21 Uhr ist Treffpunkt in der Bar Can Punta, direkt am Marktplatz in Alaró. Drinnen schaut eine Gruppe gebannt auf den Fernseher, es läuft Fußball. „Das sind sie", sagt der Barmann. Die berühmten Cossiers. Eine entspannte Gruppe grüßt freundlich, eine ältere Dame fällt unter den vielen jungen Männern auf.

Die Cossiers, das sind traditionelle Tänzer, die zweimal im Jahr in archaischen Tänzen der Ernte und Fruchtbarkeit huldigen. Die Schritte, die teilweise einem Ritus gleichen, sind einfach bis monoton, die Musik ebenso schlicht. Aber es scheint ein Zauber von diesem rituellen Tanz auszugehen, sonst wären die Menschen aus Alaró nicht so stolz auf die Tradition, die im Jahr 1992 nach einer 53-jährigen Pause wiederbelebt und gerade noch vor dem Vergessen bewahrt wurde.

Heute ist Probe, direkt im Theater um die Ecke. Ein Folkloretanz wie viele andere? Nein. Er wird ausschließlich von Männern getanzt, auch die dama, die Hauptfigur im weißen Kleid, die das Gute darstellt, von sechs schützenden Cossier-Tänzern vor dem Teufel bewahrt wird und ihn schließlich bezwingt. Doch seit Kurzem dürfen auch Frauen in Alaró die dama tanzen, eine Debatte war die Folge. Traditionalisten sehen den Wandel kritisch, doch viele Dorfbewohner sind einverstanden.

An diesem Abend bei der Probe wird in zivil getanzt. Geschirrtücher dienen als pañuelo. Die Jungs sehen teilweise so aus, als würden sie lieber auf dem Fußballplatz bolzen. Die Instrumente des Musikers sind schlicht, dafür voller Geschichte. Eine Flöte und ein Tamburin, das er rhythmisch schlägt. Fast monotone Klänge begleiten die Männer beim Springen und Hüpfen. Zwei Schritte vor, Sprung, zwei Schritte vor, Sprung.

„Das ist immer der gleiche Rhythmus", erzählt Antònia. Sie schaut bei jeder Probe zu - seit 20 Jahren. Ihr Mann hat zusammen mit dem Enkel getanzt, „die gleiche Farbe in der Tracht", erzählt sie stolz. Man ahnt: Cossier zu sein, bedeutet Identität und Zugehörigkeit zu Alaró. Hinterfragt hat sie den Männertanz nie, erzählt die ältere Dame. „Ich bin eine, die die Tradition hochhält." Und Tradition bedeutet nun mal, dass der Tanz seit mehreren hundert Jahren ausschließlich von Männern getanzt wird.

Jetzt haben vor Kurzem zwei junge Frauen aus Alaró darum gebeten, in die Gruppe aufgenommen zu werden. Streit habe es deswegen nicht gegeben, sagt Salvador Simonet, der Leiter der Gruppe. Das sei in den Medien falsch rübergekommen. „Wenn die Frauen mitmachen wollen, warum nicht?" Die Zeiten änderten sich eben, und auch Tradition müsse wandelbar sein.

Der Galerist Tomeu Simonet tanzte selbst jahrelang den Teufel. Auch für ihn bedeutet Cossier zu sein viel mehr, als nur in einer Tanzgruppe mitzumischen. „Das ist eine Sache des Gefühls", versucht er das Besondere dieses archaischen Tanzes zu beschreiben, der vor 25 Jahren von dem Folkloreforscher Francesc Vallcaneras aus Alaró wiederbelebt wurde. Er findet es gut, dass jetzt Frauen mitmachen.

Aber ganz so einfach ist die Sache mit den weiblichen Cossiers dann doch nicht. Eine der beiden jungen Frauen, die mittanzen will, ist im Rathaus des Dorfes Gemeinderätin für Kultur und Gleichstellung. Die linke Regionalpartei Més wird die Feier zum 25-jährigen Bestehen der Cossiers 2017 ausrichten. Zufall, dass sie gerade jetzt beschlossen hat, eine Cossier-Dame zu werden?

„Ich tanze es, weil ich aus Alaró bin, weil es etwas aus meiner Kultur ist", erklärt Aina Sastre. Über Politik will sie an diesem Abend nicht sprechen. Sie sei als Privatperson hier. Einige sehen die Vermischung von Politik und Tradition kritisch. Die Cossiers sind dem Rathaus unterstellt, werden von der Gemeinde finanziert. Die Zustimmung, dass ab jetzt auch Frauen mittanzen dürfen, kam von dort. Ein Referendum im Dorf, wie es von einigen vorgeschlagen wurde, war anscheinend nicht nötig. „Warum?", meint Salvador Simonet, „wenn die Meinungen für die Frauen doch recht einhellig waren?"

Die Probe dauert eine halbe Stunde. Die jungen Kerle springen fröhlich durch den leeren Theaterraum. Der Musikant bläst in die Holzflöte und schlägt auf seine kleine Trommel. Antònia schaut konzentriert zu. Sie hat nie im Traum daran gedacht, selbst zu tanzen. Ihr reicht es, dabei zu sein, für die Trachten und Requisiten zuständig zu sein. Dass jetzt auch junge Frauen mittanzen dürfen, sieht sie zwiegespalten. Einer Traditionalistin kann man nicht so leicht mit Argumenten der Gleichberechtigung kommen. Aber „die Dinge ändern sich eben", meint sie.

Die beiden jungen dama-Anwärterinnen müssen heute noch zuschauen. Erst im August, beim großen Dorffest des Schutzpatrons San Roc, dürfen sie ihr Können unter Beweis stellen - neben einem Tanz im Mai der einzige öffentliche Auftritt im Jahr. „Es wird sich noch zeigen, ob sie „fit" genug sind, meint Salvador Simonet und schmunzelt. Wer genau hinschaut, sieht, dass die Cossiers aus Alaró schon lange ihre Dame haben. Antònia.