Der Ausblick von der Terrasse des Hauses Sa Torre Cega ist spektakulär: Tief unten liegt die Cala Egos, der Leuchtturm von Cala Ratjada ist da noch, und dann - fast ringsum - das Meer. Versteckt zwischen Kiefern und etwas tiefer liegt die „Casa del Mar", in der Mitglieder der Familie March im Sommer wohnen. „Das Haupthaus Sa Torra Cega ist hingegen schon lange unbewohnt", sagt Bernard Boutique, der durch den Park führt. Nur ein Ehepaar, es hält das Haus in Schuss, bewohne das Erdgeschoss, drei Gärtner - auch sie wohnen in der Nähe - kümmern sich um die Außenanlagen.

Der Skulpturenpark ist seit 2010 zugänglich. Juan Carlos und Sofia, das damalige spanische Königspaar, kamen eigens zur Eröffnung. Auch Mitglieder der Familie March waren anwesend sowie der amtierende Bürgermeister von Capdepera und Bernard Boutique, der zu dieser Zeit für die konservative Volkspartei (PP) im Gemeinderat saß. Damals entstand die Idee, dass Bernard Boutique, der zuvor touristische Unternehmen geleitet hatte, genau der Richtige wäre, Urlauber durch den Park zu führen. Eine Tafel am Hauptgebäude des „Torre Cega" erinnert heute an den königlichen Besuch. Der Belgier, der sechs Sprachen spricht, führt seit vier Jahren achtmal die Woche Gruppen durch den Park und die ehemalige Sommerresidenz der Familie March.

Vor der Eröffnung musste der Park fast neun Jahre lang hergerichtet werden. Im November 2001 hatte ein Tornado das Anwesen schwer beschädigt. Drei Jahre dauerte es allein, bis die 300 durch den Wirbelsturm gefällten Kiefern beseitigt waren. Ein Teil der Skulpturensammlung wurde in den Palau March nach Palma ausgelagert.

Der Park

Die Führungen des Belgiers durch das 60.000 Quadratmeter große Gelände beginnen beim Eingangstor, das an der ersten Querstraße hinter dem Hafen von Cala Ratjada liegt. Auf die mehr als 40 Skulpturen, die auf dem Gelände stehen, einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Hier soll es vor allem um den Park als „Naturkunst" sowie das Design des Hauses mit seinen naturalistischem Interieur gehen.

Bereits der Blick auf den prachtvollen Aufgang zum Haus lässt das Herz des Gartenfreundes höher schlagen. Um eine Pergola aus Metall ranken sich Zypressen. Rechts und links wachsen auf mehreren Ebenen Agapanthussträucher. Einige strecken ihre runden blauen Blütendolden in die Höhe, den Übergang zum Pflaster bilden dicke Bodendecker-­Polster.

Doch zunächst führt der Weg durch die einstigen Volieren des Parks. Ihre Konstruktion ist an einem hohen Gerüst aus Metall zu erkennen. Früher einmal war es mit einem Glasdach verschlossen, sodass die exotischen Vögel, die hier lebten, nicht ins Freie konnten. Schon vor dem Tornado befand sich - so erzählt man sich - die Glasabdeckung in schlechtem Zustand, der Wirbelsturm hat sie dann restlos zerstört. Überlebt haben die Pflanzen, und so fühlt man sich plötzlich in einen tropischen Garten versetzt.

Hier wachsen hohe Bananen­stauden. An ihren Stämmen haben es sich Strelitzien gemütlich gemacht, dabei aber ihre ursprünglich den Paradiesvögeln ähnliche Farben verloren. „Sie nähren sich vom Saft der Bananenstämme", sagt der 61-Jährige Bernard Boutique - das mache sie so blass.

Ein paar Schritte weiter gelangt man zu mehreren Wasserbassins. Nahe am Rand thront eine Frauenfigur aus Stein, um sie herum ist die Wasseroberfläche dicht an dicht mit rot und weiß blühenden Seerosen bedeckt. „Hier leben Wasserschild­kröten, sie mögen Frankfurter Würstchen", sagt der Belgier. Ein Biss und das Würstchenstück verschwindet nebst einem Schatten in der Tiefe.

Nun tauchen die riesigen Blätter von verschiedenen Philodendron­arten auf, die hier im Schatten prächtig gedeihen, und man erreicht einen üppigen Gartenjasmin (Philadelphus), der im Frühjahr betörenden Duft verströmt. Eingerahmt ist er von dem Heckenklassiker, dem immergrünen Klebsamen (Pittosporum). Darüber ragt der blau blühende Bleiwurz (Plumbago auriculata).

Von hier oben ist erstmals ein Blick hinab auf den Hafen von Cala Ratjada möglich, der im morgendlichen Licht friedlich und wenig bevölkert wirkt. Danach erreicht man weitere Seerosenbassins. Hier zeigen sich auch die selteneren gelb­blühenden Arten. In der Mitte steht eine Skulptur der Berliner Künstlerin Brigitte Meier-Denninghoff.

Der Rundgang führt weiter zu einem Orangengarten sowie einem weitläufigen Kräuterbeet, das ­gerade umgebaut wird: Hier versammeln sich von Rosmarin über Majoran und Lavendel alle wichtigen aromatischen Pflanzen des Mittelmeerraums.

Jetzt gelangen die Besucher erstmals zur riesigen Treppe, die von der eingangs erwähnten Auffahrt zum Haupthaus „La Torre Cega" führt. Hier findet jeden Sommer die Konzertreihe „Serenatas d´Estiu" statt, auf den Stufen breitet man Kissen für die Zuhörer aus. Von dort geht es weiter auf Nebentreppen nach oben. Nach dem Bestaunen riesiger Zypressen und bestens gepflegter Palmen erreicht man den Sonnenbrunnen. Davor blühen wieder blaue Agapanthussträucher, oben bilden an Spitzen blühende Bougainvilleen einen Rahmen.

La Torre Cega

Der Schmuggler und spätere Banken­gründer Juan March Ordinas erwarb das Gelände zwischen dem Hafen von Cala Ratjada und der Küste im Jahre 1915. Nur ein einzelner Wehrturm stand auf dem Hügel, der jedoch mit den Wachtürmen der Insel nicht in Verbindung stand und deshalb „Sa Torre Cega", der blinde Turm genannt wurde. Ein Jahr später begannen die Bauarbeiten. Leonor, die Ehefrau des Magnaten, stammte aus Capdepera und wünschte sich hier eine Sommerresidenz.

Die Señora March war bekannt für ihren guten Geschmack, für ihre Liebe zur Kunst und zum Garten. Es floss viel Geld in das Anwesen, mit der ersten Gestaltung beauftragte sie den Architekten Guillem Forteza.

Die Mutter zweier Söhne sorgte nach dem Tod ihres Mannes in den 60er Jahren dafür, dass der jüngere, kunstsinnige Bartolomé das Anwesen erbte. Auch ihm standen schier unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung und so wurde er zu einem über die Insel hinaus bekannten Sammler von Büchern und Kunst. Auf seinen Reisen - er war häufig in Paris - orderte er Skulpturen weltbekannter Künstler und ließ sie harmonisch in die Landschaft integrieren.

Für die Neugestaltung der Außen­anlagen engagierte der Kunstmäzen in den 60er Jahren den weltberühmten britischen Gartenarchitekten Russell Page. „Für das Design der Inneneinrichtung des Hauses lud Bartolomé seine Künstlerfreunde aus Paris ein", sagt Boutique.

Sie haben ganze Arbeit geleistet, das Ergebnis ist verblüffend. Ein überwiegend in Weiß gehaltener lichtdurchfluteter riesiger Raum reicht ohne Zwischendecke bis zum Dach. Von einer ebenfalls in Weiß gehaltenen Galerie zeigen Türen, dass sich im zweiten Stock noch Zimmer befinden, die jedoch nicht besichtigt werden können.

Der Boden ist mit Mosaik in Blau und Weiß ausgelegt. Drei Jahre lang hat der Künstler Josep Bru aus Artà an den Quadraten und der Kugel in der Mitte gearbeitet. Die Wände sind - hier bestimmt neben Weiß und Blau auch Rosé - in illusionistischer Trompe-l´-il-Maltechnik gestaltet. Man fühlt sich fast in die naturalistische Illustrationen eines Märchenbuches versetzt. Bartolomé March wollte mit Interieur und Garten eine Gesamtkunstwerk schaffen, in dem Weiß und Blau dominieren. Vorgesehen waren ausschließlich Pflanzen, die in Weiß und Blau blühen, was nicht immer ganz strikt eingehalten wurde.

Beim Abstieg vom „Turm" wird dann der Teil des Gartens erreicht, der vom Tornado am heftigsten beschädigt worden ist. Hier befinden sich heute große Rasenflächen, die mit Rosmarin-Hecken gesäumt sind. Es gibt noch einen Olivenbaum­garten zu bestaunen und einen weißblühenden Magnolienbaum.

Ganz am Ende des Rundgangs kommt den Besuchern eine junge Frau auf einer Vespa entgegen. Es ist Cristina, die sich um das Haus kümmert und im Erdgeschoss wohnt. „Es ist schön hier", sagt sie. Nur ein Pool fehle bei der Hitze.

Führungen Mi, Do, Fr 10.30 und 12 Uhr, Sa und So 11 Uhr, Erwachsene 4,50 Euro, Kinder bis 12 Jahren gratis. Gruppen nach Vereinbarung. Anmeldung Tel.: 971-71 11 22, www.fundacionbmarch.es