Früher war das hier eine eher abgelegene Landstraße, die einen Vorort von Palma mit dem Meer verband. Der heutige Carrer Saridakis hieß bis 1967 lapidar „Camino de Génova a Portopí". Heute werden diese gerade mal anderthalb Kilometer durchweg von Häusern und Gebäuden gesäumt - vom Marivent-Palast, von edlen, zum Teil mit Stacheldraht geschützten Villen, von Mehrfamilienhäusern für die Mittelschicht und von unansehnlichen, verlotterten Kästen wie den Pullman- und Impala-Gebäuden, einem sozialen Brennpunkt.

Doch der Reihe nach: Wer am Marivent-Palast dort steht, wo der Carrer Saridakis abbiegt, fragt sich zunächst, was dieser griechische Name soll. Das liegt ­daran, dass das heute von der spanischen Königs­familie im Sommer ­genutzte Anwesen mit der hohen Begrenzungsmauer früher einem 1877 in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria geborenen Maler mit griechischen Wurzeln gehörte, den es 1923 auf die Insel verschlug: Iohannis Saridakis. Von 1925 bis zu seinem Tod im Jahr 1963 wohnte der reiche Mann, der sich um die Jahrhundertwende als Minen­ingenieur in Chile verdingt hatte, mit seiner Frau in dem von ihm in Auftrag gegeben Komplex. Zwei Jahre nach seinem Tod vermachte die Witwe das Anwesen der öffentlichen Hand, und die stellte es 1975 den nach dem Ableben von Diktator Francisco Franco zu Herrscher­ehren gelangten Bourbonen zur Verfügung.

Zunächst ist alles noch proper, wenn man die Straße bergauf geht. Es sind nur wenige Autos unterwegs, immer wieder kommen Busse der Linie 46. In einem kleinen Lebensmittelgeschäft der gehobeneren Art arbeitet Silvia. Und rümpft die Nase ob der ungeliebten, nur etwa 200 Meter weiter oben lebenden Nachbarn: „Dort gibt es viel Kriminalität", sagt sie. „Früher, in den 70ern, war alles noch in Ordnung, weil die Pullman-Gebäude Hotels waren." Dass diese Blöcke einst eher Gutbetuchte anzogen, ist heute nur noch schwer vorstellbar. Der Pool ist leer, der Putz bröckelt ab, und über die Straße streunt ein kurzbeiniger Wursthund mit ungepflegtem Fell. In einer sinnigerweise Rembrandt heißenden Bar ist man nicht auskunftsfreudig: „Was willst du hier", fragt ein untersetzter, grimmiger Mann den Reporter. Und Jorge, Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes, sagt auf der Straße: „Hier passiert zwar immer mal wieder etwas, aber so richtig schlimm ist es nicht."

Die schlechte Gegend ist schnell durchlaufen. Sie grenzt an einen Parkplatz, eine Freifläche - und auf der anderen Straßenseite an eine der schönsten Bauten der Stadt, die Miró-Stiftung von Rafael Moneo. Auf dem Gelände finden sich die Häuser und Ateliers von Joan Miró, der hier von 1956 bis zu seinem Tod 1983 lebte und arbeitete.

Weiter geht es zunächst an gediegeneren Mehrfami­lienhäusern entlang. Bereits vor der Brücke weit über der Ringautobahn beginnt dann eine Villenzone, die sich bis in die Viertel Bonanova und Génova erstreckt. Kaum ein Mensch ist auf der Straße zu sehen. Jedes Anwesen ist hier, den Schildern nach zu urteilen, an ein Alarmsystem angeschlossen, das vor Einbrüchen schützen soll, was auch nicht weiter verwundert. Hier und dort bellt einen ein Hund an, wenn man sich zu sehr einem Zaun nähert und durch eine Ritze einen Blick etwa auf den großen Pool im Garten erhascht. Es ist still im luftigen ­Bonanova. Der Blick auf andere Teile der Stadt -darunter die Kathedrale - ist beeindruckend. Der Carrer Saridakis ist hier fast eine Edelmeile und endet am Rand des durch seine Restaurants bekannten Viertels Génova. Die in Wahrheit nur zehn Gehminuten entfernten baufälligen Pullman-Kästen scheinen hier Lichtjahre ­entfernt.