutsche" im Hafen von Palma eingetroffen sei. Die Besitzer seien „die Herren Erben" von Vicente Juan und „diese neue Erfindung werde mit Sicherheit auf unseren Straßen" fahren.

Die Journalisten irrten. „Und zwar sowohl bei der Einstufung der Tragweite dieser Nachricht als auch bei der Annahme, dass das Auto tatsächlich fahren würde", sagt Fernando Ramón Ferrero. Der 63-jährige Rentner hat in den vergangenen fünf Jahren auf Katalanisch ein Buch mit dem Titel „Arribada dels carros de foc" (Ankunft der Feuer­wagen) geschrieben, das mit vielen Fotos bebildert die Frühzeit der Autos auf Mallorca erklärt. Was sich da anbahnte, war eine technische Revolution, die sich Jahre später mit aller Wucht bemerkbar machen sollte. Vor allem aber: „Das erste Insel-Auto durfte nicht fahren, weil sich die Besitzer weigerten, eine Luxussteuer zu bezahlen."

Es war ein vierrädriges Gefährt der französischen Firma Emile Roger, das - oh Wunder - weiterhin existiert. „Es befindet sich gut erhalten auf dem Gelände der Possessió Son Morlá in Establiments bei Palma", so Buchautor Fernando Ramón Ferrero. Wenige Wochen später wurde 1897 ein Motor-Dreirad auf die Insel verschifft - ebenfalls aus Frankreich. Es war ein Konstrukt der Firma Dion Bouton. „Der Besitzer geriet mit einem der Fahrrad­reifen in das Gleisbett der damals auf dem Camí de Jesús verkehrenden Tram, stürzte um und brach sich einen Arm." Auch dieses Fahrzeug steht heute auf der Finca Son Morlá und wird gelegentlich auch anderswo ausgestellt.

Sowohl der Roger als auch das Dion-Dreirad hatten noch keine Nummernschilder. „Die wurden erst per Dekret am 17. September des Jahres 1900 eingeführt", weiß ­Fernando Ramón Ferrero. Schon Monate zuvor, im März, konnten die Bürger Palmas das erste Auto bewundern, das regelmäßig fuhr. Es handelte sich um ein oben offenes kutschenähnliches Fahrzeug der Pariser Firma Clement-Panhard, das vom Gründer der

Zeitung „Última Hora", Josep Tous i Ferrer, gekauft worden war.

Von den ersten sechs Autos mit Nummernschildern fehlt inzwischen jede Spur. Nur die Namen der Besitzer und die Wagenmarken sind noch aktenkundig: Das Kennzeichen BA-1 (für Baleares) ging an José Sureda Fuentes. Auch hier handelte es sich um ein Auto der bis 1922 bestehenden Firma Clement.

Ein ebenfalls aus Frankreich stammender Panhard-Levasseur aus dem Jahr 1905 mit dem Kennzeichen BA-7 ist noch bestens erhalten. „Das Auto, das bereits über ein Dach verfügte, befindet sich auf einer Finca in Xorrigo bei Palma", so Ferrero. „Die Holzspeichen erinnern noch an eine Kutsche, es ist mit dem Original-Nummernschild versehen und sogar noch fahrtüchtig."

Nach Mallorca kamen in den ersten Jahren fast ausschließlich französische Wagen. „Die Reichen kauften sie sich auf speziellen Ausstellungen in Barcelona und Paris", so der Autor. 1909 waren immerhin schon so viele da, dass am 30. Juni in Anwesenheit des damaligen Bischofs Joan Campins Barceló (1859-1915) auf der Plaça de Santa Fe in Palma eine Auto-Segnung veranstaltet werden konnte. Auf einem noch erhaltenen Foto kann ein Panhard-Levasseur aus dem Jahr 1903 mit dem kennzeichen BA-6 identifiziert werden. Es sind dort auch Autos mit PM-Kennzeichen (für Palma de Mallorca) zu erkennen, die 1907 mit der Zahl 31 die BA-Schilder abgelöst hatten.

Das erste deutsche Auto gelangte nach Informationen von Ferrero 1911 auf die Insel. „Es war ein Mercedes, der dem damaligen spanischen Präsidenten Antonio Maura Montaner gehörte und das Kennzeichen PM-92 hatte." In den darauf folgenden Jahren nahm die Zahl der Autos exponentiell zu, wobei wegen des Ersten Weltkriegs kaum deutsche Wagen nach Mallorca kamen.

Der Autor nimmt im Buch auf die Kennzeichen bis zur Nummer 10.000 Bezug. Es kamen auch Busse, die kurioserweise in der Anfangszeit noch camiones (heute: Lastwagen) genannt wurden. Zudem wurden auf der Insel auch Autos gebaut: Ferrero beschäftigt sich detailliert mit dem zwei­sitzigen Loryc, von dem etwa 100 Exemplare gefertigt wurden und dem der Deutsche Charly Bosch voriges Jahr einen Elektromotor einpflanzte (MZ berichtete, siehe auch S. 80 dieser Ausgabe). In dem Buch geht es auch um Motorräder, die auf der Insel von den Firmen Bibiloni, Colomet, B.M.S. und Coronat hergestellt wurden. Der erste VW Käfer fuhr ab 1954 auf den Insel-Straßen.

Viele Oldtimer wurden aufbewahrt und rosten auf Höfen oder in Garagen vor sich hin. „Ich kenne einen Mann in Alaró, der 30 alte Autos und 20 Motorräder besitzt", sagt Fernando Ramón Ferrero. „Aber der will auf keinen Fall, dass man sie fotografiert."

Der Autor befindet sich in Gesprächen mit einem potenziellen Verleger, lässt das Werk aber auch bei Interesse gegen Bezahlung drucken (E-Mail: enpipella@yahoo.es