Als Montagsstück bezeichnet man im Volksmund gerne eine Fabrikation, die ständig irgendwelche technischen Fehler aufweist. Das Dampfschiff „Mallorca" war so ein Montagsstück.

Bereits wenige Wochen nach seinem Stapellauf in Marseille im Herbst 1910 hatte der für die Fährgesellschaft „Isleña Mallorca" - der Vorläuferin der heutigen „Trásmediterránea" - gebaute Passagierdampfer mit etlichen Tücken zu kämpfen. So fiel auf einer der ersten Überfahrten von Barcelona nach Palma die Maschine aus. Mehr als acht Stunden trieb das 180 Meter lange Stahlschiff manövrierunfähig auf dem Meer, bevor es von einem anderen zur Hilfe eilenden Fährschiff nach Port d´Andratx geschleppt werden konnte. Ein paar Wochen später versagte der Generator, danach ging der Propeller kaputt und die „Mallorca" musste erneut ins Reparatur-Dock, wo sie letztlich mehr Zeit verbrachte als auf See.

Doch es kam noch dicker. Keine zwei Jahre nach ihrem Bau ereilte das Schiff und seine scheinbar vom Pech verfolgte 40-köpfige Mannschaft der definitive Schicksalsschlag. Am frühen Morgen des 17. Januars 1913 bekam der Kapitän der zu diesem Zeitpunkt in Palma liegenden „Mallorca" den Befehl, über Ibiza nach Alicante zu fahren. Eine außerplanmäßige Reise, da für die Route eigentlich ein anderes Fährschiff zur Verfügung stand. Doch aufgrund der knapp 120 Passagiere, die sich für die Überfahrt angemeldet hatten, entschied das Fährunternehmen in letzter Sekunde, die größere „Mallorca" einzusetzen.

Bei ruhiger See, aber dichtem Nebel lief der Passagier-­Dampfer am frühen Nachmittag aus dem Hafen, um gegen Abend die Nordküste Ibizas zu erreichen. Dort musste der Kapitän aufgrund der immer schlechter werdenden Sichtverhältnisse die Reisegeschwindigkeit erneut reduzieren. Eine Stunde später ereignete sich dann das Unglück: Kurz nach Passieren des Cap Punta Arabí an der Ost­küste Ibizas rammte die „Mallorca" einen nur wenige Meter unter der Wasserober­fläche verborgenen Felsvorsprung, auf dem das Schiff mit lautem Knirschen auf­setzte und steckenblieb. Der schroffe Fels schnitt einen zentimeter­breiten Riss in den Stahlrumpf, über den nun ungehindert Meerwasser ins Innere eindrang. Mit Entsetzen mussten die an Deck gekommenen Passagiere zudem feststellen, dass lediglich vier Rettungsboote zur Verfügung standen. Die restlichen Boote waren bei den Reparatur­arbeiten des Fährschiffes ausgebaut und an Land „vergessen" worden.

Da von See aus keine kurzfristige Hilfe zu erwarten war, ließ der Kapitän Signalraketen abfeuern, in der Hoffnung, dass an der nur zwei Kilometer entfernten Küste vielleicht jemand auf die Schiffbrüchigen aufmerksam würde. Und tatsächlich: In dem kleinen Dorf Santa Eulària sah ein Fischer die roten Lichter im Nebel und schlug Alarm. Innerhalb von wenigen Minuten stürzten über zwei Dutzend Dorfbewohner aus ihren Häusern, liefen zum Hafen herunter, um bei Nacht und Nebel in ihren kleinen Fischerbooten, den llaüts, aufs Meer hinauszurudern. Als Orientierunghilfe dienten ihnen neben den Leuchtraketen auch die von Minute zu Minute lauter werden Hilfe-Schreie der Passagiere.

Dem heldenhaften Einsatz der Dorfbewohner war es am Ende zu verdanken, das keiner von ihnen ums Leben kam. Auch das geladene Frachtgut konnte an den nächsten Tagen von den Fischern geborgen werden. Versuche, die „Mallorca" mithilfe von anderen Fährschiffen freizuschleppen, schlugen jedoch fehl. Das über 1.000 Tonnen schwere Schiff zerbrach zehn Tage nach dem Unglück in mehrere Teile. Deren Überreste ruhen in einer Tiefe von rund 80 Metern unter dem Meer.

Auf der Plaza von Santa Eulària erinnert dafür ein Gedenkstein an den selbstlosen Einsatz der Dorfbewohner, die in einer kalten Januar-Nacht des Jahres 1913 mehr als 100 Schiffbrüchige vor dem Ertrinken retteten.