Der Sturm hat das Türschloss am Gewächshaus aufgedrückt. Es muss schnell repariert werden, denn die fleischfressenden Pflanzen des Züchters Guillem Gutíerrez mögen keinen Zug. Der invernadero aus Stahlrohren und Plastikfolie am Camí de Son Fangos bei Manacor ist geräumig und ein großer Fortschritt gegenüber den Anfängen des Züchters. Als die MZ ihn vor vier Jahren besuchte, musste er mit sehr wenig Platz auf dem Grundstück seiner Freundin auskommen. Mit ihr gemeinsam verkaufte er seine Gewächse auf den Inselmärkten.

Der damalige Student der Biologie an der UIB hat seinen Bachelor mittlerweile in der Tasche und ist mit den Pflanzen auf das Grundstück seiner Eltern bei Manacor umgezogen. Hier gibt es viel Platz für die Karnivoren-Setzlinge, die bei einer Temperatur zwischen 20 und 25 Grad bestens gedeihen. Auf dem Dach wird Regenwasser gesammelt und in einen Bottich mit einem Fassungsvermögen von 6.000 Litern geführt. Denn das kalkhaltige Brunnenwasser der Insel bekommt seinen Pfleglingen nicht. „Sie mögen es feucht, auch Staunässe kann ihnen nichts anhaben", sagt der 25-Jährige.

Gezogen werden die fleischfressenden Gewächse in vitro aus Samen der bereits an das Inselklima gewöhnten Pflanzen. Die Keimlinge treiben in einer etwa ein Zentimeter hohen gallertartigen Agar-Agar-Masse, die aus ostindischen Algen gewonnen wird. Sie macht es möglich, dass Feuchtigkeits- und Nährstoffzufuhr fein dosiert werden kann. Die Aufzucht findet in sterilen, Reagenzgläsern ähnlichen Kunststoffbehältern in einer wohltemperierten Wärmekammer statt. Wenn die Keimlinge groß genug sind, werden sie mit einem Skalpell getrennt und in Substrat eingepflanzt.

Im neuen Gewächshaus soll Torf als Substrat künftig nicht mehr zum Einsatz kommen, weil der Abbau bekanntlich weltweit die Ökosysteme der Moore zerstört. „Mit einer Mischung aus Sägemehl, Kokosfaser, Sand und Perlite habe ich gute Ergebnisse erzielt", sagt der Biologe. Für seine Zucht suchte er sich aus der Vielzahl der Arten der fleischfressenden Pflanzen vor allem diejenigen aus, die für das Klima Mallorcas geeignet sind.

Eine von ihnen ist die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula). Die Pflanze bildet im Frühling Blüten an hohen Stängeln. Ihre Staubgefäße locken die Mücken an, die sie dann bestäuben. Die Fallen sind während der Blütezeit nicht aktiv. Erst danach produzieren die Drüsen an den Innenseiten der Blätter einen süßen Nektar. Die Blattränder sind mit Dornen besetzt, auf den Innenseiten schwingen feine Härchen. Der süße Duft lockt die Insekten an. Wenn sie die feinen Härchen berührten, schnappt die Falle zu. Die Pflanze erdrückt das Insekt und presst die Proteine aus. Am Ende bleibt nur der Chitinpanzer übrig. Wenn drei, vier Insekten in die Falle gegangen sind, stirbt das Blatt ab.

Heimisch ist die Venusfliegenfalle in den US-Bundesstaaten North und South Carolina, seltener auch in Florida. „Sie und alle Schlauchpflanzen-Arten, zum Beispiel die Sarracenia purpurea sind wahre Fliegenkiller", sagt der Züchter. Letztere zeigt jetzt im Frühling prächtige Blüten. Auch sie wächst wild in milden Klimazonen Nordamerikas.

Die Kannenpflanzengewächse (Nepenthaceae) dagegen stammen aus den Tropen, bevorzugt von Borneo und Sumatra, viele Arten sind dort durch das Abholzen der Regenwälder vom Aussterben bedroht. Zu erkennen sind sie an ihren an Vasen erinnernden Insektenfallen.

Sie fangen neben Mücken auch Ameisen und Spinnen. Wenn die Insekten in die Falle gegangen sind, verschließen sie den Deckel ihres „Kännchens".

Im Frühjahr befindet sich in den Fallen nur wenig Beute. Wenn jedoch im Sommer die Türen des Gewächshauses geöffnet sind, kommen die Insekten in Massen. Dabei brauchen die Pflanzen sie gar nicht zum Überleben. Die Insekten sind für sie eine Art Nährstoffpakete, die ihr Wachstum fördern.

Dass Bienen nicht dazugehören, bestätigte Gutíerrez experimentell. Er stellte von jeder Karnivoren-Art ein Exemplar neben Bienenstöcken auf. Die Honigbienen fühlten sich von ihrem Nektar nicht angezogen und ließen die Gewächse links liegen. Als er sich sicher war, dass die Karnivoren keine Bienenkiller sind, konnte er seine Zucht getrost weiter ausbauen.

Statt auf Inselmärkten bietet der Züchter seine Pflanzen heute online an und versendet sie aufs spanische Festland sowie nach England und Südamerika. Die winzigen Pflänzchen bringen nur ein paar Gramm auf die Waage, deshalb sind die Porto­kosten für die Kunden leicht zu verschmerzen. Im Internet gibt es - ähnlich wie bei den Kakteenliebhabern - Foren und viele gut vernetzte Karnivoren-Fans.

Für diejenigen von ihnen, die auf der Insel wohnen, plant der Züchter eine Gartenanlage rund um das Gewächshaus. „Vielleicht bringe ich es ja auch eines Tages zu einem eigenen Labor", sagt er. Der bekannteste Kakteenzüchter der Insel, Toni Moreno, habe in Ses Salines auch einmal auf vier Quadratmetern mit seiner Kakteenzucht begonnen. Heute sind es über fünf Hektar.

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