Von der Lichtung ertönt Kinder­geschrei, zwei kleine Mädchen spielen zwischen den Bäumen Fangen. Auf einer Picknickdecke sitzen ein Junge und ein Mädchen, der Junge spielt Mundharmonika, das Mädchen lässt sich von einer jungen Frau ihre Lieblingsgeschichte vorlesen. Die MZ ist zu Gast im Waldkindergarten von Bunyola - dort, wo die Kleinsten fernab von Straßenverkehr und Smartphones im Einklang mit der Natur aufwachsen sollen.

Ein gutes Jahr gibt es die Initiative Ses Milanes inzwischen. Ins Leben gerufen haben sie die Eltern der inzwischen dreieinhalbjährigen Amar. Amar ging zwei Wochen lang in den herkömmlichen Kindergarten von Bunyola, dann hatten ihre Eltern genug. „Das war ein kleiner, dunkler Raum, und die Kinder hatten fast nur Plastikspielsachen", sagt ihre Mutter Yasmine Eid-Sabbagh.

Die Tochter eines libanesischen Palästinensers und einer Deutschen hatte sich unter einem Kindergarten für ihre lebhafte Tochter etwas anderes vorgestellt. Etwas, das es bis dato auf der Insel nicht gab. Ein Waldkindergarten sollte es sein, nach dem Vorbild des Wiesbadener Wanderkinder­gartens. Dort treffen sich die Kinder jeden Morgen an einem Spielplatz und streifen dann durch den Wald, besuchen ein Museum oder gehen in die Bibliothek. Einen festen Raum haben sie nicht. Nicht einmal einen Bauwagen.

Die Gründer des Waldkindergartens stießen in Bunyola zunächst auf Misstrauen. Besonders unter Mallorquinern galt die größte Sorge dem Wetter: ,Und was macht Ihr, wenn es kalt ist oder regnet?" Bedenken, die die Künstlerin Eid-Sabbagh nicht nachvollziehen konnte - gerade auch weil diese Form des Kindergartens im wettertechnisch weniger gesegneten Mittel- und Nordeuropa weit verbreitet ist. In Spanien hingegen gibt es mit der Initiative in Bunyola nur drei.

Schnell fanden sich dennoch erste Interessenten. Zehn Elternpaare sind es inzwischen, manche haben noch nicht einmal Kinder im fraglichen Alter. Zufall oder nicht, waren es hauptsächlich gemischte Paare mit ganz unterschiedlichen Herkunftsländern. Teilweise kannte man sich von einem gemeinschaftlich betriebenen Garten in Bunyola.

Eid-Sabbagh und ihr Partner Adrià Ramírez haben lediglich einen Verein gegründet, um ihr Projekt zu verwirklichen. In Spanien sind derlei alternative Vorschul-Einrichtungen nicht als offizielle Lehranstalten angesehen - und so war auch kein großer Papierkram, kein Lehrplan nötig. Der Wald dient als Abenteuer­spielplatz und Experimentierraum; der Initiative haftet etwas Anarchisches an.

Fehlte nur noch eine Erzieherin. Mit Patricia Torrena, einer Uruguayerin, die seit zwölf Jahren auf Mallorca lebt und stets als Erzieherin gearbeitet hat, fand man die ideale Besetzung. Der Südamerikanerin zur Seite steht zweimal in der Woche die Italienerin Linda Bottinelli, die im vergangenen Jahr bereits ein Praktikum bei „Ses Milanes" absolvierte und nun auf ehrenamtlicher Basis mitarbeitet. „Für zwei Gehälter reichen unsere finanziellen Mittel leider noch nicht", bedauert Eid-Sabbagh, die darauf geachtet hat, dass der Kindergarten erschwinglich ist. 150 Euro zahlen die Eltern im Monat - dafür sind die Kinder von Montag bis Freitag von 9 bis gegen 14 Uhr in der Natur - bei Wind und Wetter. Finanzkräftige Sponsoren, die etwas für das Projekt übrighaben, werden gesucht.

Die Eltern dürfen übrigens jederzeit im Wald vorbeischauen, der an der Straße nach Santa Maria liegt. Beim MZ-Besuch war ein mallorquinisch-kanadisches Elternpaar damit beschäftigt, eine Art Zelt aus Stöcken und Zweigen zu errichten, wo die Kinder im Alter zwischen zwei und sechs Jahren Unterschlupf finden. Um das Projekt bekannter zu machen, veranstalten die Initiatoren in unregelmäßigen Abständen kostenlose Wochenendaktivitäten.

www.sesmilanes.org