Sie treten nur mit Totenkopf­masken auf, benutzen Pseudonyme und haben keinen Sänger. Das ist zwar alles nicht neu, aber Los Tiki Phantoms aus Barcelona sind vielleicht dennoch zurzeit eine der spannendsten spanischen Bands. Eine Band, deren Albumtitel ein bisschen klingen wie die Comics von Tim und Struppi. „Los Tiki Phantoms y el misterio del talismán" („Die Tiki Phantoms und das Mysterium des Glücksbringers") heißt das von der Kritik hochgelobte vierte Werk des Quartetts aus Barcelona, das jetzt Anfang Juni pünktlich zum zehnjährigen Bestehen der Band erschienen ist.

Das Quartett steht für einen Sound, der lange nicht mehr so viele interessante Projekte hervorgebracht hat: Surf. Los Tiki Phantoms verbinden die klassischen sommerlichen Surf­melodien mit verzerrten Gitarren und ordentlich Druck nach vorne. Hier und da verfallen sie auch in fast nostalgische, südpazifische Melodien, wie etwa bei „Ron Cremat".

Surf, wie er heute gespielt wird, hat nichts mit den süßlichen Popmelodien der Beach Boys zu tun. Surf ist herausfordernd, sexy, tanzbar. Und in der Hauptsache instrumental. Er lässt sich von ­mexikanischem Wrestling ebenso inspirieren wie vom Wilden Westen oder den Kulturen der Südsee.

Eine entscheidende Rolle spielt das Kino. Und das auf verschiedenen Ebenen. Zum einen als Inspirationsquelle in Form von Horror- oder Zombiefilmen, zum anderen aber auch durch die Filmmusik. Die Werke des legendären italienischen Komponisten Ennio Morricone etwa gelten als großer Einfluss für Surfbands.

Vor allem hat das Kino dafür gesorgt, dass Surf überhaupt wieder wahrgenommen wurde: „Pulp Fiction hat alles verändert. Plötzlich gab es Interesse an Surf", sagt Pep Lirola über Quentin Tarantinos Klassiker von 1994, dessen Soundtrack zu einem maßgeblichen Anteil von Surfmusik geprägt ist. Lirola ist Gitarrist bei Hattori Hanzo Surf Experience, nach eigenen Angaben Mallorcas bisher einziger Surfband. Im August feiert sie ihr fünfjähriges Bestehen. Der Bandname kann als Referenz auf einen anderen Tarantino-Film verstanden werden: In „Kill Bill" trägt ein Schwertschmied den Namen des Samurai Hattori Hanzo.

Einer der großen Förderer des Surf in Spanien ist Radio 3-­Moderator Diego RJ, der mit seiner allabendlichen Show „El sótano" dafür sorgt, dass diese Bands ein spanienweites Publikum bekommen. Zudem organisiert er jährlich das Festival Surforama in Valencia mit.

Für Diego RJ ist Surfmusik keine Massenware, wie er in einem Interview kürzlich betonte: „Surf an sich ist ein Untergenre des instrumentellen Rock´n´Roll, was an sich schon ein Untergenre ist. Es ist schwierig, noch mehr in der Minderheit zu sein."

Dass es jetzt wieder größeres Interesse in Spanien gibt, zeigen vor allem die jungen Bands, die sich Gehör verschaffen: Das Trio Five Fingers With Parasol, Surf Flamingo oder Els A-Phonics. Letztere spielen einen sehr klassischen, sehr tanzbaren Surf.

Es sei eigentlich verwunderlich, dass es solche Sounds noch gibt, meint Gitarrist Litora: „Die Surfmusik war schon Anfang der 60er tot. Damals gab es Bands wie die Ventures oder die Shadows. Als die Beatles kamen und die Plattenfirmen gesehen haben, wie viel Geld Bands mit Gesang verdienen, wurde die Instrumentalmusik schnell vergessen", so der Gitarrist von Hattori Hanzo.

Die Veteranen des kreativen Surf in Spanien sind Los Coronas, die im Umfeld der Rockband Sex Museum in Madrid entstanden. Sie spielen seit 1991 zusammen, verbinden die klassische, von Gitarren und Bläsersätzen geprägte Surfmusik mit anderen Stilrichtungen wie dem Flamenco.

Instrumentalbands haben es schwieriger als Bands mit Sänger, ihr Publikum in den Bann zu ziehen. „Deshalb reden Surfbands meistens ziemlich viel zwischen den Songs", sagt Litora. „Wir zum Beispiel erklären ein bisschen den Hintergrund des Songs oder machen Witze. Viel ergibt sich dann durch die Interaktion mit dem Publikum." Auch Hattori Hanzo Surf Experience spielt mit den Masken. Bei ihren Konzerten ziehen sie sich am Ende mexikanische Wrestlermasken an - eine Reverenz an die Surflegende Los Straitjackets aus Nashville.

Litora sieht das Fehlen eines Sängers nicht unbedingt als Nachteil. Vielmehr erlaube die Musik Dinge, die andere Bands nicht so leicht hinbekämen. „Surf ist extrem anpassbar. Wenn wir vor älteren Menschen auftreten, spielen wir eher Covers aus den 50ern und 60ern. Stehen wir vor 18-Jährigen, hauen wir vielleicht ein bisschen mehr verzerrte Gitarre rein und bringen unser Publikum den ganzen Abend zum Tanzen."

Hattori Hanzo Surf Experience spielt am 19.7. im s'Embat in der Nähe des Es-Trenc-Strandes in Ses Covetes